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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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sein; im weiteren Verlaufe der Arbeit wird er sich sicherlich von selbst all¬
mählich einstellen.

Musterhaft und über alles Lob erhaben ist die typographische und künst¬
lerische Ausstattung des Werkes. Die meisten Holzschnitte sind, nach Orginal-
photographieen, neu angefertigt und sind nicht blos technisch vollendet, sondern
bemühen sich auch, was bei den Abbildungen unserer landläufigen kunstge¬
schichtlichen Handbücher so oft vermißt wird, das Charakteristische der
Zeichnung getreu wiederzugeben.

So sei denn dieses schöne Werk der Theilnahme aller Gebildeten auf's
dringlichste empfohlen; der kunstsinnigen Verlagshandlung aber, die so bereit¬
willig zu dem mit einem ungewöhnlichen Aufwand von intellektuellen
und materiellen Mitteln verknüpften Unternehmen die Hand geboten, sei der
wärmste Dank dafür gesagt.




Sittenbilder aus Japan,
ii.

Der zweite Theil des Mitfordschen Buches beginnt mit einer Geschichte,
die sich "der Geist von Sakura" nennt, und die wir zu den interessantesten
Mittheilungen der ganzen Sammlung rechnen, während sie zugleich vor¬
trefflich erzählt ist. Sie wirft ein Helles Licht aus die kläglichen Zustände
der japanischen Bauern gegenüber den großen Landeigenthümern, denen sie
tributpflichtig sind, und erzählt uns das traurige Schicksal eines Mannes, der
als Befürworter der Rechte seines Standes den Märtyrertod starb. Die Ge¬
schichte, eine wirkliche Begebenheit, die sich im siebzehnten Jahrhundert zutrug,
ist in Japan allgemein bekannt, als Buch gedruckt und zu einem Drama ver¬
arbeitet. Wir geben sie in ihren Hauptumrissen wieder:

In der Provinz Schimosa lebte der Fürst Kotsuke no Suke Masanobu,
welcher der reichbegüterten Kriegerfamilie der Holla angehörte und Mitglied
des Gorodschu, d. h. des Staatsraths in Jeddo war. Er war aber ein hab¬
gieriger und harter Herr gegen seine Pächter und Bauern, denen er so
drückende Steuern auflegte, daß sie in die äußerste Armuth versanken. Bitten
um Nachlaß halfen nichts, und so beschlossen die Oberhäupter von hundert
undsechsunddreißig Dörfern endlich, zunächst von den Räthen des Fürsten in
der Provinz an den in Jeddo wohnenden Fürsten selbst zu appelliren. Dieß
mißlang, sie wurden nicht einmal vorgelassen und kehrten unverrichteter Sache
in die Heimath zurück. Hier schlug ihnen der Dorfschulze Sogoro vor, sich


sein; im weiteren Verlaufe der Arbeit wird er sich sicherlich von selbst all¬
mählich einstellen.

Musterhaft und über alles Lob erhaben ist die typographische und künst¬
lerische Ausstattung des Werkes. Die meisten Holzschnitte sind, nach Orginal-
photographieen, neu angefertigt und sind nicht blos technisch vollendet, sondern
bemühen sich auch, was bei den Abbildungen unserer landläufigen kunstge¬
schichtlichen Handbücher so oft vermißt wird, das Charakteristische der
Zeichnung getreu wiederzugeben.

So sei denn dieses schöne Werk der Theilnahme aller Gebildeten auf's
dringlichste empfohlen; der kunstsinnigen Verlagshandlung aber, die so bereit¬
willig zu dem mit einem ungewöhnlichen Aufwand von intellektuellen
und materiellen Mitteln verknüpften Unternehmen die Hand geboten, sei der
wärmste Dank dafür gesagt.




Sittenbilder aus Japan,
ii.

Der zweite Theil des Mitfordschen Buches beginnt mit einer Geschichte,
die sich „der Geist von Sakura" nennt, und die wir zu den interessantesten
Mittheilungen der ganzen Sammlung rechnen, während sie zugleich vor¬
trefflich erzählt ist. Sie wirft ein Helles Licht aus die kläglichen Zustände
der japanischen Bauern gegenüber den großen Landeigenthümern, denen sie
tributpflichtig sind, und erzählt uns das traurige Schicksal eines Mannes, der
als Befürworter der Rechte seines Standes den Märtyrertod starb. Die Ge¬
schichte, eine wirkliche Begebenheit, die sich im siebzehnten Jahrhundert zutrug,
ist in Japan allgemein bekannt, als Buch gedruckt und zu einem Drama ver¬
arbeitet. Wir geben sie in ihren Hauptumrissen wieder:

In der Provinz Schimosa lebte der Fürst Kotsuke no Suke Masanobu,
welcher der reichbegüterten Kriegerfamilie der Holla angehörte und Mitglied
des Gorodschu, d. h. des Staatsraths in Jeddo war. Er war aber ein hab¬
gieriger und harter Herr gegen seine Pächter und Bauern, denen er so
drückende Steuern auflegte, daß sie in die äußerste Armuth versanken. Bitten
um Nachlaß halfen nichts, und so beschlossen die Oberhäupter von hundert
undsechsunddreißig Dörfern endlich, zunächst von den Räthen des Fürsten in
der Provinz an den in Jeddo wohnenden Fürsten selbst zu appelliren. Dieß
mißlang, sie wurden nicht einmal vorgelassen und kehrten unverrichteter Sache
in die Heimath zurück. Hier schlug ihnen der Dorfschulze Sogoro vor, sich


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[0418] sein; im weiteren Verlaufe der Arbeit wird er sich sicherlich von selbst all¬ mählich einstellen. Musterhaft und über alles Lob erhaben ist die typographische und künst¬ lerische Ausstattung des Werkes. Die meisten Holzschnitte sind, nach Orginal- photographieen, neu angefertigt und sind nicht blos technisch vollendet, sondern bemühen sich auch, was bei den Abbildungen unserer landläufigen kunstge¬ schichtlichen Handbücher so oft vermißt wird, das Charakteristische der Zeichnung getreu wiederzugeben. So sei denn dieses schöne Werk der Theilnahme aller Gebildeten auf's dringlichste empfohlen; der kunstsinnigen Verlagshandlung aber, die so bereit¬ willig zu dem mit einem ungewöhnlichen Aufwand von intellektuellen und materiellen Mitteln verknüpften Unternehmen die Hand geboten, sei der wärmste Dank dafür gesagt. Sittenbilder aus Japan, ii. Der zweite Theil des Mitfordschen Buches beginnt mit einer Geschichte, die sich „der Geist von Sakura" nennt, und die wir zu den interessantesten Mittheilungen der ganzen Sammlung rechnen, während sie zugleich vor¬ trefflich erzählt ist. Sie wirft ein Helles Licht aus die kläglichen Zustände der japanischen Bauern gegenüber den großen Landeigenthümern, denen sie tributpflichtig sind, und erzählt uns das traurige Schicksal eines Mannes, der als Befürworter der Rechte seines Standes den Märtyrertod starb. Die Ge¬ schichte, eine wirkliche Begebenheit, die sich im siebzehnten Jahrhundert zutrug, ist in Japan allgemein bekannt, als Buch gedruckt und zu einem Drama ver¬ arbeitet. Wir geben sie in ihren Hauptumrissen wieder: In der Provinz Schimosa lebte der Fürst Kotsuke no Suke Masanobu, welcher der reichbegüterten Kriegerfamilie der Holla angehörte und Mitglied des Gorodschu, d. h. des Staatsraths in Jeddo war. Er war aber ein hab¬ gieriger und harter Herr gegen seine Pächter und Bauern, denen er so drückende Steuern auflegte, daß sie in die äußerste Armuth versanken. Bitten um Nachlaß halfen nichts, und so beschlossen die Oberhäupter von hundert undsechsunddreißig Dörfern endlich, zunächst von den Räthen des Fürsten in der Provinz an den in Jeddo wohnenden Fürsten selbst zu appelliren. Dieß mißlang, sie wurden nicht einmal vorgelassen und kehrten unverrichteter Sache in die Heimath zurück. Hier schlug ihnen der Dorfschulze Sogoro vor, sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/418>, abgerufen am 26.06.2024.