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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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keit. Wenn z. B. Herr Caspar:, Direktor einer Bürgerschule in Planen,
zu dem Globus, den er verzeichnet, die Bemerkung macht: "unzerbrechlich auf
Holz, sauber colorire", oder der schon erwäh'nee Schriftsteller Noack zu den
Landkarten, mit denen er die Schule beglückt hat, hinzufügt: "Sämmtliche
Landkarten sind mittelst Schablonen auf 1 Blatt vom stärksten Rollenpapier
hergestellt, gut colorire, mit dauerhaftem Bande eingefaßt und mit Rollstäben
versehen. Alles darauf Dargestellte ist auch noch auf eine Entfernung von
15 Mer. selbst einem schwachen Auge erkennbar", zu seinen Lesemaschinen:
"Die Buchstaben werden mittelst (nach correcten Zeichnungen angefertigter)
Schablonen auf (17 Ctm. hohe, dauerhafte weißgefirnißte) Bretchen von
hartem, trocknem Holze aufgetragen, so daß sie stets auf nassem Wege vom
Staube gereinigt werden können. Auf Wunsch werden auch lateinische Buch¬
staben . die Ziffern und Interpunktionszeichen geliefert. (Diese Lesemaschinen
sind von dem Herzog!. S. Meiningen'schen Staats - Ministerium, von den
Königl. Sachs. Kreis - Directionen zu Dresden und Bautzen, sowie von der
Lehrmittel-Ausstellungs-Commission zu Leipzig besonders empfohlen worden)"
-- so geht das doch über die erlaubten Grenzen bibliographischer Genauig¬
keit etwas hinaus und sieht einer ordinären Reclame zum Verwechseln ähnlich.
In solchem Falle glaubt man gar nicht mehr ein "Schriststellerlexikon",
sondern das Annoncenblatt einer Lehrerzeitung vor sich zu haben.

Doch genug der Einzelheiten aus diesen Schriftenverzeichnissen; verweilen
wir lieber noch einen Augenblick bei den Herren Autoren. Den Bücherver¬
zeichnissen sind ja kurze biographische Notizen vorausgeschickt -- in der
Regel wenigstens. Denn auch hierin herrscht Ungleichmäßigkeit. Wiederholt
kommen Namen vor von Herren, die, wie ein verstockter Verbrecher, jede
Auskunft über ihre Person verweigern. Andere haben wenigstens ihren Ge¬
burtstag angegeben, andere auch noch den Ort ihrer Geburt und haben da¬
durch wenigstens einem zukünftigen "Siebenstädte-Krieg" vorgebeugt. Manche
beschränken sich freilich auch auf die Angabe des Geburth jahres, vermuthlich
um alljährlichen Ovationen, die man sonst ihrem Genius bereiten würde, aus
dem Wege zu gehen; noch andere haben zwar ihre jetzige Lebensstellung ver¬
rathen, über ihre Vergangenheit aber geschwiegen. Doch das alles sind Aus¬
nahmefälle. Im Ganzen, muß man sagen, entsprechen diese kleinen Auto¬
biographien dem, was man von ihnen erwartet. Einzelne Autoren sind aber
nun so liebenswürdig gewesen, diese an sich ja unläugbar etwas trock¬
nen Notizen unaufgefordert mit reizenden kleinen Details auszustatten. Herr
Dr. Oskar Mothes z. B., königlicher Baurath zu Leipzig, Ehrenmitglied der
Lvcicäacl sein-nMeg. alö los ÄmiZos alvi Mös ein Nurem, erzählt uns, daß er
noch 1863 -- geboren ist er 1828 -- den (!) Maturitätsexamen bestanden
hat, was entschieden ein eigenthümliches Licht auf das Gymnasium wirft, wo


keit. Wenn z. B. Herr Caspar:, Direktor einer Bürgerschule in Planen,
zu dem Globus, den er verzeichnet, die Bemerkung macht: „unzerbrechlich auf
Holz, sauber colorire", oder der schon erwäh'nee Schriftsteller Noack zu den
Landkarten, mit denen er die Schule beglückt hat, hinzufügt: „Sämmtliche
Landkarten sind mittelst Schablonen auf 1 Blatt vom stärksten Rollenpapier
hergestellt, gut colorire, mit dauerhaftem Bande eingefaßt und mit Rollstäben
versehen. Alles darauf Dargestellte ist auch noch auf eine Entfernung von
15 Mer. selbst einem schwachen Auge erkennbar", zu seinen Lesemaschinen:
„Die Buchstaben werden mittelst (nach correcten Zeichnungen angefertigter)
Schablonen auf (17 Ctm. hohe, dauerhafte weißgefirnißte) Bretchen von
hartem, trocknem Holze aufgetragen, so daß sie stets auf nassem Wege vom
Staube gereinigt werden können. Auf Wunsch werden auch lateinische Buch¬
staben . die Ziffern und Interpunktionszeichen geliefert. (Diese Lesemaschinen
sind von dem Herzog!. S. Meiningen'schen Staats - Ministerium, von den
Königl. Sachs. Kreis - Directionen zu Dresden und Bautzen, sowie von der
Lehrmittel-Ausstellungs-Commission zu Leipzig besonders empfohlen worden)"
— so geht das doch über die erlaubten Grenzen bibliographischer Genauig¬
keit etwas hinaus und sieht einer ordinären Reclame zum Verwechseln ähnlich.
In solchem Falle glaubt man gar nicht mehr ein „Schriststellerlexikon",
sondern das Annoncenblatt einer Lehrerzeitung vor sich zu haben.

Doch genug der Einzelheiten aus diesen Schriftenverzeichnissen; verweilen
wir lieber noch einen Augenblick bei den Herren Autoren. Den Bücherver¬
zeichnissen sind ja kurze biographische Notizen vorausgeschickt — in der
Regel wenigstens. Denn auch hierin herrscht Ungleichmäßigkeit. Wiederholt
kommen Namen vor von Herren, die, wie ein verstockter Verbrecher, jede
Auskunft über ihre Person verweigern. Andere haben wenigstens ihren Ge¬
burtstag angegeben, andere auch noch den Ort ihrer Geburt und haben da¬
durch wenigstens einem zukünftigen „Siebenstädte-Krieg" vorgebeugt. Manche
beschränken sich freilich auch auf die Angabe des Geburth jahres, vermuthlich
um alljährlichen Ovationen, die man sonst ihrem Genius bereiten würde, aus
dem Wege zu gehen; noch andere haben zwar ihre jetzige Lebensstellung ver¬
rathen, über ihre Vergangenheit aber geschwiegen. Doch das alles sind Aus¬
nahmefälle. Im Ganzen, muß man sagen, entsprechen diese kleinen Auto¬
biographien dem, was man von ihnen erwartet. Einzelne Autoren sind aber
nun so liebenswürdig gewesen, diese an sich ja unläugbar etwas trock¬
nen Notizen unaufgefordert mit reizenden kleinen Details auszustatten. Herr
Dr. Oskar Mothes z. B., königlicher Baurath zu Leipzig, Ehrenmitglied der
Lvcicäacl sein-nMeg. alö los ÄmiZos alvi Mös ein Nurem, erzählt uns, daß er
noch 1863 — geboren ist er 1828 — den (!) Maturitätsexamen bestanden
hat, was entschieden ein eigenthümliches Licht auf das Gymnasium wirft, wo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/138>, abgerufen am 29.06.2024.