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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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Lande sehr dünn gesäet und haben-zu allen Zeiten den Weg in die Landes¬
vertretung für sich verschlossen gesunden. Auch eine unzweideutig nationale
Gesinnung herrschte immer in unseren Landtagen; das deutsche Reich und
seine Vormacht steht bei ihnen hoch in Ehren, und wenn Preußen Lust hätte,
die beiden Herzogthümer ganz und gar in seinen weiten Schooß aufzunehmen,
so würde sich für einen solchen Anschluß vielleicht noch eher eine Landtags¬
mehrheit finden als für den letzten Schritt zur coburg - gothaischen Union.
Doch zu einem so gründlichen Wandel der Dinge scheint heut zu Tage
weniger Aussicht als je zu sein, weshalb es die Aufgabe beider Ländchen ist,
sich auch fernerhin einzurichten, so gut oder schlecht es geht.

Die Finanzlage ist freilich seit dem Uebergang der Zollrevenueen und
Verbrauchssteuern auf die Bundeskasse und seit dem Eintritt der Herzog¬
thümer in die Leistung der vollen Matricularbeiträge bedrängt genug, und
noch scheint Niemand zu wissen, was werden soll, wenn einmal in Gotha
bei ungünstigen Conjuncturen für die Forstproducte die Domainenüberschüsse
sich wieder namhaft vermindern, in Coburg aber der nur noch auf kurze
Zeit gestattete particuläre Zuschlag zur Reichsbraumalzabgabe wegfällt. Die
Steuerschraube kann schwerlich noch stärker angespannt werden; diesseits und
jenseits des Waldes hat man in Ausgiebigmachung der Einkommensteuer,
der Grundsteuer, der Nachlaßsteuer, der Sporteln, Stempelgebühren und wie
die vielerlei Abgaben alle heißen, bereits das Möglichste geleistet, so daß wir
es ganz begreiflich finden, wenn in den Abgeordnetenkreisen sich der feste
Wille kund gibt, unter keinen Umständen einer abermaligen Appellation an
die Steuerkraft der Bevölkerung zuzustimmen. Ebenso begreiflich finden wir
den hie und da zu Tag tretenden Wunsch nach einer Revision der bestehenden
"Domänen-Abkommen", das heißt nach einer größeren Belastung des
Domänenvermögens zu Gunsten der Landeskassen; nur gehört dazu sowohl
das Einverständniß des Herzogs wie der Consens seiner vielen Agnaten, und
die Geneigtheit derselben wird man sich kaum als sehr stark vorstellen dürfen.
Wenn überhaupt, so wird bloß durch die größte Sparsamkeit in den
Ausgaben das Gleichgewicht in den Budgets zu retten sein; aber auch in
diesem Punkte sind durch festbegründete Rechtsansprüche, durch Gesetze und
Verträge und durch das unabweisbare Bedürfniß dem bloßen Belieben enge
Schranken gesetzt. Von der Nothwendigkeit einer durchgreifenden Verein¬
fachung des Regierungsapparats haben wir bereits gesprochen;
außerdem bleibt -- etwa neben dem heiklen Posten der widerruflichen Zuschüsse
zum Hoftheater -- beinahe als einziges Kapitel, an dem unsere Land¬
tage den guten Willen, zu sparen, bethätigen können, das der Besoldungs¬
zulagen sowie der Diäten und Bureaufonds übrig. Hierauf pflegt
sich denn in der That die Prüfung der Etatsvorlagen mit besonderer Wucht


Lande sehr dünn gesäet und haben-zu allen Zeiten den Weg in die Landes¬
vertretung für sich verschlossen gesunden. Auch eine unzweideutig nationale
Gesinnung herrschte immer in unseren Landtagen; das deutsche Reich und
seine Vormacht steht bei ihnen hoch in Ehren, und wenn Preußen Lust hätte,
die beiden Herzogthümer ganz und gar in seinen weiten Schooß aufzunehmen,
so würde sich für einen solchen Anschluß vielleicht noch eher eine Landtags¬
mehrheit finden als für den letzten Schritt zur coburg - gothaischen Union.
Doch zu einem so gründlichen Wandel der Dinge scheint heut zu Tage
weniger Aussicht als je zu sein, weshalb es die Aufgabe beider Ländchen ist,
sich auch fernerhin einzurichten, so gut oder schlecht es geht.

Die Finanzlage ist freilich seit dem Uebergang der Zollrevenueen und
Verbrauchssteuern auf die Bundeskasse und seit dem Eintritt der Herzog¬
thümer in die Leistung der vollen Matricularbeiträge bedrängt genug, und
noch scheint Niemand zu wissen, was werden soll, wenn einmal in Gotha
bei ungünstigen Conjuncturen für die Forstproducte die Domainenüberschüsse
sich wieder namhaft vermindern, in Coburg aber der nur noch auf kurze
Zeit gestattete particuläre Zuschlag zur Reichsbraumalzabgabe wegfällt. Die
Steuerschraube kann schwerlich noch stärker angespannt werden; diesseits und
jenseits des Waldes hat man in Ausgiebigmachung der Einkommensteuer,
der Grundsteuer, der Nachlaßsteuer, der Sporteln, Stempelgebühren und wie
die vielerlei Abgaben alle heißen, bereits das Möglichste geleistet, so daß wir
es ganz begreiflich finden, wenn in den Abgeordnetenkreisen sich der feste
Wille kund gibt, unter keinen Umständen einer abermaligen Appellation an
die Steuerkraft der Bevölkerung zuzustimmen. Ebenso begreiflich finden wir
den hie und da zu Tag tretenden Wunsch nach einer Revision der bestehenden
„Domänen-Abkommen", das heißt nach einer größeren Belastung des
Domänenvermögens zu Gunsten der Landeskassen; nur gehört dazu sowohl
das Einverständniß des Herzogs wie der Consens seiner vielen Agnaten, und
die Geneigtheit derselben wird man sich kaum als sehr stark vorstellen dürfen.
Wenn überhaupt, so wird bloß durch die größte Sparsamkeit in den
Ausgaben das Gleichgewicht in den Budgets zu retten sein; aber auch in
diesem Punkte sind durch festbegründete Rechtsansprüche, durch Gesetze und
Verträge und durch das unabweisbare Bedürfniß dem bloßen Belieben enge
Schranken gesetzt. Von der Nothwendigkeit einer durchgreifenden Verein¬
fachung des Regierungsapparats haben wir bereits gesprochen;
außerdem bleibt — etwa neben dem heiklen Posten der widerruflichen Zuschüsse
zum Hoftheater — beinahe als einziges Kapitel, an dem unsere Land¬
tage den guten Willen, zu sparen, bethätigen können, das der Besoldungs¬
zulagen sowie der Diäten und Bureaufonds übrig. Hierauf pflegt
sich denn in der That die Prüfung der Etatsvorlagen mit besonderer Wucht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/160>, abgerufen am 29.06.2024.