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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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So lang der Fürst no' ka' lealm und schnaufa,
stiehlt uns la fremde Katz Butter und Schmear,
Könnt ma' 'ein Reichskanzler d' Jährla no' laufa,
Gebal i' sell meine Sechserla bear.

I. H.


Literatur.

Bon der Politischen Geschichte der Gegenwart von Wilhelm
Müller, Professor in Tübingen, ist in diesen Tagen der achte Band, das
Jahr 1874 enthaltend, (Berlin, Julius Springer) ausgegeben worden-
Dieser Band verdient dieselbe warme Beachtung aller derjenigen, die sich mit
Zeitgeschichte und Politik beschäftigen, als die früheren Bände. Der beste
Beweis für die Vorzüge der Müller'schen Darstellung kaum entschwundener
Ereignisse liegt wohl in der Thatsache, daß sein Werk von den Concur-
renzen, die beim Beginn der neuesten großen Wandlung unsrer inneren
deutschen Verhältnisse vor etwa acht bis zehn Jahren hervortraten, jetzt
fast allein den Markt behauptet und jedenfalls mit Recht die beliebteste
aller gleichartiger Jahresgeschichten ist. Die absolute Sicherheit und Objek¬
tivität, mit welcher der Historiker lediglich im Interesse der Wissenschaft ent¬
fernte Zeiten und längst abgeschlossene Ereignisse, oder Charaktere, die nur
in der Geschichte noch fortleben, nach den besten Quellen zu beurtheilen sucht,
wird und kann Niemand von diesem Werke erwarten. Dem steht vor Allem
entgegen, daß die Quelle" zur Beurtheilung der Zeitgeschichte noch keineswegs
vollständig erschlossen sind, und ferner der Umstand, daß der Verfasser selbst
mitten in den Strebungen, Hoffnungen und Kämpfen unserer Tage steht.
Gleichwohl aber ist das Streben nach vollständiger Sammlung der bis jetzt
vorhandenen Quellen und nach verhältnißmäßig größter historischer Partei-
losigkeit bei Wilhelm Müller's zeitgeschichtlichen Arbeiten überhaupt und
namentlich auch in diesem Bande unverkennbar. Die wichtigsten Ereignisse
des Jahres 1874 finden wir vortrefflich erzählt und gruppirt. Jeder, der ein
lebendiges Gefühl für das Mißbehagen hat, welches erzeugt wird durch die
nur tropfenweis zugemessene Belehrung und die nur millimeterweise fortschrei¬
tende Klarheit, welche die Tageszeitungen über die Tagesfragen und Tages-
erreignisse -- namentlich über die wichtigsten -- bieten, wird nicht ohne großes
Vergnügen die lichtvolle gedrängte Darstellung Müller's lesen und aus
diese Weise in wenigen Minuten sehr deutlich die Erinnerung an Vorgänge
wachrufen und befestigen, über welche die Tageszeitungen s. Z. meist wochen¬
lang die widersprechendsten Urtheile fällten. Sehr klar sind namentlich
-- um nur einige Beispiele anzuführen -- das Treiben der Versailler Ver¬
sammlung im Jahr 1874, die Arbeiten des deutschen Reichstags und Preu¬
ßischen Landtags, der Kulturkampf des Jahres 1874 in Deutschland, Oester¬
reich und der Schweiz, die spanischen Wirren, das Kissinger Attentat und
seine Ursachen und Folgen, endlich und hauptsächlich der Proceß Arnim dar¬
gestellt. Möge die Gunst des Publikums den Verfasser zu einer noch recht
langen Fortsetzung dieser tüchtigen, dankenswerthen Arbeiten ermuthigen.


B.


Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. -- Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.
So lang der Fürst no' ka' lealm und schnaufa,
stiehlt uns la fremde Katz Butter und Schmear,
Könnt ma' 'ein Reichskanzler d' Jährla no' laufa,
Gebal i' sell meine Sechserla bear.

I. H.


Literatur.

Bon der Politischen Geschichte der Gegenwart von Wilhelm
Müller, Professor in Tübingen, ist in diesen Tagen der achte Band, das
Jahr 1874 enthaltend, (Berlin, Julius Springer) ausgegeben worden-
Dieser Band verdient dieselbe warme Beachtung aller derjenigen, die sich mit
Zeitgeschichte und Politik beschäftigen, als die früheren Bände. Der beste
Beweis für die Vorzüge der Müller'schen Darstellung kaum entschwundener
Ereignisse liegt wohl in der Thatsache, daß sein Werk von den Concur-
renzen, die beim Beginn der neuesten großen Wandlung unsrer inneren
deutschen Verhältnisse vor etwa acht bis zehn Jahren hervortraten, jetzt
fast allein den Markt behauptet und jedenfalls mit Recht die beliebteste
aller gleichartiger Jahresgeschichten ist. Die absolute Sicherheit und Objek¬
tivität, mit welcher der Historiker lediglich im Interesse der Wissenschaft ent¬
fernte Zeiten und längst abgeschlossene Ereignisse, oder Charaktere, die nur
in der Geschichte noch fortleben, nach den besten Quellen zu beurtheilen sucht,
wird und kann Niemand von diesem Werke erwarten. Dem steht vor Allem
entgegen, daß die Quelle» zur Beurtheilung der Zeitgeschichte noch keineswegs
vollständig erschlossen sind, und ferner der Umstand, daß der Verfasser selbst
mitten in den Strebungen, Hoffnungen und Kämpfen unserer Tage steht.
Gleichwohl aber ist das Streben nach vollständiger Sammlung der bis jetzt
vorhandenen Quellen und nach verhältnißmäßig größter historischer Partei-
losigkeit bei Wilhelm Müller's zeitgeschichtlichen Arbeiten überhaupt und
namentlich auch in diesem Bande unverkennbar. Die wichtigsten Ereignisse
des Jahres 1874 finden wir vortrefflich erzählt und gruppirt. Jeder, der ein
lebendiges Gefühl für das Mißbehagen hat, welches erzeugt wird durch die
nur tropfenweis zugemessene Belehrung und die nur millimeterweise fortschrei¬
tende Klarheit, welche die Tageszeitungen über die Tagesfragen und Tages-
erreignisse — namentlich über die wichtigsten — bieten, wird nicht ohne großes
Vergnügen die lichtvolle gedrängte Darstellung Müller's lesen und aus
diese Weise in wenigen Minuten sehr deutlich die Erinnerung an Vorgänge
wachrufen und befestigen, über welche die Tageszeitungen s. Z. meist wochen¬
lang die widersprechendsten Urtheile fällten. Sehr klar sind namentlich
— um nur einige Beispiele anzuführen — das Treiben der Versailler Ver¬
sammlung im Jahr 1874, die Arbeiten des deutschen Reichstags und Preu¬
ßischen Landtags, der Kulturkampf des Jahres 1874 in Deutschland, Oester¬
reich und der Schweiz, die spanischen Wirren, das Kissinger Attentat und
seine Ursachen und Folgen, endlich und hauptsächlich der Proceß Arnim dar¬
gestellt. Möge die Gunst des Publikums den Verfasser zu einer noch recht
langen Fortsetzung dieser tüchtigen, dankenswerthen Arbeiten ermuthigen.


B.


Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.
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[0328] So lang der Fürst no' ka' lealm und schnaufa, stiehlt uns la fremde Katz Butter und Schmear, Könnt ma' 'ein Reichskanzler d' Jährla no' laufa, Gebal i' sell meine Sechserla bear. I. H. Literatur. Bon der Politischen Geschichte der Gegenwart von Wilhelm Müller, Professor in Tübingen, ist in diesen Tagen der achte Band, das Jahr 1874 enthaltend, (Berlin, Julius Springer) ausgegeben worden- Dieser Band verdient dieselbe warme Beachtung aller derjenigen, die sich mit Zeitgeschichte und Politik beschäftigen, als die früheren Bände. Der beste Beweis für die Vorzüge der Müller'schen Darstellung kaum entschwundener Ereignisse liegt wohl in der Thatsache, daß sein Werk von den Concur- renzen, die beim Beginn der neuesten großen Wandlung unsrer inneren deutschen Verhältnisse vor etwa acht bis zehn Jahren hervortraten, jetzt fast allein den Markt behauptet und jedenfalls mit Recht die beliebteste aller gleichartiger Jahresgeschichten ist. Die absolute Sicherheit und Objek¬ tivität, mit welcher der Historiker lediglich im Interesse der Wissenschaft ent¬ fernte Zeiten und längst abgeschlossene Ereignisse, oder Charaktere, die nur in der Geschichte noch fortleben, nach den besten Quellen zu beurtheilen sucht, wird und kann Niemand von diesem Werke erwarten. Dem steht vor Allem entgegen, daß die Quelle» zur Beurtheilung der Zeitgeschichte noch keineswegs vollständig erschlossen sind, und ferner der Umstand, daß der Verfasser selbst mitten in den Strebungen, Hoffnungen und Kämpfen unserer Tage steht. Gleichwohl aber ist das Streben nach vollständiger Sammlung der bis jetzt vorhandenen Quellen und nach verhältnißmäßig größter historischer Partei- losigkeit bei Wilhelm Müller's zeitgeschichtlichen Arbeiten überhaupt und namentlich auch in diesem Bande unverkennbar. Die wichtigsten Ereignisse des Jahres 1874 finden wir vortrefflich erzählt und gruppirt. Jeder, der ein lebendiges Gefühl für das Mißbehagen hat, welches erzeugt wird durch die nur tropfenweis zugemessene Belehrung und die nur millimeterweise fortschrei¬ tende Klarheit, welche die Tageszeitungen über die Tagesfragen und Tages- erreignisse — namentlich über die wichtigsten — bieten, wird nicht ohne großes Vergnügen die lichtvolle gedrängte Darstellung Müller's lesen und aus diese Weise in wenigen Minuten sehr deutlich die Erinnerung an Vorgänge wachrufen und befestigen, über welche die Tageszeitungen s. Z. meist wochen¬ lang die widersprechendsten Urtheile fällten. Sehr klar sind namentlich — um nur einige Beispiele anzuführen — das Treiben der Versailler Ver¬ sammlung im Jahr 1874, die Arbeiten des deutschen Reichstags und Preu¬ ßischen Landtags, der Kulturkampf des Jahres 1874 in Deutschland, Oester¬ reich und der Schweiz, die spanischen Wirren, das Kissinger Attentat und seine Ursachen und Folgen, endlich und hauptsächlich der Proceß Arnim dar¬ gestellt. Möge die Gunst des Publikums den Verfasser zu einer noch recht langen Fortsetzung dieser tüchtigen, dankenswerthen Arbeiten ermuthigen. B. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Hüthel 6, Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/328>, abgerufen am 26.06.2024.