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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Wenn nicht die ganze wehrfähige Mannschaft, sondern nur ein Theil
derselben in das Feld ziehen sollte, bestimmte das Loos die, welche zu mar¬
schieren hatten, und diese konnten sich durch einen Stellvertreter vom persön¬
lichen Kriegsdienst frei machen. Damit jedoch das Heer durch zu häufige
Stellvertretung nicht an moralischem Gehalt einbüße, erschienen zuweilen Ver¬
ordnungen, welche die Zahl der Stellvertretungen beschränkten. -- An einigen
Orten scheint übrigens die Vertheilung der Kriegspflicht nicht nach Personen,
sondern nach Feuerstellen stattgefunden zu haben, und dies erklärt den Um¬
stand, daß oft auch Greise oder Wittwen Söldner (d. h. Stellvertreter) stellen
mußten. -- Bei länger andauernden Feldzügen war es üblich, die im Felde
stehende Mannschaft zeitweise durch die zu Hause gebliebene ablösen zu
lassen. -- Um endlich bei lange andauernden, sehdeartigen Kriegen die Fa¬
milienväter zu schonen und sie nicht zu oft und zu lange ihren Heimwesen
und den häuslichen Beschäftigungen zu entziehen, wurden im 14. und dem
größten Theil des 16. Jahrhunderts aus Freiwilligen und kriegslustiger
Jünglingen oftmals die schon erwähnten Freiharste oder sogenannte "Frei¬
heiten" aufgestellt, welchen die Führung des kleinen Krieges oblag und welche
sich selbst verpflegten und keinen Sold erhielten. Auf dem Tage zu Luzern
1476 erging aber ein strenges Verbot gegen diese meist sehr zügellosen "Frei-
heits - Buben", und von da an blieb die Bildung von Freiheiten untersagt.
-- Noch 1530, als Hans Frisching zu Bern die Erlaubniß zur Errichtung
freier Fähnlein verlangte, wurde sie verweigert: "weil solche freien Knechte
den Ungehorsam pflanzen, auch alles von dannen in Aesche ufrumen und
plündern und vorab die Spys, so daß die, so bei den Zeichen synd, Mangel
leiden müssen."

Besondere Elitecorps zu bilden, war für gewöhnlich nicht üblich!
doch finden sich auch hiervon einzelne Beispiele. Eine Elite war z. B. die
Gesellschaft der "Böcke" (d. h. der Vorfechter der Heerde), welche sich im alten
Zürcherkrieg einen ehrenvollen Namen erworben hat. Es waren das 16,
später 60 durch Eidschwur verbundene Männer von außerordentlicher Kraft
und Kühnheit, welche nicht nur wie andere ihr Leben in Schlachten gering¬
schätzten, sondern von dem Heldenmuthe begeistert waren, jedes große und
kühne Wagniß zu allererst zu bestehen. Wenn die Zahl dieses Corps auch
sehr gering war, so hat dasselbe doch im Zürcherkrieg bedeutende Dienste
geleistet.

Was das Verhältniß der Waffen innerhalb des Fußvolks
betrifft, so gibt ein Neisrödel des Ortes Zürich vom Jahre 1444 folgende
Einzelheiten: -- Nach ihm stellte die Stadt zum Auszuge 639, die Landschaft
2131 Mann; der ganze Auszug zählte also 2770 Mann. Und zwar gab
die Stadt 127 Armbrustschützen, die Landschaft 331, die Stadt 45 Büchsen-


Wenn nicht die ganze wehrfähige Mannschaft, sondern nur ein Theil
derselben in das Feld ziehen sollte, bestimmte das Loos die, welche zu mar¬
schieren hatten, und diese konnten sich durch einen Stellvertreter vom persön¬
lichen Kriegsdienst frei machen. Damit jedoch das Heer durch zu häufige
Stellvertretung nicht an moralischem Gehalt einbüße, erschienen zuweilen Ver¬
ordnungen, welche die Zahl der Stellvertretungen beschränkten. — An einigen
Orten scheint übrigens die Vertheilung der Kriegspflicht nicht nach Personen,
sondern nach Feuerstellen stattgefunden zu haben, und dies erklärt den Um¬
stand, daß oft auch Greise oder Wittwen Söldner (d. h. Stellvertreter) stellen
mußten. — Bei länger andauernden Feldzügen war es üblich, die im Felde
stehende Mannschaft zeitweise durch die zu Hause gebliebene ablösen zu
lassen. — Um endlich bei lange andauernden, sehdeartigen Kriegen die Fa¬
milienväter zu schonen und sie nicht zu oft und zu lange ihren Heimwesen
und den häuslichen Beschäftigungen zu entziehen, wurden im 14. und dem
größten Theil des 16. Jahrhunderts aus Freiwilligen und kriegslustiger
Jünglingen oftmals die schon erwähnten Freiharste oder sogenannte „Frei¬
heiten" aufgestellt, welchen die Führung des kleinen Krieges oblag und welche
sich selbst verpflegten und keinen Sold erhielten. Auf dem Tage zu Luzern
1476 erging aber ein strenges Verbot gegen diese meist sehr zügellosen „Frei-
heits - Buben", und von da an blieb die Bildung von Freiheiten untersagt.
— Noch 1530, als Hans Frisching zu Bern die Erlaubniß zur Errichtung
freier Fähnlein verlangte, wurde sie verweigert: „weil solche freien Knechte
den Ungehorsam pflanzen, auch alles von dannen in Aesche ufrumen und
plündern und vorab die Spys, so daß die, so bei den Zeichen synd, Mangel
leiden müssen."

Besondere Elitecorps zu bilden, war für gewöhnlich nicht üblich!
doch finden sich auch hiervon einzelne Beispiele. Eine Elite war z. B. die
Gesellschaft der „Böcke" (d. h. der Vorfechter der Heerde), welche sich im alten
Zürcherkrieg einen ehrenvollen Namen erworben hat. Es waren das 16,
später 60 durch Eidschwur verbundene Männer von außerordentlicher Kraft
und Kühnheit, welche nicht nur wie andere ihr Leben in Schlachten gering¬
schätzten, sondern von dem Heldenmuthe begeistert waren, jedes große und
kühne Wagniß zu allererst zu bestehen. Wenn die Zahl dieses Corps auch
sehr gering war, so hat dasselbe doch im Zürcherkrieg bedeutende Dienste
geleistet.

Was das Verhältniß der Waffen innerhalb des Fußvolks
betrifft, so gibt ein Neisrödel des Ortes Zürich vom Jahre 1444 folgende
Einzelheiten: — Nach ihm stellte die Stadt zum Auszuge 639, die Landschaft
2131 Mann; der ganze Auszug zählte also 2770 Mann. Und zwar gab
die Stadt 127 Armbrustschützen, die Landschaft 331, die Stadt 45 Büchsen-


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[0372] Wenn nicht die ganze wehrfähige Mannschaft, sondern nur ein Theil derselben in das Feld ziehen sollte, bestimmte das Loos die, welche zu mar¬ schieren hatten, und diese konnten sich durch einen Stellvertreter vom persön¬ lichen Kriegsdienst frei machen. Damit jedoch das Heer durch zu häufige Stellvertretung nicht an moralischem Gehalt einbüße, erschienen zuweilen Ver¬ ordnungen, welche die Zahl der Stellvertretungen beschränkten. — An einigen Orten scheint übrigens die Vertheilung der Kriegspflicht nicht nach Personen, sondern nach Feuerstellen stattgefunden zu haben, und dies erklärt den Um¬ stand, daß oft auch Greise oder Wittwen Söldner (d. h. Stellvertreter) stellen mußten. — Bei länger andauernden Feldzügen war es üblich, die im Felde stehende Mannschaft zeitweise durch die zu Hause gebliebene ablösen zu lassen. — Um endlich bei lange andauernden, sehdeartigen Kriegen die Fa¬ milienväter zu schonen und sie nicht zu oft und zu lange ihren Heimwesen und den häuslichen Beschäftigungen zu entziehen, wurden im 14. und dem größten Theil des 16. Jahrhunderts aus Freiwilligen und kriegslustiger Jünglingen oftmals die schon erwähnten Freiharste oder sogenannte „Frei¬ heiten" aufgestellt, welchen die Führung des kleinen Krieges oblag und welche sich selbst verpflegten und keinen Sold erhielten. Auf dem Tage zu Luzern 1476 erging aber ein strenges Verbot gegen diese meist sehr zügellosen „Frei- heits - Buben", und von da an blieb die Bildung von Freiheiten untersagt. — Noch 1530, als Hans Frisching zu Bern die Erlaubniß zur Errichtung freier Fähnlein verlangte, wurde sie verweigert: „weil solche freien Knechte den Ungehorsam pflanzen, auch alles von dannen in Aesche ufrumen und plündern und vorab die Spys, so daß die, so bei den Zeichen synd, Mangel leiden müssen." Besondere Elitecorps zu bilden, war für gewöhnlich nicht üblich! doch finden sich auch hiervon einzelne Beispiele. Eine Elite war z. B. die Gesellschaft der „Böcke" (d. h. der Vorfechter der Heerde), welche sich im alten Zürcherkrieg einen ehrenvollen Namen erworben hat. Es waren das 16, später 60 durch Eidschwur verbundene Männer von außerordentlicher Kraft und Kühnheit, welche nicht nur wie andere ihr Leben in Schlachten gering¬ schätzten, sondern von dem Heldenmuthe begeistert waren, jedes große und kühne Wagniß zu allererst zu bestehen. Wenn die Zahl dieses Corps auch sehr gering war, so hat dasselbe doch im Zürcherkrieg bedeutende Dienste geleistet. Was das Verhältniß der Waffen innerhalb des Fußvolks betrifft, so gibt ein Neisrödel des Ortes Zürich vom Jahre 1444 folgende Einzelheiten: — Nach ihm stellte die Stadt zum Auszuge 639, die Landschaft 2131 Mann; der ganze Auszug zählte also 2770 Mann. Und zwar gab die Stadt 127 Armbrustschützen, die Landschaft 331, die Stadt 45 Büchsen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/372>, abgerufen am 22.07.2024.