Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.ihr Antlitz zu und sagte: "Ach, hoher Herr, Ihr scherzt wohl nur mit mir, So trennen sie sich denn. Gensaburo geht nach seinem Palaste. Okogo Den Schluß des ersten Bandes bilden japanische Märchen. Märchen¬ ihr Antlitz zu und sagte: „Ach, hoher Herr, Ihr scherzt wohl nur mit mir, So trennen sie sich denn. Gensaburo geht nach seinem Palaste. Okogo Den Schluß des ersten Bandes bilden japanische Märchen. Märchen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0395" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134213"/> <p xml:id="ID_1238" prev="#ID_1237"> ihr Antlitz zu und sagte: „Ach, hoher Herr, Ihr scherzt wohl nur mit mir,<lb/> da Ihr doch nun wißt, daß das, was Euch gefallen hat, mir vorzuschlagen,<lb/> der innigste Wunsch meines Herzens ist. Ich wäre glücklich, wenn ich nur<lb/> als Magd oder in noch geringerer Eigenschaft in Euer Haus kommen dürfte,<lb/> um mich an Eurem Anblick zu erfreuen." — „Ah! Ich sehe wohl, wie gut<lb/> Du Dich darauf verstehst, Männer zum Besten zu haben, und so willst Du<lb/> auch mich ein wenig säuseln." Damit nahm er sie bei der Hand und zog<lb/> sie an sich heran. Sie aber, wieder erröthend, rief: „O wartet noch einen<lb/> Augenblick, bis ich die Schiebethür verschlossen habe." — „Höre mich an,<lb/> Okogo, nie werde ich das Versprechen vergessen, das ich Dir gab, und Du,<lb/> brauchst nicht zu fürchten, daß ich Dir Kummer machen werde. Hüte Dich<lb/> aber auch Deinerseits, mich zu hintergehen." — „Wohl ist eher zu fürchten.<lb/> Herr, daß es Euch gefallen würde. Euer Herz einer Andern zu schenken. Aber<lb/> ich bitte Euch, obgleich ich keine vornehme Dame bin, habt Mitleid mit mir<lb/> und liebt mich ehrlich und lange." — „Das steht fest. Ich werde mich um<lb/> kein anderes Weib kümmern als um Dich." — „O, diese Worte, das erflehe<lb/> ich von Euch, diese Worte, die Ihr jetzt gesprochen habt, vergeht nie!" —<lb/> „Doch jetzt," erwiederte Gensaburo, „rückt die Nacht heran, und für heute<lb/> müssen wir scheiden."</p><lb/> <p xml:id="ID_1239"> So trennen sie sich denn. Gensaburo geht nach seinem Palaste. Okogo<lb/> kehrt heim in ihre Hütte, ihr Herz voll Wonne, daß sie den Mann gefunden,<lb/> nach dem ihre Seele verlangt. Fortan treffen sie sich oft in dem Theehause,<lb/> und Gensaburo vergißt ganz, daß sein Verhältniß bald bekannt werden muß.<lb/> Dieß geschieht denn auch, und da in Japan Mesalliancen für Verbrechen<lb/> angesehen werden, so endigt die Geschichte tragisch: Gensaburo wird, seiner<lb/> Güter und Würden beraubt, in die Verbannung geschickt, und Okogo trifft<lb/> mit ihrer ganzen Familie ein ähnliches Schicksal.</p><lb/> <p xml:id="ID_1240" next="#ID_1241"> Den Schluß des ersten Bandes bilden japanische Märchen. Märchen¬<lb/> hafte Erzählungen giebt es in Japan in Menge, sie bilden dort einen förm¬<lb/> lichen kleinen Literaturzweig. Mitford hat eine Anzahl derselben gesammelt<lb/> und sie wörtlich übersetzt. Sie sind einfach und volkstümlich erzählt und<lb/> können sich den unsrigen getrost an die Seite stellen. Einiges in ihnen klingt<lb/> an diese an. Im Uebrigen aber sind sie rein japanische Gewächse, hervor¬<lb/> gegangen aus den Lebensverhältnissen, den Sitten, der Phantasie und den<lb/> abergläubischen Vorstellungen des Jnselvolkes. Die Einbildungskraft, die in<lb/> ihnen waltet, ist bisweilen ungemein keck; denn nicht nur den lebendigen<lb/> Gegenständen der Natur, den Thieren und Pflanzen, sondern auch todten<lb/> Dingen, Hausgeräthen, Theekesseln, Reismörsern, Besenstielen, Seetang¬<lb/> stücken u. a. wird Vernunft, Wille und Sprache zugeschrieben, und sie treten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0395]
ihr Antlitz zu und sagte: „Ach, hoher Herr, Ihr scherzt wohl nur mit mir,
da Ihr doch nun wißt, daß das, was Euch gefallen hat, mir vorzuschlagen,
der innigste Wunsch meines Herzens ist. Ich wäre glücklich, wenn ich nur
als Magd oder in noch geringerer Eigenschaft in Euer Haus kommen dürfte,
um mich an Eurem Anblick zu erfreuen." — „Ah! Ich sehe wohl, wie gut
Du Dich darauf verstehst, Männer zum Besten zu haben, und so willst Du
auch mich ein wenig säuseln." Damit nahm er sie bei der Hand und zog
sie an sich heran. Sie aber, wieder erröthend, rief: „O wartet noch einen
Augenblick, bis ich die Schiebethür verschlossen habe." — „Höre mich an,
Okogo, nie werde ich das Versprechen vergessen, das ich Dir gab, und Du,
brauchst nicht zu fürchten, daß ich Dir Kummer machen werde. Hüte Dich
aber auch Deinerseits, mich zu hintergehen." — „Wohl ist eher zu fürchten.
Herr, daß es Euch gefallen würde. Euer Herz einer Andern zu schenken. Aber
ich bitte Euch, obgleich ich keine vornehme Dame bin, habt Mitleid mit mir
und liebt mich ehrlich und lange." — „Das steht fest. Ich werde mich um
kein anderes Weib kümmern als um Dich." — „O, diese Worte, das erflehe
ich von Euch, diese Worte, die Ihr jetzt gesprochen habt, vergeht nie!" —
„Doch jetzt," erwiederte Gensaburo, „rückt die Nacht heran, und für heute
müssen wir scheiden."
So trennen sie sich denn. Gensaburo geht nach seinem Palaste. Okogo
kehrt heim in ihre Hütte, ihr Herz voll Wonne, daß sie den Mann gefunden,
nach dem ihre Seele verlangt. Fortan treffen sie sich oft in dem Theehause,
und Gensaburo vergißt ganz, daß sein Verhältniß bald bekannt werden muß.
Dieß geschieht denn auch, und da in Japan Mesalliancen für Verbrechen
angesehen werden, so endigt die Geschichte tragisch: Gensaburo wird, seiner
Güter und Würden beraubt, in die Verbannung geschickt, und Okogo trifft
mit ihrer ganzen Familie ein ähnliches Schicksal.
Den Schluß des ersten Bandes bilden japanische Märchen. Märchen¬
hafte Erzählungen giebt es in Japan in Menge, sie bilden dort einen förm¬
lichen kleinen Literaturzweig. Mitford hat eine Anzahl derselben gesammelt
und sie wörtlich übersetzt. Sie sind einfach und volkstümlich erzählt und
können sich den unsrigen getrost an die Seite stellen. Einiges in ihnen klingt
an diese an. Im Uebrigen aber sind sie rein japanische Gewächse, hervor¬
gegangen aus den Lebensverhältnissen, den Sitten, der Phantasie und den
abergläubischen Vorstellungen des Jnselvolkes. Die Einbildungskraft, die in
ihnen waltet, ist bisweilen ungemein keck; denn nicht nur den lebendigen
Gegenständen der Natur, den Thieren und Pflanzen, sondern auch todten
Dingen, Hausgeräthen, Theekesseln, Reismörsern, Besenstielen, Seetang¬
stücken u. a. wird Vernunft, Wille und Sprache zugeschrieben, und sie treten
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