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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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war das Geschütz, schon der Armuth der Schweizer wegen, nur schwach ver¬
treten, und namentlich die Feldartillerie wirkte bei dem noch höchst mangel¬
haften Bau der Geschütze gering. Dennoch pflegte ihr Feuer die Schlacht zu
eröffnen; nach deren Beginn hemmten die Bewegungen des eigenen Fußvolks

Wirksamkeit der Artillerie.*)

Wenn ein Auszug stattfinden sollte, fand sich die ausgehobene Mann¬
schaft am bezeichneten Tage auf dem bestimmten Sammelplatze ein. --
Die mit der Aushebung betrauten Beamten oder Räthe ließen den "Ring"
bilden, und nun wurden in feierlicher "Kriegsgemeinde" die Anführerstellen
und Kriegsbeamtungen besetzt. Diese sogenannten Kr le g s g einem d en sind
eine höchst eigenthümliche Erscheinung, welche, aus grauer Vorzeit der Ger¬
manen stammend, schon von Tacitus erwähnt werden. Sie hatten sich in
dem abgeschlossenen Gebirgslande der Waldstätte erhalten und gingen nach
Gründung der Eidgenossenschaft auch auf die andern Truppenaufgebote über.
Im 14. und Is. Jahrhundert war die Macht der Kriegsgemeinde sehr groß-
Ihr stand nicht nur die Ernennung der Anführer, sondern auch die Straf¬
gerichtsbarkeit zu; sie war es, die den Hauptleuten die Macht übertrug, und
nicht selten wurde durch Berathung in ihrem Ringe sogar der ganze Kriegs¬
plan festgestellt. Noch im 16. Jahrhundert gab die Stimmenmehrheit der
Gemeinde in solchen Fällen den Ausschlag, wo die Ansichten des Kriegsraths
getheilt waren. Nach der Ordnung der Berner von 1468 mußte der Haupt¬
mann ausdrücklich schwören: "Das Volk nicht zu weisen noch Jendt zu
führen, denn mit des Volkes Mehrentheils Wissen und Willen." Diese de¬
mokratische Macht der Kriegsgemeinde konnte natürlich nur so lange in
Geltung bleiben, als die Feldzüge der Schweizer verhältnißmäßig klein und
leicht übersichtlich blieben und als der wagliche, kühne Sinn der Knechte in
ihrer Mehrheit lebendig war und dem energischen Willen der Hauptleute
entgegenkam. Wie verderblich dennoch eine solche Macht der Gemeinde wirken
konnte, zumal wenn sie tumultarisch hervortrat, das hatte schon die Schlacht
von Se. Jakob gezeigt, und es sollte in der Folge noch oftmals hervortreten.
-- Hoch interessant aber ist die Einrichtung der Kriegsgemeinde auch deshalb,
weil sie vorbildlich wurde für das deutsche Landsknechtswesen. Unser Aus¬
druck "Gemeiner" bezeichnet ursprünglich nichts anderes als das Mitglied
einer solchen Kriegsgemeinde. -- Nachdem im Ringe der Gemeinde die Führer¬
stellen besetzt waren, wurden die Krtegsordnungen verlesen, wo es
nöthig schien, mit besondern Zusätzen versehen und dann die Hauptleute,
Söldner und Knechte in Eid genommen. Der "Hauptmann bei dem Panner"
war des Zuges oberster Hauptmann. Ihm schwor die Kriegsgemeinde, "ge-



E. v. Rode: Geschichte des Bernerischm Kriegswesens.

war das Geschütz, schon der Armuth der Schweizer wegen, nur schwach ver¬
treten, und namentlich die Feldartillerie wirkte bei dem noch höchst mangel¬
haften Bau der Geschütze gering. Dennoch pflegte ihr Feuer die Schlacht zu
eröffnen; nach deren Beginn hemmten die Bewegungen des eigenen Fußvolks

Wirksamkeit der Artillerie.*)

Wenn ein Auszug stattfinden sollte, fand sich die ausgehobene Mann¬
schaft am bezeichneten Tage auf dem bestimmten Sammelplatze ein. —
Die mit der Aushebung betrauten Beamten oder Räthe ließen den „Ring"
bilden, und nun wurden in feierlicher „Kriegsgemeinde" die Anführerstellen
und Kriegsbeamtungen besetzt. Diese sogenannten Kr le g s g einem d en sind
eine höchst eigenthümliche Erscheinung, welche, aus grauer Vorzeit der Ger¬
manen stammend, schon von Tacitus erwähnt werden. Sie hatten sich in
dem abgeschlossenen Gebirgslande der Waldstätte erhalten und gingen nach
Gründung der Eidgenossenschaft auch auf die andern Truppenaufgebote über.
Im 14. und Is. Jahrhundert war die Macht der Kriegsgemeinde sehr groß-
Ihr stand nicht nur die Ernennung der Anführer, sondern auch die Straf¬
gerichtsbarkeit zu; sie war es, die den Hauptleuten die Macht übertrug, und
nicht selten wurde durch Berathung in ihrem Ringe sogar der ganze Kriegs¬
plan festgestellt. Noch im 16. Jahrhundert gab die Stimmenmehrheit der
Gemeinde in solchen Fällen den Ausschlag, wo die Ansichten des Kriegsraths
getheilt waren. Nach der Ordnung der Berner von 1468 mußte der Haupt¬
mann ausdrücklich schwören: „Das Volk nicht zu weisen noch Jendt zu
führen, denn mit des Volkes Mehrentheils Wissen und Willen." Diese de¬
mokratische Macht der Kriegsgemeinde konnte natürlich nur so lange in
Geltung bleiben, als die Feldzüge der Schweizer verhältnißmäßig klein und
leicht übersichtlich blieben und als der wagliche, kühne Sinn der Knechte in
ihrer Mehrheit lebendig war und dem energischen Willen der Hauptleute
entgegenkam. Wie verderblich dennoch eine solche Macht der Gemeinde wirken
konnte, zumal wenn sie tumultarisch hervortrat, das hatte schon die Schlacht
von Se. Jakob gezeigt, und es sollte in der Folge noch oftmals hervortreten.
— Hoch interessant aber ist die Einrichtung der Kriegsgemeinde auch deshalb,
weil sie vorbildlich wurde für das deutsche Landsknechtswesen. Unser Aus¬
druck „Gemeiner" bezeichnet ursprünglich nichts anderes als das Mitglied
einer solchen Kriegsgemeinde. — Nachdem im Ringe der Gemeinde die Führer¬
stellen besetzt waren, wurden die Krtegsordnungen verlesen, wo es
nöthig schien, mit besondern Zusätzen versehen und dann die Hauptleute,
Söldner und Knechte in Eid genommen. Der „Hauptmann bei dem Panner"
war des Zuges oberster Hauptmann. Ihm schwor die Kriegsgemeinde, „ge-



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[0374] war das Geschütz, schon der Armuth der Schweizer wegen, nur schwach ver¬ treten, und namentlich die Feldartillerie wirkte bei dem noch höchst mangel¬ haften Bau der Geschütze gering. Dennoch pflegte ihr Feuer die Schlacht zu eröffnen; nach deren Beginn hemmten die Bewegungen des eigenen Fußvolks Wirksamkeit der Artillerie.*) Wenn ein Auszug stattfinden sollte, fand sich die ausgehobene Mann¬ schaft am bezeichneten Tage auf dem bestimmten Sammelplatze ein. — Die mit der Aushebung betrauten Beamten oder Räthe ließen den „Ring" bilden, und nun wurden in feierlicher „Kriegsgemeinde" die Anführerstellen und Kriegsbeamtungen besetzt. Diese sogenannten Kr le g s g einem d en sind eine höchst eigenthümliche Erscheinung, welche, aus grauer Vorzeit der Ger¬ manen stammend, schon von Tacitus erwähnt werden. Sie hatten sich in dem abgeschlossenen Gebirgslande der Waldstätte erhalten und gingen nach Gründung der Eidgenossenschaft auch auf die andern Truppenaufgebote über. Im 14. und Is. Jahrhundert war die Macht der Kriegsgemeinde sehr groß- Ihr stand nicht nur die Ernennung der Anführer, sondern auch die Straf¬ gerichtsbarkeit zu; sie war es, die den Hauptleuten die Macht übertrug, und nicht selten wurde durch Berathung in ihrem Ringe sogar der ganze Kriegs¬ plan festgestellt. Noch im 16. Jahrhundert gab die Stimmenmehrheit der Gemeinde in solchen Fällen den Ausschlag, wo die Ansichten des Kriegsraths getheilt waren. Nach der Ordnung der Berner von 1468 mußte der Haupt¬ mann ausdrücklich schwören: „Das Volk nicht zu weisen noch Jendt zu führen, denn mit des Volkes Mehrentheils Wissen und Willen." Diese de¬ mokratische Macht der Kriegsgemeinde konnte natürlich nur so lange in Geltung bleiben, als die Feldzüge der Schweizer verhältnißmäßig klein und leicht übersichtlich blieben und als der wagliche, kühne Sinn der Knechte in ihrer Mehrheit lebendig war und dem energischen Willen der Hauptleute entgegenkam. Wie verderblich dennoch eine solche Macht der Gemeinde wirken konnte, zumal wenn sie tumultarisch hervortrat, das hatte schon die Schlacht von Se. Jakob gezeigt, und es sollte in der Folge noch oftmals hervortreten. — Hoch interessant aber ist die Einrichtung der Kriegsgemeinde auch deshalb, weil sie vorbildlich wurde für das deutsche Landsknechtswesen. Unser Aus¬ druck „Gemeiner" bezeichnet ursprünglich nichts anderes als das Mitglied einer solchen Kriegsgemeinde. — Nachdem im Ringe der Gemeinde die Führer¬ stellen besetzt waren, wurden die Krtegsordnungen verlesen, wo es nöthig schien, mit besondern Zusätzen versehen und dann die Hauptleute, Söldner und Knechte in Eid genommen. Der „Hauptmann bei dem Panner" war des Zuges oberster Hauptmann. Ihm schwor die Kriegsgemeinde, „ge- E. v. Rode: Geschichte des Bernerischm Kriegswesens.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/374>, abgerufen am 22.07.2024.