Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Sammlung zu sprechen. Hier hatte er sich aber das Mittel zur Bekämpfung des
Uebels nicht genügend überlegt. Er schlug eine höhere Besteuerung der ge¬
fälschten Biere vor. Aber wenn man die Fälschung so genau controliren
könnte, dürfte man ihre Produkte offenbar nicht besteuern, sondern man
müßte sie, wie in England geschieht, von Gesundheitsamtswegen in die Schmutz¬
kanäle schütten und die Fälscher obendrein bestrafen. Die Ausstattung des
Reichsgesundheitsamtes mit den nöthigen Geldmitteln, Personalkräften und
vor Allem mit den nöthigen Befugnissen ist der einzig mögliche Weg zur
Bekämpfung der gerügten Uebel.

Am 18. Dezember wurde der Reichshaushalt in dritter Lesung ge¬
nehmigt. Der Abgeordnete v. Minnigerode nahm Anlaß, die Bedenken der
conservativen Partei auszusprechen über die Art, wie das Gleichgewicht im
Haushalt ohne neue Steuern hergestellt worden, dies trug ihm den Hohn
der Herren Rickert und Richter ein, von denen der Erste den Redner ironisch
bedauerte, daß er nicht mit neuen Steuern vor seine Wähler treten könne.
Also nicht das Interesse des Reichs, sondern das Prtvatinteresse der Wähler
soll für die Haltung der Abgeordneten Ausschlag gebend sein! Herr Richter
vergißt, daß er bei dieser Art von Appellation Concurrenten hat an den
Sozialdemokraten, denen er mit seinen Angeboten nicht gewachsen sein dürfte.
Der Abgeordnete Laster, der dem conservativen Redner auf dessen Klage eines
ungerechten Vorwurfes gegen die conservative Partei in sehr maßvoller, und
wir müssen sagen, in liebenswürdiger Weise antwortete, unterließ doch nicht
zu sagen, daß die finanziellen Ausführungen des Herrn v. Minnigerode durch
die Abgeordneten Rickert und Richter "nach Verdienst" gewürdigt worden.
Gleich darauf verlangte er aber die Einrichtung großer Reichsämter mit voll¬
ständiger Ausstattung. Soll diese Ausstattung etwa aus den Beständen
erfolgen, die jetzt aufgezehrt werden? Kanäle bauen, einen großen Verwal¬
tungsorganismus einrichten, darunter Behörden für neue oder bisher ver¬
nachlässigte, aber höchst nothwendige Zwecke, wie die öffentliche Gesundheits¬
pflege, die Privateisenbahnen ankaufen, gemeinnützige Bedürfnisse auf die
billigste und beste Weise befriedigen bei Post und Telegraphie u. f. w., das
Alles soll das Reich. Aber dabei soll es mit Matrikularbeiträgen wirth¬
schaften! Ist das die gerühmte Laster'sche Logik? Nachdem noch einige
Gegenstände ohne politische Bedeutung erledigt, vertagte sich der Reichstag
bis zum 19. Januar 1876. Die lange Pause ist durch den gleich zu Anfang
des neuen Jahres erfolgenden Zusammentritt der neugebildeten preußischen
Provinziallandtage bedingt.

Ich hätte nun noch Gelegenheit, mich über die parlamentarischen Aus¬
sichten zu verbreiten, mit denen das Jahr schließt, zumal die Redaktion der
"Grenzboten" mich durch eine, meinem vorigen Brief beigefügte Frage auf


Sammlung zu sprechen. Hier hatte er sich aber das Mittel zur Bekämpfung des
Uebels nicht genügend überlegt. Er schlug eine höhere Besteuerung der ge¬
fälschten Biere vor. Aber wenn man die Fälschung so genau controliren
könnte, dürfte man ihre Produkte offenbar nicht besteuern, sondern man
müßte sie, wie in England geschieht, von Gesundheitsamtswegen in die Schmutz¬
kanäle schütten und die Fälscher obendrein bestrafen. Die Ausstattung des
Reichsgesundheitsamtes mit den nöthigen Geldmitteln, Personalkräften und
vor Allem mit den nöthigen Befugnissen ist der einzig mögliche Weg zur
Bekämpfung der gerügten Uebel.

Am 18. Dezember wurde der Reichshaushalt in dritter Lesung ge¬
nehmigt. Der Abgeordnete v. Minnigerode nahm Anlaß, die Bedenken der
conservativen Partei auszusprechen über die Art, wie das Gleichgewicht im
Haushalt ohne neue Steuern hergestellt worden, dies trug ihm den Hohn
der Herren Rickert und Richter ein, von denen der Erste den Redner ironisch
bedauerte, daß er nicht mit neuen Steuern vor seine Wähler treten könne.
Also nicht das Interesse des Reichs, sondern das Prtvatinteresse der Wähler
soll für die Haltung der Abgeordneten Ausschlag gebend sein! Herr Richter
vergißt, daß er bei dieser Art von Appellation Concurrenten hat an den
Sozialdemokraten, denen er mit seinen Angeboten nicht gewachsen sein dürfte.
Der Abgeordnete Laster, der dem conservativen Redner auf dessen Klage eines
ungerechten Vorwurfes gegen die conservative Partei in sehr maßvoller, und
wir müssen sagen, in liebenswürdiger Weise antwortete, unterließ doch nicht
zu sagen, daß die finanziellen Ausführungen des Herrn v. Minnigerode durch
die Abgeordneten Rickert und Richter „nach Verdienst" gewürdigt worden.
Gleich darauf verlangte er aber die Einrichtung großer Reichsämter mit voll¬
ständiger Ausstattung. Soll diese Ausstattung etwa aus den Beständen
erfolgen, die jetzt aufgezehrt werden? Kanäle bauen, einen großen Verwal¬
tungsorganismus einrichten, darunter Behörden für neue oder bisher ver¬
nachlässigte, aber höchst nothwendige Zwecke, wie die öffentliche Gesundheits¬
pflege, die Privateisenbahnen ankaufen, gemeinnützige Bedürfnisse auf die
billigste und beste Weise befriedigen bei Post und Telegraphie u. f. w., das
Alles soll das Reich. Aber dabei soll es mit Matrikularbeiträgen wirth¬
schaften! Ist das die gerühmte Laster'sche Logik? Nachdem noch einige
Gegenstände ohne politische Bedeutung erledigt, vertagte sich der Reichstag
bis zum 19. Januar 1876. Die lange Pause ist durch den gleich zu Anfang
des neuen Jahres erfolgenden Zusammentritt der neugebildeten preußischen
Provinziallandtage bedingt.

Ich hätte nun noch Gelegenheit, mich über die parlamentarischen Aus¬
sichten zu verbreiten, mit denen das Jahr schließt, zumal die Redaktion der
„Grenzboten" mich durch eine, meinem vorigen Brief beigefügte Frage auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134866"/>
          <p xml:id="ID_1576" prev="#ID_1575"> Sammlung zu sprechen. Hier hatte er sich aber das Mittel zur Bekämpfung des<lb/>
Uebels nicht genügend überlegt. Er schlug eine höhere Besteuerung der ge¬<lb/>
fälschten Biere vor. Aber wenn man die Fälschung so genau controliren<lb/>
könnte, dürfte man ihre Produkte offenbar nicht besteuern, sondern man<lb/>
müßte sie, wie in England geschieht, von Gesundheitsamtswegen in die Schmutz¬<lb/>
kanäle schütten und die Fälscher obendrein bestrafen. Die Ausstattung des<lb/>
Reichsgesundheitsamtes mit den nöthigen Geldmitteln, Personalkräften und<lb/>
vor Allem mit den nöthigen Befugnissen ist der einzig mögliche Weg zur<lb/>
Bekämpfung der gerügten Uebel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1577"> Am 18. Dezember wurde der Reichshaushalt in dritter Lesung ge¬<lb/>
nehmigt.  Der Abgeordnete v. Minnigerode nahm Anlaß, die Bedenken der<lb/>
conservativen Partei auszusprechen über die Art, wie das Gleichgewicht im<lb/>
Haushalt ohne neue Steuern hergestellt worden, dies trug ihm den Hohn<lb/>
der Herren Rickert und Richter ein, von denen der Erste den Redner ironisch<lb/>
bedauerte, daß er nicht mit neuen Steuern vor seine Wähler treten könne.<lb/>
Also nicht das Interesse des Reichs, sondern das Prtvatinteresse der Wähler<lb/>
soll für die Haltung der Abgeordneten Ausschlag gebend sein! Herr Richter<lb/>
vergißt, daß er bei dieser Art von Appellation Concurrenten hat an den<lb/>
Sozialdemokraten, denen er mit seinen Angeboten nicht gewachsen sein dürfte.<lb/>
Der Abgeordnete Laster, der dem conservativen Redner auf dessen Klage eines<lb/>
ungerechten Vorwurfes gegen die conservative Partei in sehr maßvoller, und<lb/>
wir müssen sagen, in liebenswürdiger Weise antwortete, unterließ doch nicht<lb/>
zu sagen, daß die finanziellen Ausführungen des Herrn v. Minnigerode durch<lb/>
die Abgeordneten Rickert und Richter &#x201E;nach Verdienst" gewürdigt worden.<lb/>
Gleich darauf verlangte er aber die Einrichtung großer Reichsämter mit voll¬<lb/>
ständiger Ausstattung.  Soll diese Ausstattung etwa aus den Beständen<lb/>
erfolgen, die jetzt aufgezehrt werden? Kanäle bauen, einen großen Verwal¬<lb/>
tungsorganismus einrichten, darunter Behörden für neue oder bisher ver¬<lb/>
nachlässigte, aber höchst nothwendige Zwecke, wie die öffentliche Gesundheits¬<lb/>
pflege, die Privateisenbahnen ankaufen, gemeinnützige Bedürfnisse auf die<lb/>
billigste und beste Weise befriedigen bei Post und Telegraphie u. f. w., das<lb/>
Alles soll das Reich.  Aber dabei soll es mit Matrikularbeiträgen wirth¬<lb/>
schaften! Ist das die gerühmte Laster'sche Logik?   Nachdem noch einige<lb/>
Gegenstände ohne politische Bedeutung erledigt, vertagte sich der Reichstag<lb/>
bis zum 19. Januar 1876.  Die lange Pause ist durch den gleich zu Anfang<lb/>
des neuen Jahres erfolgenden Zusammentritt der neugebildeten preußischen<lb/>
Provinziallandtage bedingt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1578" next="#ID_1579"> Ich hätte nun noch Gelegenheit, mich über die parlamentarischen Aus¬<lb/>
sichten zu verbreiten, mit denen das Jahr schließt, zumal die Redaktion der<lb/>
&#x201E;Grenzboten" mich durch eine, meinem vorigen Brief beigefügte Frage auf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0520] Sammlung zu sprechen. Hier hatte er sich aber das Mittel zur Bekämpfung des Uebels nicht genügend überlegt. Er schlug eine höhere Besteuerung der ge¬ fälschten Biere vor. Aber wenn man die Fälschung so genau controliren könnte, dürfte man ihre Produkte offenbar nicht besteuern, sondern man müßte sie, wie in England geschieht, von Gesundheitsamtswegen in die Schmutz¬ kanäle schütten und die Fälscher obendrein bestrafen. Die Ausstattung des Reichsgesundheitsamtes mit den nöthigen Geldmitteln, Personalkräften und vor Allem mit den nöthigen Befugnissen ist der einzig mögliche Weg zur Bekämpfung der gerügten Uebel. Am 18. Dezember wurde der Reichshaushalt in dritter Lesung ge¬ nehmigt. Der Abgeordnete v. Minnigerode nahm Anlaß, die Bedenken der conservativen Partei auszusprechen über die Art, wie das Gleichgewicht im Haushalt ohne neue Steuern hergestellt worden, dies trug ihm den Hohn der Herren Rickert und Richter ein, von denen der Erste den Redner ironisch bedauerte, daß er nicht mit neuen Steuern vor seine Wähler treten könne. Also nicht das Interesse des Reichs, sondern das Prtvatinteresse der Wähler soll für die Haltung der Abgeordneten Ausschlag gebend sein! Herr Richter vergißt, daß er bei dieser Art von Appellation Concurrenten hat an den Sozialdemokraten, denen er mit seinen Angeboten nicht gewachsen sein dürfte. Der Abgeordnete Laster, der dem conservativen Redner auf dessen Klage eines ungerechten Vorwurfes gegen die conservative Partei in sehr maßvoller, und wir müssen sagen, in liebenswürdiger Weise antwortete, unterließ doch nicht zu sagen, daß die finanziellen Ausführungen des Herrn v. Minnigerode durch die Abgeordneten Rickert und Richter „nach Verdienst" gewürdigt worden. Gleich darauf verlangte er aber die Einrichtung großer Reichsämter mit voll¬ ständiger Ausstattung. Soll diese Ausstattung etwa aus den Beständen erfolgen, die jetzt aufgezehrt werden? Kanäle bauen, einen großen Verwal¬ tungsorganismus einrichten, darunter Behörden für neue oder bisher ver¬ nachlässigte, aber höchst nothwendige Zwecke, wie die öffentliche Gesundheits¬ pflege, die Privateisenbahnen ankaufen, gemeinnützige Bedürfnisse auf die billigste und beste Weise befriedigen bei Post und Telegraphie u. f. w., das Alles soll das Reich. Aber dabei soll es mit Matrikularbeiträgen wirth¬ schaften! Ist das die gerühmte Laster'sche Logik? Nachdem noch einige Gegenstände ohne politische Bedeutung erledigt, vertagte sich der Reichstag bis zum 19. Januar 1876. Die lange Pause ist durch den gleich zu Anfang des neuen Jahres erfolgenden Zusammentritt der neugebildeten preußischen Provinziallandtage bedingt. Ich hätte nun noch Gelegenheit, mich über die parlamentarischen Aus¬ sichten zu verbreiten, mit denen das Jahr schließt, zumal die Redaktion der „Grenzboten" mich durch eine, meinem vorigen Brief beigefügte Frage auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/520
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/520>, abgerufen am 22.07.2024.