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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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römisch-katholischen Centralverems haben mit der Annahme der in Cincinnati
entworfenen Konstitution aufgehört, freie Männer zu sein. Sie haben auf
das durch die Institutionen der Verein. Staaten gewährleistete Recht der
Gedanken- und Redefreiheit verzichtet und durch diese bodenlos sklavische
Handlungsweise den deutschen Namen und den Ruf der nordamerikanischen
Republik geschändet. Sie haben Alles, was einem Manne heilig ist, die
selbstständige religiöse Ueberzeugung und die freie Verfügung in Bezug auf
die Kindererziehung freiwillig aufgegeben und offen zugestanden, daß sie
Knechte der Kirche, daß sie willenlose Werkzeuge der Priesterherrschaft sein
und bleiben wollen." So urtheilt der anerkannt gut redigirte "Anzeiger des
Westens", ein gemäßigt demokratisches Blatt. Die von ihm so scharf ver-
urtheilte Konstitution des deutschen römisch-katholischen Centralverems überläßt
nämlich den Priestern die vollständige Leitung der einzelnen Zweigvereine.
Wenn der Priester in der Versammlung erscheint, müssen die weltlichen
Vereinsmitglieder schweigen. Die betreffenden Untersuchungs - Commirtee's
haben dem Geistlichen die Namen, der angemeldeten Mitglieder einzuhändigen,
und er allein hat zu entscheiden, ob die Angemeldeten gute Katholiken sind
oder nicht. Wer sein Kind nicht in eine römisch-katholische Schule schickt,
wird auf Verlangen des Priesters ausgestoßen. Der Priester controllirt die
Beamten des Vereins, genehmigt die Protokolle und hat das entscheidende
Wort in allen Bereinsangelegenheiten. Nicht einmal ein Pic-Nie darf abge¬
halten werden ohne die Zustimmung des Priesters. Er ist das Alpha und
Omega der ganzen Organisation, die ein vollständiges lap^rinn imxorio,
eine ausgebildete Theokratie in der nordamerikanischen Republik darstellt.
Die Priester-Controlle erstreckt sich zudem weit über die Grenzen des Vereins
hinaus. So darf z. B. ein Mitglied des Centralveretns keiner Gesellschaft
angehören, die mit den Gesetzen der römisch-katholischen Kirche in Widerspruch
steht oder von ihr gemißbilligt wird. Es giebt aber bekanntlich viele Gesell¬
schaften, welche die römisch-katholische Kirche mißbilligt.

Wir könnten noch eine Menge von Beispielen anführen, die beweisen,
wie sehr der Ultramontanismus in den Vereinigten Staaten bemüht ist,
die Massen durch einen denkträgen Autoritätsglauben zu beherrschen, und wie
sehr es ihm bereits gelungen ist, nicht bloß unter den Deutschen, sondern
noch weit mehr unter den Jrländern, aber auch unter den eingebornen Ameri¬
kanern, ja selbst unter den Negern, Propaganda zu machen; aber das vor¬
stehende Beispiel mag genügen, da gerade die Deutschen in der nordameri¬
kanischen Union es sind, die noch am meisten Sympathie für den Riesenkampf
haben, den ihr europäisches Mutterland gegenwärtig mit der römischen Curie
auszufechten im Begriff steht. ^


römisch-katholischen Centralverems haben mit der Annahme der in Cincinnati
entworfenen Konstitution aufgehört, freie Männer zu sein. Sie haben auf
das durch die Institutionen der Verein. Staaten gewährleistete Recht der
Gedanken- und Redefreiheit verzichtet und durch diese bodenlos sklavische
Handlungsweise den deutschen Namen und den Ruf der nordamerikanischen
Republik geschändet. Sie haben Alles, was einem Manne heilig ist, die
selbstständige religiöse Ueberzeugung und die freie Verfügung in Bezug auf
die Kindererziehung freiwillig aufgegeben und offen zugestanden, daß sie
Knechte der Kirche, daß sie willenlose Werkzeuge der Priesterherrschaft sein
und bleiben wollen." So urtheilt der anerkannt gut redigirte „Anzeiger des
Westens", ein gemäßigt demokratisches Blatt. Die von ihm so scharf ver-
urtheilte Konstitution des deutschen römisch-katholischen Centralverems überläßt
nämlich den Priestern die vollständige Leitung der einzelnen Zweigvereine.
Wenn der Priester in der Versammlung erscheint, müssen die weltlichen
Vereinsmitglieder schweigen. Die betreffenden Untersuchungs - Commirtee's
haben dem Geistlichen die Namen, der angemeldeten Mitglieder einzuhändigen,
und er allein hat zu entscheiden, ob die Angemeldeten gute Katholiken sind
oder nicht. Wer sein Kind nicht in eine römisch-katholische Schule schickt,
wird auf Verlangen des Priesters ausgestoßen. Der Priester controllirt die
Beamten des Vereins, genehmigt die Protokolle und hat das entscheidende
Wort in allen Bereinsangelegenheiten. Nicht einmal ein Pic-Nie darf abge¬
halten werden ohne die Zustimmung des Priesters. Er ist das Alpha und
Omega der ganzen Organisation, die ein vollständiges lap^rinn imxorio,
eine ausgebildete Theokratie in der nordamerikanischen Republik darstellt.
Die Priester-Controlle erstreckt sich zudem weit über die Grenzen des Vereins
hinaus. So darf z. B. ein Mitglied des Centralveretns keiner Gesellschaft
angehören, die mit den Gesetzen der römisch-katholischen Kirche in Widerspruch
steht oder von ihr gemißbilligt wird. Es giebt aber bekanntlich viele Gesell¬
schaften, welche die römisch-katholische Kirche mißbilligt.

Wir könnten noch eine Menge von Beispielen anführen, die beweisen,
wie sehr der Ultramontanismus in den Vereinigten Staaten bemüht ist,
die Massen durch einen denkträgen Autoritätsglauben zu beherrschen, und wie
sehr es ihm bereits gelungen ist, nicht bloß unter den Deutschen, sondern
noch weit mehr unter den Jrländern, aber auch unter den eingebornen Ameri¬
kanern, ja selbst unter den Negern, Propaganda zu machen; aber das vor¬
stehende Beispiel mag genügen, da gerade die Deutschen in der nordameri¬
kanischen Union es sind, die noch am meisten Sympathie für den Riesenkampf
haben, den ihr europäisches Mutterland gegenwärtig mit der römischen Curie
auszufechten im Begriff steht. ^


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/78>, abgerufen am 22.07.2024.