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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Besonderen falsch, da es nach katholischem Princip nur eine Frage der
Disciplin ist.

Somit entsteht die Frage: gehört der Cölibat wirklich zum
katholischen Glauben?

Es ist über allen Zweifel erhabener unbestreitbarer Grundsatz der katho¬
lischen Kirche, daß sie. wie die Entscheidung über die Lehre (Ministerium),
und die Verwaltung der Sacramente (Ministerium), so auch das Recht und
die Gewalt haben muß. alle die Einrichtungen für die äußere Gestaltung und
die äußeren Verhältnisse der Kirche und das praktisch fromme Leben der
Gläubigen überhaupt (äiseiMn-Y zu treffen, die der höchste Zweck der Kirche
fordert (potestas regimiriis s. jurisäietionis).

Klee. Dogmatik, Aufl. 1. I. 147: "Die Kirche hat allzeit eine von
Christo eingesetzte, durch die Apostel überkommene hierarchische Ordnung mit
der Vollmacht des Magisteriums, Ministeriums und Regimens in
sich gewußt."

Walter, Kirchenrecht. Aufl. 8. Z 13: "Aus dem positiven Wesen und
Zweck der Kirche ergibt sich für dieselbe eine dreifache Vollmacht, die Ver-
waltung der von Christo eingesetzten Sacramente, die Verkündigung seiner
Lehre und Handhabung der kirchlichen Disciplin."

Aber es ist ebenso über allen Zweifel erhabener unbestreitbarer Grundsatz
der katholischen Kirche, daß sie ein wirklich göttliches Recht der Entscheidung
doch nur in der Lehre und der Verwaltung der Sacramente in Anspruch nehmen
dürfe, so daß sie in ihren äußeren Einrichtungen (äiseiMva, wozu auch die
Verfassung, also die ganze jurisclietio gehört) nicht infallibel sei. sondern ihre
äußeren Einrichtungen nach den verschiedenen Zeiten und Verhältnissen ändern
und reformiren könne, ja müsse.

Klee. Dogen. I. 143: "Der Gegenstand der unfehlbaren Autorität der
Kirche sind Christi Wahrheit und Gnade, seine Dogmen. Gebote (res üäei
et worum) und Sacramente, und alle hiermit in nothwendiger Beziehung
stehende und daher eine dogmatische Qualität anziehende Thatsachen (laco
äoFwatiea), ohne deren Feststellung nämlich die Lehre selbst nicht aufrecht er¬
halten werden könnte. -- Für alles Andere, was außerhalb dem Kreise der
von Christo übergebenen Lehre, Gebote und Sacramente liegt, kann Mangels
der ausdrücklichen Erklärung und Verheißung Christi keine Unfehlbarkett an¬
gesprochen werden."

Walter, Kirchenrecht, Aufl. 8. § 11: Jene Einheit und UnVeränder¬
lichkeit ist jedoch bloß von demjenigen zu verstehen, was die Kirche als Ueber¬
lieferung Christi bewahrt, nicht auch von den Einrichtungen, welche sie über
die Disciplin nach ihrem eigenen Ermessen festsetzt; sondern hierin zeigt
sie sich nachgiebig und beweglich, je nachdem das Leben der Völker


Besonderen falsch, da es nach katholischem Princip nur eine Frage der
Disciplin ist.

Somit entsteht die Frage: gehört der Cölibat wirklich zum
katholischen Glauben?

Es ist über allen Zweifel erhabener unbestreitbarer Grundsatz der katho¬
lischen Kirche, daß sie. wie die Entscheidung über die Lehre (Ministerium),
und die Verwaltung der Sacramente (Ministerium), so auch das Recht und
die Gewalt haben muß. alle die Einrichtungen für die äußere Gestaltung und
die äußeren Verhältnisse der Kirche und das praktisch fromme Leben der
Gläubigen überhaupt (äiseiMn-Y zu treffen, die der höchste Zweck der Kirche
fordert (potestas regimiriis s. jurisäietionis).

Klee. Dogmatik, Aufl. 1. I. 147: „Die Kirche hat allzeit eine von
Christo eingesetzte, durch die Apostel überkommene hierarchische Ordnung mit
der Vollmacht des Magisteriums, Ministeriums und Regimens in
sich gewußt."

Walter, Kirchenrecht. Aufl. 8. Z 13: „Aus dem positiven Wesen und
Zweck der Kirche ergibt sich für dieselbe eine dreifache Vollmacht, die Ver-
waltung der von Christo eingesetzten Sacramente, die Verkündigung seiner
Lehre und Handhabung der kirchlichen Disciplin."

Aber es ist ebenso über allen Zweifel erhabener unbestreitbarer Grundsatz
der katholischen Kirche, daß sie ein wirklich göttliches Recht der Entscheidung
doch nur in der Lehre und der Verwaltung der Sacramente in Anspruch nehmen
dürfe, so daß sie in ihren äußeren Einrichtungen (äiseiMva, wozu auch die
Verfassung, also die ganze jurisclietio gehört) nicht infallibel sei. sondern ihre
äußeren Einrichtungen nach den verschiedenen Zeiten und Verhältnissen ändern
und reformiren könne, ja müsse.

Klee. Dogen. I. 143: „Der Gegenstand der unfehlbaren Autorität der
Kirche sind Christi Wahrheit und Gnade, seine Dogmen. Gebote (res üäei
et worum) und Sacramente, und alle hiermit in nothwendiger Beziehung
stehende und daher eine dogmatische Qualität anziehende Thatsachen (laco
äoFwatiea), ohne deren Feststellung nämlich die Lehre selbst nicht aufrecht er¬
halten werden könnte. — Für alles Andere, was außerhalb dem Kreise der
von Christo übergebenen Lehre, Gebote und Sacramente liegt, kann Mangels
der ausdrücklichen Erklärung und Verheißung Christi keine Unfehlbarkett an¬
gesprochen werden."

Walter, Kirchenrecht, Aufl. 8. § 11: Jene Einheit und UnVeränder¬
lichkeit ist jedoch bloß von demjenigen zu verstehen, was die Kirche als Ueber¬
lieferung Christi bewahrt, nicht auch von den Einrichtungen, welche sie über
die Disciplin nach ihrem eigenen Ermessen festsetzt; sondern hierin zeigt
sie sich nachgiebig und beweglich, je nachdem das Leben der Völker


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[0411] Besonderen falsch, da es nach katholischem Princip nur eine Frage der Disciplin ist. Somit entsteht die Frage: gehört der Cölibat wirklich zum katholischen Glauben? Es ist über allen Zweifel erhabener unbestreitbarer Grundsatz der katho¬ lischen Kirche, daß sie. wie die Entscheidung über die Lehre (Ministerium), und die Verwaltung der Sacramente (Ministerium), so auch das Recht und die Gewalt haben muß. alle die Einrichtungen für die äußere Gestaltung und die äußeren Verhältnisse der Kirche und das praktisch fromme Leben der Gläubigen überhaupt (äiseiMn-Y zu treffen, die der höchste Zweck der Kirche fordert (potestas regimiriis s. jurisäietionis). Klee. Dogmatik, Aufl. 1. I. 147: „Die Kirche hat allzeit eine von Christo eingesetzte, durch die Apostel überkommene hierarchische Ordnung mit der Vollmacht des Magisteriums, Ministeriums und Regimens in sich gewußt." Walter, Kirchenrecht. Aufl. 8. Z 13: „Aus dem positiven Wesen und Zweck der Kirche ergibt sich für dieselbe eine dreifache Vollmacht, die Ver- waltung der von Christo eingesetzten Sacramente, die Verkündigung seiner Lehre und Handhabung der kirchlichen Disciplin." Aber es ist ebenso über allen Zweifel erhabener unbestreitbarer Grundsatz der katholischen Kirche, daß sie ein wirklich göttliches Recht der Entscheidung doch nur in der Lehre und der Verwaltung der Sacramente in Anspruch nehmen dürfe, so daß sie in ihren äußeren Einrichtungen (äiseiMva, wozu auch die Verfassung, also die ganze jurisclietio gehört) nicht infallibel sei. sondern ihre äußeren Einrichtungen nach den verschiedenen Zeiten und Verhältnissen ändern und reformiren könne, ja müsse. Klee. Dogen. I. 143: „Der Gegenstand der unfehlbaren Autorität der Kirche sind Christi Wahrheit und Gnade, seine Dogmen. Gebote (res üäei et worum) und Sacramente, und alle hiermit in nothwendiger Beziehung stehende und daher eine dogmatische Qualität anziehende Thatsachen (laco äoFwatiea), ohne deren Feststellung nämlich die Lehre selbst nicht aufrecht er¬ halten werden könnte. — Für alles Andere, was außerhalb dem Kreise der von Christo übergebenen Lehre, Gebote und Sacramente liegt, kann Mangels der ausdrücklichen Erklärung und Verheißung Christi keine Unfehlbarkett an¬ gesprochen werden." Walter, Kirchenrecht, Aufl. 8. § 11: Jene Einheit und UnVeränder¬ lichkeit ist jedoch bloß von demjenigen zu verstehen, was die Kirche als Ueber¬ lieferung Christi bewahrt, nicht auch von den Einrichtungen, welche sie über die Disciplin nach ihrem eigenen Ermessen festsetzt; sondern hierin zeigt sie sich nachgiebig und beweglich, je nachdem das Leben der Völker

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/411>, abgerufen am 22.07.2024.