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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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graphischer Geschmacklosigkeit! -- dann kommt das "Vorwort". Das nächste
Blatt verzeichnet die Schriften des verstorbenen Königs Johann, das über
nächste die der verstorbenen Prinzessin Amalie. Der Todestag von beiden ist
richtig angegeben; trotzdem eröffnen sie hier das Verzeichniß der im König¬
reiche Sachsen "gegenwärtig lebenden" Schriftsteller. Ein besonderes Blatt
ist dann noch dem dermaligen sächsischen Cultusminister, Herrn von Gerber,
und seinem Vorgänger, Herrn von Falkenstein, eingeräumt, dann marschirt
der große Haufe alphabetisch auf: ungefähr 800 Namen. Interessant ist es
nun, zu sehen, aus welchen Kreisen diese 800 sich zusammensetzen. Etwa 40
von ihnen stehen einzig da in ihrer Art. Der Appellationsgerichtsvice-
präsidentz. B., der Polizeidirektor, der Staatseisenbahndirektor, der Strafanstalts¬
direktor, der Rentamtmann, der Hauptsteueramtscontroleur, der Gensdarmerie-
secretär, der Theaterdirektor, der Oberregisseur, der Hofopernsänger, der Uni¬
versitätsmusikdirektor, der Architekt, der Photograph, der Apotheker, der Gärt¬
ner, der Bereiter, der Besitzer einer chemischen Fabrik und der stellvertretende
Direktor einer Strickmaschinenfabrik, sie alle sind unter den "sächsischen Schrift¬
stellern" nur je in einem Exemplare vertreten. Appellationsräthe, Polizei¬
assessoren und Capellmeister hingegen finden sich schon paarweise, Bürger¬
meister, Stadträthe, Kammermusici und Schauspieler sogar zu einem Tri-
folium zusammen. Buchhändler und Offiziere a. D. nennt das Lexikon je 4,
Aerzte, Advokaten und Direktoren öffentlicher Sammlungen je 6; dann folgen
7 Kirchen- und Schulräthe, 13 Bivliotheks- und Archivbeamte. Die Lehrkörper
von Privatschulen haben 19, die der Forstakademie, der Bergakademie, der
Baugewerker- und Gewerbeschulen, Techniken und Polytechniker, der Cadetten-
schule, der Militärbildungsanstalt, der Turnlehrerbildungsanstalt und des
tgi. stenographischen Instituts zusammengenommen 22 Namen beigesteuert.
Schriftsteller von Metier, Journalisten und Privatgelehrte werden 36, Uni¬
versitätslehrer 84 genannt; den Kreisen des Gymnasiums und der Realschule
gehören 135 an, dem Seminar und der Volksschule 146. Das Haupt-
contingent aber haben die geistlichen Herren gestellt; es sind -- ausschließlich
der Theologen an der Universität -- 231 Namen! Endlich kommen hierzu
noch 8 Schriftstellerinnen. Die Höflichkeit erfordert es, daß ich sie ohne
Verzug mit Namen aufführe; es sind die Damen: Claire von Glümer, Char¬
lotte Grans, Magdalena Hampel, Luise Otto - Peters, Fanny Roquette, Pau¬
line Schanz, Amalie Scheibe (pseudon. S. Augustin) und Anna Lohn-Seegel.
Wer noch nichts von Frl. Hampel gehört haben sollte, der schäme sich und
lasse sich hiermit gesagt sein, daß diese Dame, wie sie selbst in ihrer Bio¬
graphie erzählt, "schon mit dem elften Lebensjahre die Schule verließ", im
Jahre 1866 einen "Apparat gegen den Schreibkrampf" erfand und eine "An¬
leitung zur gründlichen Erlernung einer schönen und geläufigen Handschrist


graphischer Geschmacklosigkeit! — dann kommt das „Vorwort". Das nächste
Blatt verzeichnet die Schriften des verstorbenen Königs Johann, das über
nächste die der verstorbenen Prinzessin Amalie. Der Todestag von beiden ist
richtig angegeben; trotzdem eröffnen sie hier das Verzeichniß der im König¬
reiche Sachsen „gegenwärtig lebenden" Schriftsteller. Ein besonderes Blatt
ist dann noch dem dermaligen sächsischen Cultusminister, Herrn von Gerber,
und seinem Vorgänger, Herrn von Falkenstein, eingeräumt, dann marschirt
der große Haufe alphabetisch auf: ungefähr 800 Namen. Interessant ist es
nun, zu sehen, aus welchen Kreisen diese 800 sich zusammensetzen. Etwa 40
von ihnen stehen einzig da in ihrer Art. Der Appellationsgerichtsvice-
präsidentz. B., der Polizeidirektor, der Staatseisenbahndirektor, der Strafanstalts¬
direktor, der Rentamtmann, der Hauptsteueramtscontroleur, der Gensdarmerie-
secretär, der Theaterdirektor, der Oberregisseur, der Hofopernsänger, der Uni¬
versitätsmusikdirektor, der Architekt, der Photograph, der Apotheker, der Gärt¬
ner, der Bereiter, der Besitzer einer chemischen Fabrik und der stellvertretende
Direktor einer Strickmaschinenfabrik, sie alle sind unter den „sächsischen Schrift¬
stellern" nur je in einem Exemplare vertreten. Appellationsräthe, Polizei¬
assessoren und Capellmeister hingegen finden sich schon paarweise, Bürger¬
meister, Stadträthe, Kammermusici und Schauspieler sogar zu einem Tri-
folium zusammen. Buchhändler und Offiziere a. D. nennt das Lexikon je 4,
Aerzte, Advokaten und Direktoren öffentlicher Sammlungen je 6; dann folgen
7 Kirchen- und Schulräthe, 13 Bivliotheks- und Archivbeamte. Die Lehrkörper
von Privatschulen haben 19, die der Forstakademie, der Bergakademie, der
Baugewerker- und Gewerbeschulen, Techniken und Polytechniker, der Cadetten-
schule, der Militärbildungsanstalt, der Turnlehrerbildungsanstalt und des
tgi. stenographischen Instituts zusammengenommen 22 Namen beigesteuert.
Schriftsteller von Metier, Journalisten und Privatgelehrte werden 36, Uni¬
versitätslehrer 84 genannt; den Kreisen des Gymnasiums und der Realschule
gehören 135 an, dem Seminar und der Volksschule 146. Das Haupt-
contingent aber haben die geistlichen Herren gestellt; es sind — ausschließlich
der Theologen an der Universität — 231 Namen! Endlich kommen hierzu
noch 8 Schriftstellerinnen. Die Höflichkeit erfordert es, daß ich sie ohne
Verzug mit Namen aufführe; es sind die Damen: Claire von Glümer, Char¬
lotte Grans, Magdalena Hampel, Luise Otto - Peters, Fanny Roquette, Pau¬
line Schanz, Amalie Scheibe (pseudon. S. Augustin) und Anna Lohn-Seegel.
Wer noch nichts von Frl. Hampel gehört haben sollte, der schäme sich und
lasse sich hiermit gesagt sein, daß diese Dame, wie sie selbst in ihrer Bio¬
graphie erzählt, „schon mit dem elften Lebensjahre die Schule verließ", im
Jahre 1866 einen „Apparat gegen den Schreibkrampf" erfand und eine „An¬
leitung zur gründlichen Erlernung einer schönen und geläufigen Handschrist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/132>, abgerufen am 29.06.2024.