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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Deckung des Defizit bis zur Berathung des Budgets für 1877 zu warten,
und gleich darauf äußerte er seine Freude, daß der Reichstag bei dem Budget
für 1875 das "schablonenhafte Vorgehen" verlassen und die Bedürfnisse zum
Theil durch Aufwendung vorhandener Bestände gedeckt; denn dadurch werde
der Reichstag lernen, sich in Zukunft an der Sorge für die Deckung der
Ausgaben zu betheiligen. In Sachsen giebt es ja wohl ein Volkslied mit
dem Refrain: wie reimt sich das zusammen? Wir fürchten sehr, ein großer
Theil des Reichstags wird sehr geneigt sein. Herrn Camphausen beim Wort
ZU nehmen und ihm zu sagen: ja wohl, trefflicher Minister, wir wollen uns
an der Sorge für die Deckung der Ausgaben jedes Jahr betheiligen, und
damit wir diese Sorge bald genug kennen lernen. wollen wir alle Bestände
so schleunig als möglich bis auf den letzten Rest aufzehren.

Weiter sagte Herr Camphausen: "Je schärfer Sie die Ausgaben limi-
tiren. desto willkommener werden sie dem Finanzminister sein." Das wird
sich der Reichstag nicht zwei Mal sagen lassen, dachten wir. Aber sogleich setzt
der Finanzminister hinzu "ohne Schädigung der Interessen des Reichs". Gewiß
der nöthigste aller Vorbehalte. Aber wenn man einen solchen Vorbehalt in
petto hat, sollte man nicht vorher streichsehnsüchtigen Reichsboten den Mund
wässrig machen durch ein Willkommen, das man ihren Streichungen entgegen¬
bringt. Aber Herr Camphausen sorgt dafür, daß das Wasser im Munde
"icht zu schnell zurückgeschluckt werden muß. durch die Worte: "damit spreche
ich nicht aus. daß jeder einzelne Titel der Militärausgaben unanfechtbar ist".
"Sehr gut" erscholl es von den Bänken des Reichstags. Ach so, erklang es
manchem Hörer.

"Und nun möchten denn doch die Steuervorlagen der Regierungen in
einem etwas andern Licht erscheinen"; damit wandte sich Herr Camphausen
zu den neuen Steuern. Wieso? müssen wir fragen. Mit einem unisono ge¬
fragten Wieso müssen wohl alle unbefangenen Leser diese Rede vom Anfang
b is zu Ende begleiten.




Weihmchtsbücherschau.

Wenn man die Novitäten des deutschen Kunstverlags und der Pracht¬
ausgaben mustert, so möchte man fast, mit freier Benutzung der letzten Bu.-
getrede Eugen Richter's, ausrufen: daß die Produktion auf diesem Gebiete
opulenter sei, als in dem großen Gründerjahre 1872. Hoffentlich halten auch
die Einnahmen der Unternehmer Schritt mit ihrem Wagemuth. Jetzt giebt


Deckung des Defizit bis zur Berathung des Budgets für 1877 zu warten,
und gleich darauf äußerte er seine Freude, daß der Reichstag bei dem Budget
für 1875 das „schablonenhafte Vorgehen" verlassen und die Bedürfnisse zum
Theil durch Aufwendung vorhandener Bestände gedeckt; denn dadurch werde
der Reichstag lernen, sich in Zukunft an der Sorge für die Deckung der
Ausgaben zu betheiligen. In Sachsen giebt es ja wohl ein Volkslied mit
dem Refrain: wie reimt sich das zusammen? Wir fürchten sehr, ein großer
Theil des Reichstags wird sehr geneigt sein. Herrn Camphausen beim Wort
ZU nehmen und ihm zu sagen: ja wohl, trefflicher Minister, wir wollen uns
an der Sorge für die Deckung der Ausgaben jedes Jahr betheiligen, und
damit wir diese Sorge bald genug kennen lernen. wollen wir alle Bestände
so schleunig als möglich bis auf den letzten Rest aufzehren.

Weiter sagte Herr Camphausen: „Je schärfer Sie die Ausgaben limi-
tiren. desto willkommener werden sie dem Finanzminister sein." Das wird
sich der Reichstag nicht zwei Mal sagen lassen, dachten wir. Aber sogleich setzt
der Finanzminister hinzu „ohne Schädigung der Interessen des Reichs". Gewiß
der nöthigste aller Vorbehalte. Aber wenn man einen solchen Vorbehalt in
petto hat, sollte man nicht vorher streichsehnsüchtigen Reichsboten den Mund
wässrig machen durch ein Willkommen, das man ihren Streichungen entgegen¬
bringt. Aber Herr Camphausen sorgt dafür, daß das Wasser im Munde
"icht zu schnell zurückgeschluckt werden muß. durch die Worte: „damit spreche
ich nicht aus. daß jeder einzelne Titel der Militärausgaben unanfechtbar ist".
"Sehr gut" erscholl es von den Bänken des Reichstags. Ach so, erklang es
manchem Hörer.

„Und nun möchten denn doch die Steuervorlagen der Regierungen in
einem etwas andern Licht erscheinen"; damit wandte sich Herr Camphausen
zu den neuen Steuern. Wieso? müssen wir fragen. Mit einem unisono ge¬
fragten Wieso müssen wohl alle unbefangenen Leser diese Rede vom Anfang
b is zu Ende begleiten.




Weihmchtsbücherschau.

Wenn man die Novitäten des deutschen Kunstverlags und der Pracht¬
ausgaben mustert, so möchte man fast, mit freier Benutzung der letzten Bu.-
getrede Eugen Richter's, ausrufen: daß die Produktion auf diesem Gebiete
opulenter sei, als in dem großen Gründerjahre 1872. Hoffentlich halten auch
die Einnahmen der Unternehmer Schritt mit ihrem Wagemuth. Jetzt giebt


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[0359] Deckung des Defizit bis zur Berathung des Budgets für 1877 zu warten, und gleich darauf äußerte er seine Freude, daß der Reichstag bei dem Budget für 1875 das „schablonenhafte Vorgehen" verlassen und die Bedürfnisse zum Theil durch Aufwendung vorhandener Bestände gedeckt; denn dadurch werde der Reichstag lernen, sich in Zukunft an der Sorge für die Deckung der Ausgaben zu betheiligen. In Sachsen giebt es ja wohl ein Volkslied mit dem Refrain: wie reimt sich das zusammen? Wir fürchten sehr, ein großer Theil des Reichstags wird sehr geneigt sein. Herrn Camphausen beim Wort ZU nehmen und ihm zu sagen: ja wohl, trefflicher Minister, wir wollen uns an der Sorge für die Deckung der Ausgaben jedes Jahr betheiligen, und damit wir diese Sorge bald genug kennen lernen. wollen wir alle Bestände so schleunig als möglich bis auf den letzten Rest aufzehren. Weiter sagte Herr Camphausen: „Je schärfer Sie die Ausgaben limi- tiren. desto willkommener werden sie dem Finanzminister sein." Das wird sich der Reichstag nicht zwei Mal sagen lassen, dachten wir. Aber sogleich setzt der Finanzminister hinzu „ohne Schädigung der Interessen des Reichs". Gewiß der nöthigste aller Vorbehalte. Aber wenn man einen solchen Vorbehalt in petto hat, sollte man nicht vorher streichsehnsüchtigen Reichsboten den Mund wässrig machen durch ein Willkommen, das man ihren Streichungen entgegen¬ bringt. Aber Herr Camphausen sorgt dafür, daß das Wasser im Munde "icht zu schnell zurückgeschluckt werden muß. durch die Worte: „damit spreche ich nicht aus. daß jeder einzelne Titel der Militärausgaben unanfechtbar ist". "Sehr gut" erscholl es von den Bänken des Reichstags. Ach so, erklang es manchem Hörer. „Und nun möchten denn doch die Steuervorlagen der Regierungen in einem etwas andern Licht erscheinen"; damit wandte sich Herr Camphausen zu den neuen Steuern. Wieso? müssen wir fragen. Mit einem unisono ge¬ fragten Wieso müssen wohl alle unbefangenen Leser diese Rede vom Anfang b is zu Ende begleiten. Weihmchtsbücherschau. Wenn man die Novitäten des deutschen Kunstverlags und der Pracht¬ ausgaben mustert, so möchte man fast, mit freier Benutzung der letzten Bu.- getrede Eugen Richter's, ausrufen: daß die Produktion auf diesem Gebiete opulenter sei, als in dem großen Gründerjahre 1872. Hoffentlich halten auch die Einnahmen der Unternehmer Schritt mit ihrem Wagemuth. Jetzt giebt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/359>, abgerufen am 26.06.2024.