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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Projeetirten Schifffahrtskanals Straßburg-Ludwigshafen und die des Professor
Schütz in Straßburg, betreffend die Preßfreiheit, insbesondere die Gründung
von Zeitungen; endlich eine Denkschrift, betreffend den Entwurf eines Gesetzes
über die Landesverfassung von Elsaß-Lothringen, eine gleiche, im Bureau
des Ober-Präsidiums redigirte, über die Finanzverhältnisse des Reichslandes,
die nächstens veröffentlicht werden wird, und eine Denkschrift des Directors
der Ackerbauschule zu Schlettstadt.

Die übrigen Vorlagen des Ausschusses sind von mehr localer resp, pro¬
vinzieller Bedeutung und von geringem allgemeinen Interesse, mit Ausnahme
der letzten, des Gesetzes über die Aufnahme einer Anleihe für Elsaß-Lothringen,
welches zur Zeit in den spezifisch elsässischen Kreisen noch viel böses Blut
absetzt. Dieses und das Etatsgesetz könnte man wohl als die beiden Schmerzens¬
kinder der diesjährigen Session bezeichnen. Genaueres über die Berath¬
ungen dieser beiden wichtigen Geseße ist zur Zeit noch nicht bekannt, da die
offiziellen Sitzungsberichte jedesmal etwa acht Tage nach der betreffenden
Sitzung zu erscheinen belieben ; doch werde ich in meinen nächsten Briefe darauf
zurückkommen. Einstweilen giebt eine Reihe von Artikeln des jungen Elsässer
Publizisten Karl Grad aus Logelbach (bei Colmar) über "das Budget von
Elsaß-Lothringen und dessen Verwaltung" in dem Elsässer Journal, die einigen
Anspruch auf Berücksichtigung machen, die Anhaltepunkte für die Richtung an
die Hand, durch welche sich die Mehrzahl der zur altelsässisch-liberalen Partei,
(von der ich in einem frühern Berichte Mittheilung machte) gehörenden Depu¬
taten höchst wahrscheinlich leiten lassen werden. Näher daraus einzugehen,
verbietet der Umfang des mir gestatteten Raumes.

Welche Bedeutung aber im Allgemeinen der "elsaß-lothringische Provinzial-
Landtag" für das Reichsland und dessen Weiterentwicklung auf der Basis
des stzltgovernmöllt habe, das ist schon genugsam in den letzten Wochen durch
die deutsche und zum Theil auch außerdeutsche Presse gewürdigt worden mit
wenigen Ausnahmen, wie zum Exempel der social-aristokratischen "Frankfurter
Zeitung" traurigen Angedenkens. Im Lande selbst wird von allen Seiten
von der parlamentarischen Ruhe und Ordnung, mit welcher bisher die Be¬
rathung der einzelnen Entwürfe vor sich gegangen, mit Genugthuung Notiz
genommen, wenngleich im Allgemeinen die Bevölkerung diesen Berathungen
kein allzu großes Interesse abzugewinnen scheint. Das mag zum Theil daher
kommen, daß die amtlichen Berichte und Veröffentlichungen über dieselben
in einem etwas gar zu offiziellen und knappen Gewände auftreten, und
daß, wie bekannt, im Prinzip die Oeffentlichkeit der Verhandlungen aus¬
geschlossen ist.

Die rühmenswerthe Mildthätigkeit der Bewohner des Reichslandes hat
sich in jüngster Zeit im glänzendsten Lichte gezeigt, bei Gelegenheit der Ueber-


Projeetirten Schifffahrtskanals Straßburg-Ludwigshafen und die des Professor
Schütz in Straßburg, betreffend die Preßfreiheit, insbesondere die Gründung
von Zeitungen; endlich eine Denkschrift, betreffend den Entwurf eines Gesetzes
über die Landesverfassung von Elsaß-Lothringen, eine gleiche, im Bureau
des Ober-Präsidiums redigirte, über die Finanzverhältnisse des Reichslandes,
die nächstens veröffentlicht werden wird, und eine Denkschrift des Directors
der Ackerbauschule zu Schlettstadt.

Die übrigen Vorlagen des Ausschusses sind von mehr localer resp, pro¬
vinzieller Bedeutung und von geringem allgemeinen Interesse, mit Ausnahme
der letzten, des Gesetzes über die Aufnahme einer Anleihe für Elsaß-Lothringen,
welches zur Zeit in den spezifisch elsässischen Kreisen noch viel böses Blut
absetzt. Dieses und das Etatsgesetz könnte man wohl als die beiden Schmerzens¬
kinder der diesjährigen Session bezeichnen. Genaueres über die Berath¬
ungen dieser beiden wichtigen Geseße ist zur Zeit noch nicht bekannt, da die
offiziellen Sitzungsberichte jedesmal etwa acht Tage nach der betreffenden
Sitzung zu erscheinen belieben ; doch werde ich in meinen nächsten Briefe darauf
zurückkommen. Einstweilen giebt eine Reihe von Artikeln des jungen Elsässer
Publizisten Karl Grad aus Logelbach (bei Colmar) über „das Budget von
Elsaß-Lothringen und dessen Verwaltung" in dem Elsässer Journal, die einigen
Anspruch auf Berücksichtigung machen, die Anhaltepunkte für die Richtung an
die Hand, durch welche sich die Mehrzahl der zur altelsässisch-liberalen Partei,
(von der ich in einem frühern Berichte Mittheilung machte) gehörenden Depu¬
taten höchst wahrscheinlich leiten lassen werden. Näher daraus einzugehen,
verbietet der Umfang des mir gestatteten Raumes.

Welche Bedeutung aber im Allgemeinen der „elsaß-lothringische Provinzial-
Landtag" für das Reichsland und dessen Weiterentwicklung auf der Basis
des stzltgovernmöllt habe, das ist schon genugsam in den letzten Wochen durch
die deutsche und zum Theil auch außerdeutsche Presse gewürdigt worden mit
wenigen Ausnahmen, wie zum Exempel der social-aristokratischen „Frankfurter
Zeitung" traurigen Angedenkens. Im Lande selbst wird von allen Seiten
von der parlamentarischen Ruhe und Ordnung, mit welcher bisher die Be¬
rathung der einzelnen Entwürfe vor sich gegangen, mit Genugthuung Notiz
genommen, wenngleich im Allgemeinen die Bevölkerung diesen Berathungen
kein allzu großes Interesse abzugewinnen scheint. Das mag zum Theil daher
kommen, daß die amtlichen Berichte und Veröffentlichungen über dieselben
in einem etwas gar zu offiziellen und knappen Gewände auftreten, und
daß, wie bekannt, im Prinzip die Oeffentlichkeit der Verhandlungen aus¬
geschlossen ist.

Die rühmenswerthe Mildthätigkeit der Bewohner des Reichslandes hat
sich in jüngster Zeit im glänzendsten Lichte gezeigt, bei Gelegenheit der Ueber-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/197>, abgerufen am 26.06.2024.