Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bestimmung sein sollen, nach anderen ist es das Wechseln der Ringe,
wieder nach anderen der Contract der Brautleute und der Segen des
Priesters u. s. w.

Wer, der urteilsfähig ist, sieht nicht das Menschliche in der Bestimmung
der Lehre als Sacrament?

Dazu kommt 3) das Fehlen des Begriffs der "Vergebung der Sünde".
Ja nicht einmal die Aenderung des Begriffs von Thomas de Aquino ist be¬
rechtigt. Warum soll denn die Ehe als christliches Sacrament mehr ein
Heilmittel gegen Sünden (remeäium eontrg, xeoeaw) seyn, als sie es war
und ist. wenn sie überhaupt nach Gottes Ordnung und im christlichen Geiste
und Sinn vollzogen und geführt wird? und warum soll, da sie durch den
muwus eonsöllsus entsteht, eine größere Vollkommenheit der Seele entstehen
durch die Gegenwart des Priesters und zweier Zeugen?

Man kann die Absicht der Bestimmung der Ehe als Sacrament begreifen,
ja. wie oben bemerkt, achten, aber Wahrheit ist sie nicht.

Dazu kommt aber nun und viel wichtiger ist der Widerspruch, in den
sich das Tridentinum durch sein Gebot des Cölibats. oder Verbot der Ehe
für die Priester verwickelt.

Die Ehe soll ein Sacrament sein, ein Gnadenmittel, oder nach den
katholischen Dogmatikern ein "Heilmittel" und "Heiligungsmittel" gegen die
Sünde, und die Kirche versagt, verbietet diese Gnade, dieses Heilmittel gerade
dem Stande, für den es am wichtigsten ist. den von Gott geschaffenen Trieb
nach Gottes Ordnung zu befriedigen, um nicht durch seinen Fall vielen
Aergerniß und Anlaß zum Fall zu geben? der also das Heilmittel, sofern
er nicht freiwillig darauf verzichtet, am nöthigsten hat?

Man darf sich nicht etwa darauf berufen, daß ja auch der Staat die
Eheschließungen beschränke. Denn es fällt dabei Niemand ein. das ehelose
Leben für besser zu erklären, es wird oder wurde (die gesetzlichen Hindernisse
namentlich von Seite der Gemeinden sind sehr gemildert) nur der Nachweis
verlangt, daß Jemand eine Familie ernähren könne, und ist ja keinem ver¬
wehrt, bet veränderten Verhältnissen zu heirathen.

Die römische Curie verwehrt aber sogar auf Grund des vermeintlichen
ekg.rg.eder incieledilis den katholischen Priestern, die ihr Amt niederlegen, ja
die zu einer anderen Kirche übertreten, die Ehe. sie hat. so weit sie es ver¬
mocht hat. dies als Bedingung in Concordaten geltend gemacht und durch



'1 O-et. R. ?ars II, val>. 1. <in. 1. qu. K. rein Siiss ssosibus suHsvtam, in"ö sx üsi
ivstitutiorw 8"n"titktis se,jnstiti--i,s tum signMc!z,na"s, tun> owoienä^s vim Klose Kto. hu,
1. ibicl., u. <zu. S Lign" äivmitus nat".

Bestimmung sein sollen, nach anderen ist es das Wechseln der Ringe,
wieder nach anderen der Contract der Brautleute und der Segen des
Priesters u. s. w.

Wer, der urteilsfähig ist, sieht nicht das Menschliche in der Bestimmung
der Lehre als Sacrament?

Dazu kommt 3) das Fehlen des Begriffs der „Vergebung der Sünde".
Ja nicht einmal die Aenderung des Begriffs von Thomas de Aquino ist be¬
rechtigt. Warum soll denn die Ehe als christliches Sacrament mehr ein
Heilmittel gegen Sünden (remeäium eontrg, xeoeaw) seyn, als sie es war
und ist. wenn sie überhaupt nach Gottes Ordnung und im christlichen Geiste
und Sinn vollzogen und geführt wird? und warum soll, da sie durch den
muwus eonsöllsus entsteht, eine größere Vollkommenheit der Seele entstehen
durch die Gegenwart des Priesters und zweier Zeugen?

Man kann die Absicht der Bestimmung der Ehe als Sacrament begreifen,
ja. wie oben bemerkt, achten, aber Wahrheit ist sie nicht.

Dazu kommt aber nun und viel wichtiger ist der Widerspruch, in den
sich das Tridentinum durch sein Gebot des Cölibats. oder Verbot der Ehe
für die Priester verwickelt.

Die Ehe soll ein Sacrament sein, ein Gnadenmittel, oder nach den
katholischen Dogmatikern ein „Heilmittel" und „Heiligungsmittel" gegen die
Sünde, und die Kirche versagt, verbietet diese Gnade, dieses Heilmittel gerade
dem Stande, für den es am wichtigsten ist. den von Gott geschaffenen Trieb
nach Gottes Ordnung zu befriedigen, um nicht durch seinen Fall vielen
Aergerniß und Anlaß zum Fall zu geben? der also das Heilmittel, sofern
er nicht freiwillig darauf verzichtet, am nöthigsten hat?

Man darf sich nicht etwa darauf berufen, daß ja auch der Staat die
Eheschließungen beschränke. Denn es fällt dabei Niemand ein. das ehelose
Leben für besser zu erklären, es wird oder wurde (die gesetzlichen Hindernisse
namentlich von Seite der Gemeinden sind sehr gemildert) nur der Nachweis
verlangt, daß Jemand eine Familie ernähren könne, und ist ja keinem ver¬
wehrt, bet veränderten Verhältnissen zu heirathen.

Die römische Curie verwehrt aber sogar auf Grund des vermeintlichen
ekg.rg.eder incieledilis den katholischen Priestern, die ihr Amt niederlegen, ja
die zu einer anderen Kirche übertreten, die Ehe. sie hat. so weit sie es ver¬
mocht hat. dies als Bedingung in Concordaten geltend gemacht und durch



'1 O-et. R. ?ars II, val>. 1. <in. 1. qu. K. rein Siiss ssosibus suHsvtam, in»ö sx üsi
ivstitutiorw 8»n«titktis se,jnstiti--i,s tum signMc!z,na»s, tun> owoienä^s vim Klose Kto. hu,
1. ibicl., u. <zu. S Lign» äivmitus nat».
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0417" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134763"/>
          <p xml:id="ID_1268" prev="#ID_1267"> Bestimmung sein sollen, nach anderen ist es das Wechseln der Ringe,<lb/>
wieder nach anderen der Contract der Brautleute und der Segen des<lb/>
Priesters u. s. w.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1269"> Wer, der urteilsfähig ist, sieht nicht das Menschliche in der Bestimmung<lb/>
der Lehre als Sacrament?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1270"> Dazu kommt 3) das Fehlen des Begriffs der &#x201E;Vergebung der Sünde".<lb/>
Ja nicht einmal die Aenderung des Begriffs von Thomas de Aquino ist be¬<lb/>
rechtigt. Warum soll denn die Ehe als christliches Sacrament mehr ein<lb/>
Heilmittel gegen Sünden (remeäium eontrg, xeoeaw) seyn, als sie es war<lb/>
und ist. wenn sie überhaupt nach Gottes Ordnung und im christlichen Geiste<lb/>
und Sinn vollzogen und geführt wird? und warum soll, da sie durch den<lb/>
muwus eonsöllsus entsteht, eine größere Vollkommenheit der Seele entstehen<lb/>
durch die Gegenwart des Priesters und zweier Zeugen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1271"> Man kann die Absicht der Bestimmung der Ehe als Sacrament begreifen,<lb/>
ja. wie oben bemerkt, achten, aber Wahrheit ist sie nicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1272"> Dazu kommt aber nun und viel wichtiger ist der Widerspruch, in den<lb/>
sich das Tridentinum durch sein Gebot des Cölibats. oder Verbot der Ehe<lb/>
für die Priester verwickelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1273"> Die Ehe soll ein Sacrament sein, ein Gnadenmittel, oder nach den<lb/>
katholischen Dogmatikern ein &#x201E;Heilmittel" und &#x201E;Heiligungsmittel" gegen die<lb/>
Sünde, und die Kirche versagt, verbietet diese Gnade, dieses Heilmittel gerade<lb/>
dem Stande, für den es am wichtigsten ist. den von Gott geschaffenen Trieb<lb/>
nach Gottes Ordnung zu befriedigen, um nicht durch seinen Fall vielen<lb/>
Aergerniß und Anlaß zum Fall zu geben? der also das Heilmittel, sofern<lb/>
er nicht freiwillig darauf verzichtet, am nöthigsten hat?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1274"> Man darf sich nicht etwa darauf berufen, daß ja auch der Staat die<lb/>
Eheschließungen beschränke. Denn es fällt dabei Niemand ein. das ehelose<lb/>
Leben für besser zu erklären, es wird oder wurde (die gesetzlichen Hindernisse<lb/>
namentlich von Seite der Gemeinden sind sehr gemildert) nur der Nachweis<lb/>
verlangt, daß Jemand eine Familie ernähren könne, und ist ja keinem ver¬<lb/>
wehrt, bet veränderten Verhältnissen zu heirathen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1275" next="#ID_1276"> Die römische Curie verwehrt aber sogar auf Grund des vermeintlichen<lb/>
ekg.rg.eder incieledilis den katholischen Priestern, die ihr Amt niederlegen, ja<lb/>
die zu einer anderen Kirche übertreten, die Ehe. sie hat. so weit sie es ver¬<lb/>
mocht hat. dies als Bedingung in Concordaten geltend gemacht und durch</p><lb/>
          <note xml:id="FID_129" place="foot"> '1 O-et. R. ?ars II, val&gt;. 1. &lt;in. 1. qu. K. rein Siiss ssosibus suHsvtam, in»ö sx üsi<lb/>
ivstitutiorw 8»n«titktis se,jnstiti--i,s tum signMc!z,na»s, tun&gt; owoienä^s vim Klose Kto. hu,<lb/>
1. ibicl., u. &lt;zu. S Lign» äivmitus nat».</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0417] Bestimmung sein sollen, nach anderen ist es das Wechseln der Ringe, wieder nach anderen der Contract der Brautleute und der Segen des Priesters u. s. w. Wer, der urteilsfähig ist, sieht nicht das Menschliche in der Bestimmung der Lehre als Sacrament? Dazu kommt 3) das Fehlen des Begriffs der „Vergebung der Sünde". Ja nicht einmal die Aenderung des Begriffs von Thomas de Aquino ist be¬ rechtigt. Warum soll denn die Ehe als christliches Sacrament mehr ein Heilmittel gegen Sünden (remeäium eontrg, xeoeaw) seyn, als sie es war und ist. wenn sie überhaupt nach Gottes Ordnung und im christlichen Geiste und Sinn vollzogen und geführt wird? und warum soll, da sie durch den muwus eonsöllsus entsteht, eine größere Vollkommenheit der Seele entstehen durch die Gegenwart des Priesters und zweier Zeugen? Man kann die Absicht der Bestimmung der Ehe als Sacrament begreifen, ja. wie oben bemerkt, achten, aber Wahrheit ist sie nicht. Dazu kommt aber nun und viel wichtiger ist der Widerspruch, in den sich das Tridentinum durch sein Gebot des Cölibats. oder Verbot der Ehe für die Priester verwickelt. Die Ehe soll ein Sacrament sein, ein Gnadenmittel, oder nach den katholischen Dogmatikern ein „Heilmittel" und „Heiligungsmittel" gegen die Sünde, und die Kirche versagt, verbietet diese Gnade, dieses Heilmittel gerade dem Stande, für den es am wichtigsten ist. den von Gott geschaffenen Trieb nach Gottes Ordnung zu befriedigen, um nicht durch seinen Fall vielen Aergerniß und Anlaß zum Fall zu geben? der also das Heilmittel, sofern er nicht freiwillig darauf verzichtet, am nöthigsten hat? Man darf sich nicht etwa darauf berufen, daß ja auch der Staat die Eheschließungen beschränke. Denn es fällt dabei Niemand ein. das ehelose Leben für besser zu erklären, es wird oder wurde (die gesetzlichen Hindernisse namentlich von Seite der Gemeinden sind sehr gemildert) nur der Nachweis verlangt, daß Jemand eine Familie ernähren könne, und ist ja keinem ver¬ wehrt, bet veränderten Verhältnissen zu heirathen. Die römische Curie verwehrt aber sogar auf Grund des vermeintlichen ekg.rg.eder incieledilis den katholischen Priestern, die ihr Amt niederlegen, ja die zu einer anderen Kirche übertreten, die Ehe. sie hat. so weit sie es ver¬ mocht hat. dies als Bedingung in Concordaten geltend gemacht und durch '1 O-et. R. ?ars II, val>. 1. <in. 1. qu. K. rein Siiss ssosibus suHsvtam, in»ö sx üsi ivstitutiorw 8»n«titktis se,jnstiti--i,s tum signMc!z,na»s, tun> owoienä^s vim Klose Kto. hu, 1. ibicl., u. <zu. S Lign» äivmitus nat».

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/417
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/417>, abgerufen am 22.07.2024.