Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.berufenen Geister in der Totalsumme der Krankheitsursachen von bedeutendem Doch nennen wir noch eine bedeutende Ursache: es ist das Medusenhaupt Münchner Briefe. Anderswo ist jetzt in der Politik 8g.ihn>n morw, Sauregurkenzeit. In Die Wahlen haben bewirkt, daß man zur Zeit in München noch die Aber Heuer ist München kerngesund, und darum macht, was von den Grenzboten III 187S. 25
berufenen Geister in der Totalsumme der Krankheitsursachen von bedeutendem Doch nennen wir noch eine bedeutende Ursache: es ist das Medusenhaupt Münchner Briefe. Anderswo ist jetzt in der Politik 8g.ihn>n morw, Sauregurkenzeit. In Die Wahlen haben bewirkt, daß man zur Zeit in München noch die Aber Heuer ist München kerngesund, und darum macht, was von den Grenzboten III 187S. 25
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134019"/> <p xml:id="ID_644" prev="#ID_643"> berufenen Geister in der Totalsumme der Krankheitsursachen von bedeutendem<lb/> Gewichte sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_645"> Doch nennen wir noch eine bedeutende Ursache: es ist das Medusenhaupt<lb/> der vorgerücktesten Negation mit seinem Schlangenhaar. Wenn es nur ein¬<lb/> zelne schlaue Hierarchen, welche die ideelle Seite des modernen Unglaubens<lb/> verabscheuen, nicht nach der Macht und Hülfe des sozialistischen Plebiscits<lb/> gelüstete!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Münchner Briefe.</head><lb/> <p xml:id="ID_646"> Anderswo ist jetzt in der Politik 8g.ihn>n morw, Sauregurkenzeit. In<lb/> München nicht. Denn der Wahlkampf ist soeben im ganzen Lande und so<lb/> auch in der Hauptstadt geschlagen; er soll mir nächstens Anlaß zu einem<lb/> eigenen Briefe geben. Heute wollen wir einmal von Politik im engern Sinne<lb/> absehen und mehr von der „Stadt" München plaudern.</p><lb/> <p xml:id="ID_647"> Die Wahlen haben bewirkt, daß man zur Zeit in München noch die<lb/> Münchner findet. Sonst räumen in den Sommermonaten gewöhnlich diese<lb/> den Fremden das Feld. Dem echten Münchner der Gegenwart wird wenn<lb/> auch nicht die Anwartschaft auf eine, so doch die Sehnsucht nach einer<lb/> „Sommerfrische" mit in die Wiege gelegt. München hat ja die schönsten<lb/> landschaftlichen Ausruhepunkte in nächster oder wenigstens nicht allzuferner<lb/> Eisenbahnnähe — man hat es ja also leicht, irgendwo ein Plätzchen zu finden,<lb/> wo man auf ein paar Wochen die Stadtluft mit einer frischern, reineren<lb/> vertauschen kann. Aber, wie gesagt, wenn halb München ausgezogen wäre,<lb/> Leere, Stille in den Straßen, Gärten, Wirthshäusern, Theatern u. s. w.<lb/> würde doch nicht eintreten, denn jetzt zieht das Touristenheer, den rothen<lb/> Baedeker als Schild vortragend, herbei und giebt der Stadt eine ganz andere<lb/> Physiognomie, als sie gewöhnlich trägt. Andere Städte haben auch zur Reise¬<lb/> zeit keinen Fremdenmangel; allein aus Passion sucht man in den heißen<lb/> Sommertagen gerade, wenn sie nicht durch landschaftliche Schönheit eine Aus¬<lb/> nahme machen, nicht die großen Städte auf. Bei München aber verhält es<lb/> sich anders: dort lockt der Kunstreichthum der Stadt, und dann ist hier der<lb/> Ein- und Ausgangspunkt zum und vom Gebirge, die Fremden müssen über<lb/> München. Darum konnte man die Panik begreifen, die vor zwei Jahren alle<lb/> Gasthofsbesitzer ergriffen hatte, als die böse Cholera ihren Sommeraufent¬<lb/> halt in München genommen und denselben sogar über den Winter zu ver¬<lb/> längern sich erfrecht hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_648" next="#ID_649"> Aber Heuer ist München kerngesund, und darum macht, was von den</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 187S. 25</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
berufenen Geister in der Totalsumme der Krankheitsursachen von bedeutendem
Gewichte sind.
Doch nennen wir noch eine bedeutende Ursache: es ist das Medusenhaupt
der vorgerücktesten Negation mit seinem Schlangenhaar. Wenn es nur ein¬
zelne schlaue Hierarchen, welche die ideelle Seite des modernen Unglaubens
verabscheuen, nicht nach der Macht und Hülfe des sozialistischen Plebiscits
gelüstete!
Münchner Briefe.
Anderswo ist jetzt in der Politik 8g.ihn>n morw, Sauregurkenzeit. In
München nicht. Denn der Wahlkampf ist soeben im ganzen Lande und so
auch in der Hauptstadt geschlagen; er soll mir nächstens Anlaß zu einem
eigenen Briefe geben. Heute wollen wir einmal von Politik im engern Sinne
absehen und mehr von der „Stadt" München plaudern.
Die Wahlen haben bewirkt, daß man zur Zeit in München noch die
Münchner findet. Sonst räumen in den Sommermonaten gewöhnlich diese
den Fremden das Feld. Dem echten Münchner der Gegenwart wird wenn
auch nicht die Anwartschaft auf eine, so doch die Sehnsucht nach einer
„Sommerfrische" mit in die Wiege gelegt. München hat ja die schönsten
landschaftlichen Ausruhepunkte in nächster oder wenigstens nicht allzuferner
Eisenbahnnähe — man hat es ja also leicht, irgendwo ein Plätzchen zu finden,
wo man auf ein paar Wochen die Stadtluft mit einer frischern, reineren
vertauschen kann. Aber, wie gesagt, wenn halb München ausgezogen wäre,
Leere, Stille in den Straßen, Gärten, Wirthshäusern, Theatern u. s. w.
würde doch nicht eintreten, denn jetzt zieht das Touristenheer, den rothen
Baedeker als Schild vortragend, herbei und giebt der Stadt eine ganz andere
Physiognomie, als sie gewöhnlich trägt. Andere Städte haben auch zur Reise¬
zeit keinen Fremdenmangel; allein aus Passion sucht man in den heißen
Sommertagen gerade, wenn sie nicht durch landschaftliche Schönheit eine Aus¬
nahme machen, nicht die großen Städte auf. Bei München aber verhält es
sich anders: dort lockt der Kunstreichthum der Stadt, und dann ist hier der
Ein- und Ausgangspunkt zum und vom Gebirge, die Fremden müssen über
München. Darum konnte man die Panik begreifen, die vor zwei Jahren alle
Gasthofsbesitzer ergriffen hatte, als die böse Cholera ihren Sommeraufent¬
halt in München genommen und denselben sogar über den Winter zu ver¬
längern sich erfrecht hatte.
Aber Heuer ist München kerngesund, und darum macht, was von den
Grenzboten III 187S. 25
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |