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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band.

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und die Namen, die dasselbe zu verschiedenen Zeiten hatte, dann eine kurz¬
gefaßte Geschichte Palästinas und Syriens, der eine chronologische Tabelle
mit den Hauptmomenten derselben beigegeben ist, einen Ueberblick über die
heutige Bevölkerung Syriens, Einiges über die Glaubenslehre des Islam
und über Sitten und Bräuche der Bekenner desselben, einige Notizen über
die arabische Sprache, die bekanntlich in Syrien und Palästina die herr¬
schende ist, nebst einer Sammlung von Vocabeln und kurzen Gesprächen,
endlich einen Blick auf die Kunstgeschichte dieser Länder.

Die arabischen Gespräche hätten wegbleiben können. Wer längere Zeit
im Orient leben und mit dem Volke verkehren will, muß die Sprache desselben
zunächst aus Büchern, dann durch den Umgang mit den Leuten gründlich
erlernen; wer das Land nur flüchtig bereist, wird unter allen Umständen
einen Dragoman haben müssen und an dem genug haben. Mit einigen Brocken
der Sprache ist wenig geholfen, wer mit ihnen hantiert, spielt ungefähr die¬
selbe Rolle, wie die komischen Englishmen, die sich in arabische Tracht stecken
und sich darin gefallen, von den Eingebornen aber innerlich ausgelacht werden.
Zur Noth lernt man aus solchen Conversationsstücken fragen und fordern, in
sehr seltnen Fällen verstehen, was geantwortet wird, selbst wenn es das
ist, was der Herausgeber hier als Antwort voraussetzt, und wie dann, wenn
sie anders lautet? Der Reisende im Bädeker kommt z. B. zum Pferdever¬
leiher und fragt ihn in schönem Arabisch: Hast du Pferde? worauf jener
erwidert: Ich habe keine Thiere. (Wie aber wenn er die Frage bejaht?)
Der Bädeker'sche Tourist fragt weiter: Wie viel willst Du täglich für ein
Pferd? und der Mann sagt: dreißig Piaster. (Wie aber, wenn er mehr oder
weniger verlangt und seine Forderung nach Art des Landes mit einem großen
Wortschwall motivirt?) So und noch schlimmer steht es mit den meisten
andern der hier fingirten Gespräche. Fast immer wird der, welcher sie braucht,
nach wenigen Worten "verlesen" oder, um mit den Juden zu reden, "geschochten"
sein und zwar um so mehr, mit je größerem Vertrauen auf sein Wissen ver
Reisende auftritt. Wir meinen, ein paar Hundert Haupt- und Zeitwörter
und die Kenntniß der Zahlen bis hundert genügen für schlimme Fälle, und
was darüber ist, ist unnützer Balast und somit vom Uebel. Desto besser ist
fast alles Uebrige in den genannten Kapiteln; überall -- die älteste Geschichte
Palästinas ausgenommen, an der sich vom Standpunkte der neuesten Forschung
einige erhebliche Ausstellungen machen lassen -- sind die besten Quellen be¬
nutzt, und häufiger erhält der Reisende eher zu viel als zu wenig Auskunft,
sodaß er, selbst wenn er sehr gründliche Belehrung verlangt, ohne andere
literarische Hülfsquellen auszukommen vermag.

Dasselbe gilt von den nun folgenden Routen. Der Verfasser führt uns
zunächst nach Jaffa und dann auf verschiedenen Wegen nach einander nach


und die Namen, die dasselbe zu verschiedenen Zeiten hatte, dann eine kurz¬
gefaßte Geschichte Palästinas und Syriens, der eine chronologische Tabelle
mit den Hauptmomenten derselben beigegeben ist, einen Ueberblick über die
heutige Bevölkerung Syriens, Einiges über die Glaubenslehre des Islam
und über Sitten und Bräuche der Bekenner desselben, einige Notizen über
die arabische Sprache, die bekanntlich in Syrien und Palästina die herr¬
schende ist, nebst einer Sammlung von Vocabeln und kurzen Gesprächen,
endlich einen Blick auf die Kunstgeschichte dieser Länder.

Die arabischen Gespräche hätten wegbleiben können. Wer längere Zeit
im Orient leben und mit dem Volke verkehren will, muß die Sprache desselben
zunächst aus Büchern, dann durch den Umgang mit den Leuten gründlich
erlernen; wer das Land nur flüchtig bereist, wird unter allen Umständen
einen Dragoman haben müssen und an dem genug haben. Mit einigen Brocken
der Sprache ist wenig geholfen, wer mit ihnen hantiert, spielt ungefähr die¬
selbe Rolle, wie die komischen Englishmen, die sich in arabische Tracht stecken
und sich darin gefallen, von den Eingebornen aber innerlich ausgelacht werden.
Zur Noth lernt man aus solchen Conversationsstücken fragen und fordern, in
sehr seltnen Fällen verstehen, was geantwortet wird, selbst wenn es das
ist, was der Herausgeber hier als Antwort voraussetzt, und wie dann, wenn
sie anders lautet? Der Reisende im Bädeker kommt z. B. zum Pferdever¬
leiher und fragt ihn in schönem Arabisch: Hast du Pferde? worauf jener
erwidert: Ich habe keine Thiere. (Wie aber wenn er die Frage bejaht?)
Der Bädeker'sche Tourist fragt weiter: Wie viel willst Du täglich für ein
Pferd? und der Mann sagt: dreißig Piaster. (Wie aber, wenn er mehr oder
weniger verlangt und seine Forderung nach Art des Landes mit einem großen
Wortschwall motivirt?) So und noch schlimmer steht es mit den meisten
andern der hier fingirten Gespräche. Fast immer wird der, welcher sie braucht,
nach wenigen Worten „verlesen" oder, um mit den Juden zu reden, „geschochten"
sein und zwar um so mehr, mit je größerem Vertrauen auf sein Wissen ver
Reisende auftritt. Wir meinen, ein paar Hundert Haupt- und Zeitwörter
und die Kenntniß der Zahlen bis hundert genügen für schlimme Fälle, und
was darüber ist, ist unnützer Balast und somit vom Uebel. Desto besser ist
fast alles Uebrige in den genannten Kapiteln; überall — die älteste Geschichte
Palästinas ausgenommen, an der sich vom Standpunkte der neuesten Forschung
einige erhebliche Ausstellungen machen lassen — sind die besten Quellen be¬
nutzt, und häufiger erhält der Reisende eher zu viel als zu wenig Auskunft,
sodaß er, selbst wenn er sehr gründliche Belehrung verlangt, ohne andere
literarische Hülfsquellen auszukommen vermag.

Dasselbe gilt von den nun folgenden Routen. Der Verfasser führt uns
zunächst nach Jaffa und dann auf verschiedenen Wegen nach einander nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148602/125>, abgerufen am 29.06.2024.