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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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ist. Diese Herren verkünden als Streben und Zweck ihres Vereins: .Die
Bekämpfung aller extremen Richtungen aus politischem, socialem und kirchlichem
Gebiete." Sie "betrachten sich nur als ein Glied der großen conservativen
Partei im deutschen Reich " und halten "nur auf den ethischen Grundlagen
der göttlichen Weltordnung ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen im
Staate, eine erfolgreiche Culturentwickelung möglich. Dieses wieder mehr zum
Bewußtsein zu bringen, ist die Aufgabe der conservativen Partei."

Schon diese Sätze verrathen theils eine beneidenswerte Unkenntniß un-
umstößlicher Thatsachen, theils eine unleugbare Meisterschaft in der Formu-
ltrung beweisloser und nicht zu beweisender Behauptungen. Der conservative
Verein setzt sich "die Bekämpfung aller extremen Richtungen auf politischem,
socialem und kirchlichem Gebiete" zur Aufgabe, und er glaubt diese Aufgabe zu
fördern, indem er in seinen Vorstand Männer wählt, die, solange sie öffentlich
thätig sind, auf dem allerextremsten Flügel der politischen, socialen und kirch¬
lichen Reaction marschirt sind und gekämpft haben. Wo man in Sachsen die
schwärzesten Blätter junkerlicher und lutherisch-papistischer Reaction und Gesetzes-
macherei aufzeigt, trifft man ganz unzweifelhaft auf die erlauchten Träger
der Namen von Zehner, von Erdmannsdorff, von Könneritz, die heute im
Vorstand des conservativen Vereins sitzen. Der Freiherr von Beust in seinem
Zusammenwirken mit diesen Herren in der ersten sächsischen Kammer war
auf politischem, ^ socialem und kirchlichem Gebiete eine Art Freidenker, in
Worten und Phrasen ein nationaler Mann im Vergleich zu diesen drei
Aposteln des conservativen Vereins, welche heute "allen extremen Richtungen"
auf diesen drei Gebieten den Krieg erklären. Man mag sich erinnern, wie dann
weiter in den jüngsten Jahren Männer, deren conservative Gesinnung wohl
auch im "Conservativen Verein" anerkannt wird, die sächsischen Minister von
Friesen, von Nostiz-Wallwitz, von Falkenstein und von Gerber bei wichtigen
Reformen der nationalen, politischen und kirchlichen Gesetzgebung auf einen
zähen und verbissenen Widerstand in der ersten Kammer gestoßen sind, welcher
von den gedachten drei bis vier Kammerherren und ihren Gesinnungsgenossen
ausging und unterhalten wurde. Man wird noch nicht vergessen haben, wie
König Johann in einer seiner letzten Thronreden diesen Extremsten unter den
Extremen seine allerhöchste Mißbilligung schneidig zu erkennen gab. An ihrem
extremen Starrsinn sind seither, auch unter König Abert, von der Staats¬
regierung selbst als dringlich und werthvoll erkannte Reformen gescheitert.
Und heute finden sie den Muth, sich offen als die Bekämpfer "aller extremen
Richtungen" aufzuspielen. Wenn dieser Kampf auf Leben und Tod gemeint
ist, so kann er nur mit dem Selbstmord der gedachten Herren enden. Denn so¬
lange sie leben, lebt das äußerste Extrem reactionärer junkerlicher Prätensionen
auf politischem, socialem und kirchlichem Gebiete fort. Man könnte ein-


ist. Diese Herren verkünden als Streben und Zweck ihres Vereins: .Die
Bekämpfung aller extremen Richtungen aus politischem, socialem und kirchlichem
Gebiete." Sie „betrachten sich nur als ein Glied der großen conservativen
Partei im deutschen Reich " und halten „nur auf den ethischen Grundlagen
der göttlichen Weltordnung ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen im
Staate, eine erfolgreiche Culturentwickelung möglich. Dieses wieder mehr zum
Bewußtsein zu bringen, ist die Aufgabe der conservativen Partei."

Schon diese Sätze verrathen theils eine beneidenswerte Unkenntniß un-
umstößlicher Thatsachen, theils eine unleugbare Meisterschaft in der Formu-
ltrung beweisloser und nicht zu beweisender Behauptungen. Der conservative
Verein setzt sich „die Bekämpfung aller extremen Richtungen auf politischem,
socialem und kirchlichem Gebiete" zur Aufgabe, und er glaubt diese Aufgabe zu
fördern, indem er in seinen Vorstand Männer wählt, die, solange sie öffentlich
thätig sind, auf dem allerextremsten Flügel der politischen, socialen und kirch¬
lichen Reaction marschirt sind und gekämpft haben. Wo man in Sachsen die
schwärzesten Blätter junkerlicher und lutherisch-papistischer Reaction und Gesetzes-
macherei aufzeigt, trifft man ganz unzweifelhaft auf die erlauchten Träger
der Namen von Zehner, von Erdmannsdorff, von Könneritz, die heute im
Vorstand des conservativen Vereins sitzen. Der Freiherr von Beust in seinem
Zusammenwirken mit diesen Herren in der ersten sächsischen Kammer war
auf politischem, ^ socialem und kirchlichem Gebiete eine Art Freidenker, in
Worten und Phrasen ein nationaler Mann im Vergleich zu diesen drei
Aposteln des conservativen Vereins, welche heute „allen extremen Richtungen"
auf diesen drei Gebieten den Krieg erklären. Man mag sich erinnern, wie dann
weiter in den jüngsten Jahren Männer, deren conservative Gesinnung wohl
auch im „Conservativen Verein" anerkannt wird, die sächsischen Minister von
Friesen, von Nostiz-Wallwitz, von Falkenstein und von Gerber bei wichtigen
Reformen der nationalen, politischen und kirchlichen Gesetzgebung auf einen
zähen und verbissenen Widerstand in der ersten Kammer gestoßen sind, welcher
von den gedachten drei bis vier Kammerherren und ihren Gesinnungsgenossen
ausging und unterhalten wurde. Man wird noch nicht vergessen haben, wie
König Johann in einer seiner letzten Thronreden diesen Extremsten unter den
Extremen seine allerhöchste Mißbilligung schneidig zu erkennen gab. An ihrem
extremen Starrsinn sind seither, auch unter König Abert, von der Staats¬
regierung selbst als dringlich und werthvoll erkannte Reformen gescheitert.
Und heute finden sie den Muth, sich offen als die Bekämpfer „aller extremen
Richtungen" aufzuspielen. Wenn dieser Kampf auf Leben und Tod gemeint
ist, so kann er nur mit dem Selbstmord der gedachten Herren enden. Denn so¬
lange sie leben, lebt das äußerste Extrem reactionärer junkerlicher Prätensionen
auf politischem, socialem und kirchlichem Gebiete fort. Man könnte ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/358>, abgerufen am 26.06.2024.