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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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das Königthum damaliger Zeit strebte bei der Erblichwerdung aller Stufen
unterhalb des Herzogsamtes nach der Aufsaugung dieser obersten Mittelwürde.
Konrad II. hatte rücksichtslos zu diesem Wege gegriffen. War Heinrich, der
ohne Zweifel andere kirchliche Anschauungen wie sein Vater hatte, nun auch
auf dem weltlichen Gebiete demselben und seinem eignen Interesse entgegen?
Nach dem Vorgange von 1035 mit Adalbert von Kärnthen ja! Und es kommt
dabei ferner in Betracht, daß Heinrich ebenfalls nicht auf Seiten seines Vaters
stand, als dieser 1037 mit dem Erzbischof Aribert von Mailand machte.
Dieser, damals neben dem unglückseligen Papst Benedikt IX. der an¬
gesehenste Prälat des christlichen Abendlandes, der aus nichts geringeres
ausging, als sich womöglich an Stelle des römischen Bischofs zu setzen,
sollte Seitens Kaiser Konrad's durch das Gesetz, welches den italienischen
Vasallen die Erblichkeit verlieh, lahm gelegt werden. Während es aber Konrad
nicht gelang, Aribert, der seiner Gefangenschaft entrann, niederzuwerfen, wurde
dieser vielmehr der Gründer jener Mailänder Bürgerwehr, deren Caroccio dem
Hohenstaufen Friedrich I. so verderblich wirkte, und auch dazu hals der Sohn
wider den Bater. Als der Sohn 1042 das Herzogthum Baiern wieder her¬
stellte, kann man wohl sagen, es sei das ein Bedürfniß gewesen, weil der König
bei den beständigen Gefahren nach allen Seiten auf dieser besonders gefahr^
deten Seite des Reiches eines beständigen Vertreters bedürfte, man kann aber
auch sagen, daß es päpstliches, kirchliches Bedürfniß war, das ihn leitete,
weil es sich um den Schutz des päpstlichen Christenthums in Ungarn u. s. w.
handelte. Man kann darüber streiten und noch genauere Nachforschungen
anstellen; am besten werden diese Frage rechtskundige Forscher erledigen.
Gewiß aber ist, daß, als Heinrich III. jene vorerwähnten Dienste der Kirche
geleistet hatte, ein Kampf der Großen gegen ihn losbrach, der nur mit seinem
frühen Ende für ihn endete und in die Regierungszeit seines Sohnes hinein¬
reichte, und daß in diesem Kampfe das gegen Heinrich IV. positiv feindliche
Papstthum den Vortheil des Schiedsrichters und hinter den Koulissen lediglich
eigensüchtig operirenden nur scheinbar Neutralen zwischen den sich auf den
Tod streitenden Parteien davon getragen hat.

Die gewöhnliche Ansicht vieler Darsteller also, daß Heinrich III. das Reich
auf die Spitze seiner Machtentwickelung gehoben, was, wie oben angeführt
auch Pfister für den Zeitpunkt bestreitet, wo Heinrich, halb zum System seines
Vaters zurückkehrend die Herzogthümer an bloße Beamte wieder ausgab, wo
er die Krone schon für erblich annahm, Franken als Erbland betrachtete, diese
Ansicht ist richtig, nur insofern als dieser Heinrich der römischen Kurie den
Weg zu ihrer höchsten Machtentfaltung mit Hülfe des Reiches gebaut hat.
Für das Reich ist Thatsache, daß, als Heinrich nach Wiedererhebung der
Kirche aus tiefster Gesunkenheit durch ihn den Lohn dafür in der Verwirk-


das Königthum damaliger Zeit strebte bei der Erblichwerdung aller Stufen
unterhalb des Herzogsamtes nach der Aufsaugung dieser obersten Mittelwürde.
Konrad II. hatte rücksichtslos zu diesem Wege gegriffen. War Heinrich, der
ohne Zweifel andere kirchliche Anschauungen wie sein Vater hatte, nun auch
auf dem weltlichen Gebiete demselben und seinem eignen Interesse entgegen?
Nach dem Vorgange von 1035 mit Adalbert von Kärnthen ja! Und es kommt
dabei ferner in Betracht, daß Heinrich ebenfalls nicht auf Seiten seines Vaters
stand, als dieser 1037 mit dem Erzbischof Aribert von Mailand machte.
Dieser, damals neben dem unglückseligen Papst Benedikt IX. der an¬
gesehenste Prälat des christlichen Abendlandes, der aus nichts geringeres
ausging, als sich womöglich an Stelle des römischen Bischofs zu setzen,
sollte Seitens Kaiser Konrad's durch das Gesetz, welches den italienischen
Vasallen die Erblichkeit verlieh, lahm gelegt werden. Während es aber Konrad
nicht gelang, Aribert, der seiner Gefangenschaft entrann, niederzuwerfen, wurde
dieser vielmehr der Gründer jener Mailänder Bürgerwehr, deren Caroccio dem
Hohenstaufen Friedrich I. so verderblich wirkte, und auch dazu hals der Sohn
wider den Bater. Als der Sohn 1042 das Herzogthum Baiern wieder her¬
stellte, kann man wohl sagen, es sei das ein Bedürfniß gewesen, weil der König
bei den beständigen Gefahren nach allen Seiten auf dieser besonders gefahr^
deten Seite des Reiches eines beständigen Vertreters bedürfte, man kann aber
auch sagen, daß es päpstliches, kirchliches Bedürfniß war, das ihn leitete,
weil es sich um den Schutz des päpstlichen Christenthums in Ungarn u. s. w.
handelte. Man kann darüber streiten und noch genauere Nachforschungen
anstellen; am besten werden diese Frage rechtskundige Forscher erledigen.
Gewiß aber ist, daß, als Heinrich III. jene vorerwähnten Dienste der Kirche
geleistet hatte, ein Kampf der Großen gegen ihn losbrach, der nur mit seinem
frühen Ende für ihn endete und in die Regierungszeit seines Sohnes hinein¬
reichte, und daß in diesem Kampfe das gegen Heinrich IV. positiv feindliche
Papstthum den Vortheil des Schiedsrichters und hinter den Koulissen lediglich
eigensüchtig operirenden nur scheinbar Neutralen zwischen den sich auf den
Tod streitenden Parteien davon getragen hat.

Die gewöhnliche Ansicht vieler Darsteller also, daß Heinrich III. das Reich
auf die Spitze seiner Machtentwickelung gehoben, was, wie oben angeführt
auch Pfister für den Zeitpunkt bestreitet, wo Heinrich, halb zum System seines
Vaters zurückkehrend die Herzogthümer an bloße Beamte wieder ausgab, wo
er die Krone schon für erblich annahm, Franken als Erbland betrachtete, diese
Ansicht ist richtig, nur insofern als dieser Heinrich der römischen Kurie den
Weg zu ihrer höchsten Machtentfaltung mit Hülfe des Reiches gebaut hat.
Für das Reich ist Thatsache, daß, als Heinrich nach Wiedererhebung der
Kirche aus tiefster Gesunkenheit durch ihn den Lohn dafür in der Verwirk-


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[0147] das Königthum damaliger Zeit strebte bei der Erblichwerdung aller Stufen unterhalb des Herzogsamtes nach der Aufsaugung dieser obersten Mittelwürde. Konrad II. hatte rücksichtslos zu diesem Wege gegriffen. War Heinrich, der ohne Zweifel andere kirchliche Anschauungen wie sein Vater hatte, nun auch auf dem weltlichen Gebiete demselben und seinem eignen Interesse entgegen? Nach dem Vorgange von 1035 mit Adalbert von Kärnthen ja! Und es kommt dabei ferner in Betracht, daß Heinrich ebenfalls nicht auf Seiten seines Vaters stand, als dieser 1037 mit dem Erzbischof Aribert von Mailand machte. Dieser, damals neben dem unglückseligen Papst Benedikt IX. der an¬ gesehenste Prälat des christlichen Abendlandes, der aus nichts geringeres ausging, als sich womöglich an Stelle des römischen Bischofs zu setzen, sollte Seitens Kaiser Konrad's durch das Gesetz, welches den italienischen Vasallen die Erblichkeit verlieh, lahm gelegt werden. Während es aber Konrad nicht gelang, Aribert, der seiner Gefangenschaft entrann, niederzuwerfen, wurde dieser vielmehr der Gründer jener Mailänder Bürgerwehr, deren Caroccio dem Hohenstaufen Friedrich I. so verderblich wirkte, und auch dazu hals der Sohn wider den Bater. Als der Sohn 1042 das Herzogthum Baiern wieder her¬ stellte, kann man wohl sagen, es sei das ein Bedürfniß gewesen, weil der König bei den beständigen Gefahren nach allen Seiten auf dieser besonders gefahr^ deten Seite des Reiches eines beständigen Vertreters bedürfte, man kann aber auch sagen, daß es päpstliches, kirchliches Bedürfniß war, das ihn leitete, weil es sich um den Schutz des päpstlichen Christenthums in Ungarn u. s. w. handelte. Man kann darüber streiten und noch genauere Nachforschungen anstellen; am besten werden diese Frage rechtskundige Forscher erledigen. Gewiß aber ist, daß, als Heinrich III. jene vorerwähnten Dienste der Kirche geleistet hatte, ein Kampf der Großen gegen ihn losbrach, der nur mit seinem frühen Ende für ihn endete und in die Regierungszeit seines Sohnes hinein¬ reichte, und daß in diesem Kampfe das gegen Heinrich IV. positiv feindliche Papstthum den Vortheil des Schiedsrichters und hinter den Koulissen lediglich eigensüchtig operirenden nur scheinbar Neutralen zwischen den sich auf den Tod streitenden Parteien davon getragen hat. Die gewöhnliche Ansicht vieler Darsteller also, daß Heinrich III. das Reich auf die Spitze seiner Machtentwickelung gehoben, was, wie oben angeführt auch Pfister für den Zeitpunkt bestreitet, wo Heinrich, halb zum System seines Vaters zurückkehrend die Herzogthümer an bloße Beamte wieder ausgab, wo er die Krone schon für erblich annahm, Franken als Erbland betrachtete, diese Ansicht ist richtig, nur insofern als dieser Heinrich der römischen Kurie den Weg zu ihrer höchsten Machtentfaltung mit Hülfe des Reiches gebaut hat. Für das Reich ist Thatsache, daß, als Heinrich nach Wiedererhebung der Kirche aus tiefster Gesunkenheit durch ihn den Lohn dafür in der Verwirk-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/147>, abgerufen am 28.09.2024.