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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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diesem in der Zeit aus Nichts geschaffen worden sei, fand die erbittertsten
Gegner bei denen, welche die Wesensgleichheit zwischen Beiden behaupteten
und in dem Bischof Athanasius von Alexandrien ihren Hauptstimmführer
hatten. Aller Orten wurde von Geistlichen und Laien über diesen Gegenstand
gestritten und nicht etwa blos mit den Waffen des Geistes, sondern auch mit
Schwertern und Fäusten- Durch den Einfluß Constantin's war zwar zu
Nicäa von 300 Bischöfen die Lehre des Athanasius bestätigt und jeder Wider¬
spruch zum Schweigen gebracht worden, aber nur für den Augenblick. Viele
Eingeschüchterte suchten später ihrer wahren Meinung wieder Geltung zu ver¬
schaffen, und namentlich im Orient, wo man den ganzen Auseinandersetzungen
keinen so hohen Werth beimaß, herrschte nach wie vor der Arianismus. Eine
Hauptstütze desselben war Eusebius von Nikomedien, jener alte Freund des
Arius und schlaue um die Mittel nie verlegene Well- und Hofmann im
Priesterkleide, der auf dem Concil zu Nicäa für die Lehre des Athanasius,
jedoch gegen die Verdammung des Arius gestimmt hatte und den darüber
unwilligen Kaiser durch verhüllende Ausdrücke wieder für sich zu gewinnen
wußte. Bald stand er bei diesem und der kaiserlichen Familie in so hoher
Gunst, daß Constantin der Große kurz vor seinem Tode in Nikomedien von
ihm die Taufe empfing und Constantius, der Sohn des Verstorbenen, ihn
338 als Bischof nach Constantinopel berief. Dadurch war auf eine Reihe von
Jahren für das Morgenland der Sieg des Arianismus entschieden, und die
Geistlichen, welche am nicäischen Bekenntnisse festhielten, wurden so viel wie
möglich entsetzt und vertrieben. Doch suchte der Melgewandte vorsichtig die
Härten jener Lehren zu mildern. Er sprach nicht von einer Wesensver¬
schiedenheit zwischen Vater und Sohn, sondern von einer Aehnlichkeit zwischen
beiden und legte damit den Grund zur semiarianischen Richtung. Wenn
er auf diese Weise zu vermitteln und zu versöhnen hoffte, so irrte er --
Wesensgleichheit der Athanasianer. Wesensverschiedenheit der Arianer, Wesens¬
ähnlichkeit der Eusebianer --^ die Welt war um ein Losungswort des
Kampfes reicher geworden und die Parteien standen sich schroff wie vorher
gegenüber.

Ulfilas aber, der in Constantinopel so recht am Heerdfeuer dieses Krieges
^"d, hatte sich gleich anfangs entschieden. Sein Glaube war im Wesent¬
lichen der artanische. doch so wenig vermochte er die Selbstständigkeit seiner
Überzeugung unter eine fremde Formel zu beugen, daß er in wichtigen
Punkten von den Hauptvertretern jener Lehren abwich. Christus ist ihm
wegen der unzweideutigen Ausdrücke der Schrift geborener, unwandelbarer
^oll. während derselbe nach Arius göttlichen Namen und göttliche Eigen¬
schaften erst durch sittliche Würdigung gewinnt; er ist ihm seinem Wesen nach
gezeugt von dem ewigen, ungezeugten Vater und daher diesem keineswegs


diesem in der Zeit aus Nichts geschaffen worden sei, fand die erbittertsten
Gegner bei denen, welche die Wesensgleichheit zwischen Beiden behaupteten
und in dem Bischof Athanasius von Alexandrien ihren Hauptstimmführer
hatten. Aller Orten wurde von Geistlichen und Laien über diesen Gegenstand
gestritten und nicht etwa blos mit den Waffen des Geistes, sondern auch mit
Schwertern und Fäusten- Durch den Einfluß Constantin's war zwar zu
Nicäa von 300 Bischöfen die Lehre des Athanasius bestätigt und jeder Wider¬
spruch zum Schweigen gebracht worden, aber nur für den Augenblick. Viele
Eingeschüchterte suchten später ihrer wahren Meinung wieder Geltung zu ver¬
schaffen, und namentlich im Orient, wo man den ganzen Auseinandersetzungen
keinen so hohen Werth beimaß, herrschte nach wie vor der Arianismus. Eine
Hauptstütze desselben war Eusebius von Nikomedien, jener alte Freund des
Arius und schlaue um die Mittel nie verlegene Well- und Hofmann im
Priesterkleide, der auf dem Concil zu Nicäa für die Lehre des Athanasius,
jedoch gegen die Verdammung des Arius gestimmt hatte und den darüber
unwilligen Kaiser durch verhüllende Ausdrücke wieder für sich zu gewinnen
wußte. Bald stand er bei diesem und der kaiserlichen Familie in so hoher
Gunst, daß Constantin der Große kurz vor seinem Tode in Nikomedien von
ihm die Taufe empfing und Constantius, der Sohn des Verstorbenen, ihn
338 als Bischof nach Constantinopel berief. Dadurch war auf eine Reihe von
Jahren für das Morgenland der Sieg des Arianismus entschieden, und die
Geistlichen, welche am nicäischen Bekenntnisse festhielten, wurden so viel wie
möglich entsetzt und vertrieben. Doch suchte der Melgewandte vorsichtig die
Härten jener Lehren zu mildern. Er sprach nicht von einer Wesensver¬
schiedenheit zwischen Vater und Sohn, sondern von einer Aehnlichkeit zwischen
beiden und legte damit den Grund zur semiarianischen Richtung. Wenn
er auf diese Weise zu vermitteln und zu versöhnen hoffte, so irrte er —
Wesensgleichheit der Athanasianer. Wesensverschiedenheit der Arianer, Wesens¬
ähnlichkeit der Eusebianer —^ die Welt war um ein Losungswort des
Kampfes reicher geworden und die Parteien standen sich schroff wie vorher
gegenüber.

Ulfilas aber, der in Constantinopel so recht am Heerdfeuer dieses Krieges
^"d, hatte sich gleich anfangs entschieden. Sein Glaube war im Wesent¬
lichen der artanische. doch so wenig vermochte er die Selbstständigkeit seiner
Überzeugung unter eine fremde Formel zu beugen, daß er in wichtigen
Punkten von den Hauptvertretern jener Lehren abwich. Christus ist ihm
wegen der unzweideutigen Ausdrücke der Schrift geborener, unwandelbarer
^oll. während derselbe nach Arius göttlichen Namen und göttliche Eigen¬
schaften erst durch sittliche Würdigung gewinnt; er ist ihm seinem Wesen nach
gezeugt von dem ewigen, ungezeugten Vater und daher diesem keineswegs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/9>, abgerufen am 24.08.2024.