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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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die Herrschaft Valangin. die Stadt Murten (seit 1334). die Landschaften
Samen, Oesch und Rotenbuurg. -- In der letzten Zeit hatten sich noch die
Städte Schaffhausen und Rottweil in Schwaben mit allen acht Orten auf
fünfzehn Jahre verbündet; die elsässische Reichsstadt Mühlhausen war mit
Bern in Bundesgenossenschaft.

Einige der zugewandten Orte befanden sich in dem besonderen Falle, daß
sie nicht freie Gemeinden bildeten, sondern unter der Landes- oder Schutz¬
herrlichkeit eigener Fürsten standen, deren Rechte dann in den Verträgen vor¬
behalten wurden, wie z. B. Toggenburg in Beziehung auf den Fürstabt von
Se. Gallen, Neuenburg in Hinsicht auf den Bischof von Basel. Freiburg be¬
züglich der österreichischen, später savoyischen Oberherrlichkeit*). Mit dem Frei¬
staate Graubünden, der sich eben erst in den rhätischen Gebirgen zu bilden
begann, bestand noch keine politische Verbindung; nur lose waren die Bezieh¬
ungen zu Wallis am Südfuße der bernerischen Hochalpen. Mit Savoyen
unterhielt allein Bern enge Verbindung, und unfriedlich war das Verhältniß
der drei Waldstätte zu dem Herzoge von Mailand, dem die Urner nach
wiederholtem blutigen Zwiste die Abtretung des Livinerthales abgerungen
hatten.

Das Kriegswesen war in allen Orten der schweizerischen Eidgenossenschaft
wohlgeordnet**), doch gab es kein eigentlich eidgenössisches Kriegswesen,
und bet der Beschaffenheit eines Bundes von selbständigen Staaten konnte
es keines geben. Die Mittel zum Kampfe aufzubringen, das Material an
Menschen, Pferden, Waffen, Kriegsgeräth und Ausrüstungsgegenständen zu
beschaffen, Befestigungen anzulegen, die ausgehobene Mannschaft angemessen
zu organisiren und unterhalten, blieb vollkommen den einzelnen Orten über¬
lassen. Auch die Einrichtungen des Kriegswesens waren in den verschie¬
denen Orten keineswegs die gleichen; aber sie basirten doch fast überall auf
den nämlichen Grundsätzen. Die Verschiedenheiten, welche ^hervortreten, be¬
stehen namentlich zwischen den Städtekantonen und den Bauerkantonen, wäh¬
rend zwischen den Städten selbst, trotz ihrer so verschiedenartigen aristokrati¬
schen oder demokratischen Verfassung kein namhafter Unterschied bemerkbar
wird.***)

Fassen wir zunächst die Wehrpflicht ins Auge. -- Bei dem recht¬
losen Zustande des Mittelalters, da nur die Gewalt der Waffen den Bestand





") Fast's Erdbeschreibung und Fast's schweiz. Staatsrecht.
"
) Die für die Darstellung benutzten Hauptquellen sind: Carl vonEllg er: Kriegswesen
und Kriegskunst der schweizerischen Eidgenossen im XIV., XV. und XVI, Jahrhundert.
Luzern 1873; Emanuel von Rode: Das bernerische Kriegswesen. Bern >8-t">, sowie ebm-
desscn Geschichte der Burgunderkriege.'.
Rüstow: Geschichte der Infanterie. Die Quellen Rüstows für dies Kapitel sind bes
eine Anzahl Manuscripte aus der Zeit des alten Zürichkricgcs.

die Herrschaft Valangin. die Stadt Murten (seit 1334). die Landschaften
Samen, Oesch und Rotenbuurg. — In der letzten Zeit hatten sich noch die
Städte Schaffhausen und Rottweil in Schwaben mit allen acht Orten auf
fünfzehn Jahre verbündet; die elsässische Reichsstadt Mühlhausen war mit
Bern in Bundesgenossenschaft.

Einige der zugewandten Orte befanden sich in dem besonderen Falle, daß
sie nicht freie Gemeinden bildeten, sondern unter der Landes- oder Schutz¬
herrlichkeit eigener Fürsten standen, deren Rechte dann in den Verträgen vor¬
behalten wurden, wie z. B. Toggenburg in Beziehung auf den Fürstabt von
Se. Gallen, Neuenburg in Hinsicht auf den Bischof von Basel. Freiburg be¬
züglich der österreichischen, später savoyischen Oberherrlichkeit*). Mit dem Frei¬
staate Graubünden, der sich eben erst in den rhätischen Gebirgen zu bilden
begann, bestand noch keine politische Verbindung; nur lose waren die Bezieh¬
ungen zu Wallis am Südfuße der bernerischen Hochalpen. Mit Savoyen
unterhielt allein Bern enge Verbindung, und unfriedlich war das Verhältniß
der drei Waldstätte zu dem Herzoge von Mailand, dem die Urner nach
wiederholtem blutigen Zwiste die Abtretung des Livinerthales abgerungen
hatten.

Das Kriegswesen war in allen Orten der schweizerischen Eidgenossenschaft
wohlgeordnet**), doch gab es kein eigentlich eidgenössisches Kriegswesen,
und bet der Beschaffenheit eines Bundes von selbständigen Staaten konnte
es keines geben. Die Mittel zum Kampfe aufzubringen, das Material an
Menschen, Pferden, Waffen, Kriegsgeräth und Ausrüstungsgegenständen zu
beschaffen, Befestigungen anzulegen, die ausgehobene Mannschaft angemessen
zu organisiren und unterhalten, blieb vollkommen den einzelnen Orten über¬
lassen. Auch die Einrichtungen des Kriegswesens waren in den verschie¬
denen Orten keineswegs die gleichen; aber sie basirten doch fast überall auf
den nämlichen Grundsätzen. Die Verschiedenheiten, welche ^hervortreten, be¬
stehen namentlich zwischen den Städtekantonen und den Bauerkantonen, wäh¬
rend zwischen den Städten selbst, trotz ihrer so verschiedenartigen aristokrati¬
schen oder demokratischen Verfassung kein namhafter Unterschied bemerkbar
wird.***)

Fassen wir zunächst die Wehrpflicht ins Auge. — Bei dem recht¬
losen Zustande des Mittelalters, da nur die Gewalt der Waffen den Bestand





") Fast's Erdbeschreibung und Fast's schweiz. Staatsrecht.
"
) Die für die Darstellung benutzten Hauptquellen sind: Carl vonEllg er: Kriegswesen
und Kriegskunst der schweizerischen Eidgenossen im XIV., XV. und XVI, Jahrhundert.
Luzern 1873; Emanuel von Rode: Das bernerische Kriegswesen. Bern >8-t«>, sowie ebm-
desscn Geschichte der Burgunderkriege.'.
Rüstow: Geschichte der Infanterie. Die Quellen Rüstows für dies Kapitel sind bes
eine Anzahl Manuscripte aus der Zeit des alten Zürichkricgcs.
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[0366] die Herrschaft Valangin. die Stadt Murten (seit 1334). die Landschaften Samen, Oesch und Rotenbuurg. — In der letzten Zeit hatten sich noch die Städte Schaffhausen und Rottweil in Schwaben mit allen acht Orten auf fünfzehn Jahre verbündet; die elsässische Reichsstadt Mühlhausen war mit Bern in Bundesgenossenschaft. Einige der zugewandten Orte befanden sich in dem besonderen Falle, daß sie nicht freie Gemeinden bildeten, sondern unter der Landes- oder Schutz¬ herrlichkeit eigener Fürsten standen, deren Rechte dann in den Verträgen vor¬ behalten wurden, wie z. B. Toggenburg in Beziehung auf den Fürstabt von Se. Gallen, Neuenburg in Hinsicht auf den Bischof von Basel. Freiburg be¬ züglich der österreichischen, später savoyischen Oberherrlichkeit*). Mit dem Frei¬ staate Graubünden, der sich eben erst in den rhätischen Gebirgen zu bilden begann, bestand noch keine politische Verbindung; nur lose waren die Bezieh¬ ungen zu Wallis am Südfuße der bernerischen Hochalpen. Mit Savoyen unterhielt allein Bern enge Verbindung, und unfriedlich war das Verhältniß der drei Waldstätte zu dem Herzoge von Mailand, dem die Urner nach wiederholtem blutigen Zwiste die Abtretung des Livinerthales abgerungen hatten. Das Kriegswesen war in allen Orten der schweizerischen Eidgenossenschaft wohlgeordnet**), doch gab es kein eigentlich eidgenössisches Kriegswesen, und bet der Beschaffenheit eines Bundes von selbständigen Staaten konnte es keines geben. Die Mittel zum Kampfe aufzubringen, das Material an Menschen, Pferden, Waffen, Kriegsgeräth und Ausrüstungsgegenständen zu beschaffen, Befestigungen anzulegen, die ausgehobene Mannschaft angemessen zu organisiren und unterhalten, blieb vollkommen den einzelnen Orten über¬ lassen. Auch die Einrichtungen des Kriegswesens waren in den verschie¬ denen Orten keineswegs die gleichen; aber sie basirten doch fast überall auf den nämlichen Grundsätzen. Die Verschiedenheiten, welche ^hervortreten, be¬ stehen namentlich zwischen den Städtekantonen und den Bauerkantonen, wäh¬ rend zwischen den Städten selbst, trotz ihrer so verschiedenartigen aristokrati¬ schen oder demokratischen Verfassung kein namhafter Unterschied bemerkbar wird.***) Fassen wir zunächst die Wehrpflicht ins Auge. — Bei dem recht¬ losen Zustande des Mittelalters, da nur die Gewalt der Waffen den Bestand ") Fast's Erdbeschreibung und Fast's schweiz. Staatsrecht. " ) Die für die Darstellung benutzten Hauptquellen sind: Carl vonEllg er: Kriegswesen und Kriegskunst der schweizerischen Eidgenossen im XIV., XV. und XVI, Jahrhundert. Luzern 1873; Emanuel von Rode: Das bernerische Kriegswesen. Bern >8-t«>, sowie ebm- desscn Geschichte der Burgunderkriege.'. Rüstow: Geschichte der Infanterie. Die Quellen Rüstows für dies Kapitel sind bes eine Anzahl Manuscripte aus der Zeit des alten Zürichkricgcs.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/366>, abgerufen am 24.08.2024.