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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Brust und bedrohen ihn mit dem schrecklichsten Tode, falls er Verrath übe
Sie beobachten zugleich sein Benehmen, um zu sehen, ob er irgendwelche
Furcht zeigt. Darauf werden sieben Toaste ihm zu Ehren getrunken, und
der Großmeister erklärt die wahre Bedeutung der Symbole, die nicht gedruckt,
sondern nur aufgeschrieben werden darf. Er schließt seine Rede damit, daß
er den baldigen Triumph der eingeleiteten Revolution nicht nur auf der
Halbinsel, sondern soweit die italienische Zunge klinge, voraussagt. Indem
er ausruft: "Sehr bald werden die Völker, müde der Tyrannenherrschaft,
ihren Sieg über die Bedrücker feiern. Sehr bald --" Hier schreit ihm der
unbußfertige Schacher zu: "Sehr bald werdet Ihr alle untergehen!" und un¬
mittelbar nachher hört man draußen vor der Grotte Getümmel und Waffen¬
geklirr. Einer der Wächter an der Thür meldet, daß man die Thür einren-
nen will, und sogleich folgt ein Ansturm gegen dieselbe. Die guten Vettern
stürzen nach ihr hin, der Lärm wird lauter, man vernimmt die Stimmen
österreichischer Soldaten, die Carbonari flüchten, von der Ueberzahl über¬
wältigt, nach rückwärts, sagen ein paar ermuthigende Worte zu dem Candi-
daten am Kreuze und verschwinden durch eine Fallthür im Fußboden. Vettern
in der Uniform der verhaßten Tedeschi dringen herein, wundern sich über das
Verschwinden der Carbonari und entdecken endlich die Gekreuzigten. Eben
machen sie sich bereit, sie zu erschießen, als plötzlich eine Menge von Kugeln
in die Höhle fliegen. Die Soldaten fallen wie vom Blitze getroffen nieder,
und die guten Vettern stürzen durch eine Anzahl Seitenthüren, die sich sofort
wieder hinter ihnen schließen, wieder in die Höhle, indem sie rufen: "Sieg!
Tod der Tyrannei! Lange lebe die Republik Ausonien! Lange lebe die Frei¬
heit! Lange lebe die von den tapferen Carbonari aufgerichtete Herrschaft!"
Sofort werden die scheinbar todten Soldaten und die Schächer hinausgeschafft.
Man hilft dem Candidaten von seinem Kreuze herunter, und der Großmeister
verleiht ihm nun, indem er sieben Schläge mit seiner Axt thut, den unter
so viel seltsamen Ereignissen erworbenen Grad.

Wie sich die Auguren angesehen haben mögen, wenn sie das zum zweiten
oder dritten Male mitmachten! In der That, eine unglaublich abgeschmackte
Komödie. Aber nicht wenige geheime Gesellschaften, namenrlich die amerika¬
nischen, trieben und treiben bei ihren Aufnahmen ähnliche Kindereien, und
wenn die Carbonari es am schlimmsten machten, so wissen wir, daß die Italie¬
ner geborne Komödianten sind.

Um den raschen Gang der Erzählung nicht zu unterbrechen, haben wir
im Vorigen die Erklärung der Symbole, die in diesem höchsten Grade der Car¬
bonari gegeben wurde, ausgelassen und bis hierher aufgehoben. Man wird
sehen, daß es klug war, sie nicht drucken zu lassen.


Brust und bedrohen ihn mit dem schrecklichsten Tode, falls er Verrath übe
Sie beobachten zugleich sein Benehmen, um zu sehen, ob er irgendwelche
Furcht zeigt. Darauf werden sieben Toaste ihm zu Ehren getrunken, und
der Großmeister erklärt die wahre Bedeutung der Symbole, die nicht gedruckt,
sondern nur aufgeschrieben werden darf. Er schließt seine Rede damit, daß
er den baldigen Triumph der eingeleiteten Revolution nicht nur auf der
Halbinsel, sondern soweit die italienische Zunge klinge, voraussagt. Indem
er ausruft: „Sehr bald werden die Völker, müde der Tyrannenherrschaft,
ihren Sieg über die Bedrücker feiern. Sehr bald —" Hier schreit ihm der
unbußfertige Schacher zu: „Sehr bald werdet Ihr alle untergehen!" und un¬
mittelbar nachher hört man draußen vor der Grotte Getümmel und Waffen¬
geklirr. Einer der Wächter an der Thür meldet, daß man die Thür einren-
nen will, und sogleich folgt ein Ansturm gegen dieselbe. Die guten Vettern
stürzen nach ihr hin, der Lärm wird lauter, man vernimmt die Stimmen
österreichischer Soldaten, die Carbonari flüchten, von der Ueberzahl über¬
wältigt, nach rückwärts, sagen ein paar ermuthigende Worte zu dem Candi-
daten am Kreuze und verschwinden durch eine Fallthür im Fußboden. Vettern
in der Uniform der verhaßten Tedeschi dringen herein, wundern sich über das
Verschwinden der Carbonari und entdecken endlich die Gekreuzigten. Eben
machen sie sich bereit, sie zu erschießen, als plötzlich eine Menge von Kugeln
in die Höhle fliegen. Die Soldaten fallen wie vom Blitze getroffen nieder,
und die guten Vettern stürzen durch eine Anzahl Seitenthüren, die sich sofort
wieder hinter ihnen schließen, wieder in die Höhle, indem sie rufen: „Sieg!
Tod der Tyrannei! Lange lebe die Republik Ausonien! Lange lebe die Frei¬
heit! Lange lebe die von den tapferen Carbonari aufgerichtete Herrschaft!"
Sofort werden die scheinbar todten Soldaten und die Schächer hinausgeschafft.
Man hilft dem Candidaten von seinem Kreuze herunter, und der Großmeister
verleiht ihm nun, indem er sieben Schläge mit seiner Axt thut, den unter
so viel seltsamen Ereignissen erworbenen Grad.

Wie sich die Auguren angesehen haben mögen, wenn sie das zum zweiten
oder dritten Male mitmachten! In der That, eine unglaublich abgeschmackte
Komödie. Aber nicht wenige geheime Gesellschaften, namenrlich die amerika¬
nischen, trieben und treiben bei ihren Aufnahmen ähnliche Kindereien, und
wenn die Carbonari es am schlimmsten machten, so wissen wir, daß die Italie¬
ner geborne Komödianten sind.

Um den raschen Gang der Erzählung nicht zu unterbrechen, haben wir
im Vorigen die Erklärung der Symbole, die in diesem höchsten Grade der Car¬
bonari gegeben wurde, ausgelassen und bis hierher aufgehoben. Man wird
sehen, daß es klug war, sie nicht drucken zu lassen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/470>, abgerufen am 22.07.2024.