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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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und Husum dänischen Unterricht und zwar Flensburg in der mit dem Gym¬
nasium verbundenen Realschule facultativ in 3 Abtheilungen zu 2 Stunden,
in der Gymnasialsecunda obligatorisch mit 3 Stunden, in O. Prima mit
1 Stunde, Hadersleben durch alle Classen mit je 2 Stunden obligatorisch,
Schleswig (Domschule) in der Gymnasialprima und -secunda mit je 2 Stunden
(oblig.), in der 2. und 3. Realclasse mit je 2 Stunden (facult.), Husum*)
in den beiden Oberclassen ebenfalls mit je 2 Stunden (oblig.). Von der
Verwendung des Dänischen als Unterrichtssprache oder von einem zwei
sprachigen Jahresbericht ist naturgemäß keine Rede.

Bei der Beurtheilung der deutschen Politik gegenüber der im deutschen
Reichsgebiete vorhandenen fremden Nationalitäten wird man die aus der vor¬
stehenden Skizze ersichtliche Behandlung der Sprachverhältnisse an den höheren
Schulen als einen gewichtigen Factor mit in Rechnung zu ziehen haben. So
wenig die deutsche Verwaltung darauf ausgeht, fremdes Volt'slhum gewalt¬
sam zu unterdrücken, so wenig verkennt sie die Culturmission, die das Deutsch-
thum heute wie seit Jahrhunderten im slawischen Osten zu erfüllen hat.
Wie sie deshalb den Sprachen der nichtdeutschen Nationalitäten, selbst denen
der kleinsten Bruchtheile, wie der Wenden und Litthauer, deren völlige Ger-
manisirung nur eine Frage der Zeit sein kann, in den vom Staate geleiteten
Anstalten eine hinlängliche Pflege angedeihen läßt, so sorgt sie durch die Ver-
Wendung des Deutschen als der hauptsächlichsten oder alleinigen Unterrichts¬
sprache, daß den unter deutscher Herrschaft stehenden fremden Volksgenossen
der Zugang zur deutschen Cultur eröffnet werde, d. i. für die überwiegende
Mehrzahl derselben zur Cultur überhaupt. Wird dadurch -- was die Polen
immerhin beklagen mögen -- die Entnationalistrung und Germanisirung dieser
slawischen Trümmer beschleunigt, so vollzieht sich nur ein weiteres Stadium
des Prozesses, dem viele Millionen Slawen schon -- zu ihrem eignen Heile --
"legen sind. Der deutsche Staat aber hat sicherlich nicht den Beruf diesen
vor langen Jahrhunderten begonnenen Entwicklungsgang aufzuhalten, und
einen Stegeslauf deutscher Gesittung zu hemmen, der in allererster Linie auf
^ cultureller Ueberlegenheit unseres Volksthums beruht und nicht auf der
^acht Otto Kaemmel. unserer Waffen.





') Diese Anstalt ward 1851 als Gelehrtenschule von den Dänen ganz unterdrückt und erst
wieder erneuert. Wiese II. 350.

und Husum dänischen Unterricht und zwar Flensburg in der mit dem Gym¬
nasium verbundenen Realschule facultativ in 3 Abtheilungen zu 2 Stunden,
in der Gymnasialsecunda obligatorisch mit 3 Stunden, in O. Prima mit
1 Stunde, Hadersleben durch alle Classen mit je 2 Stunden obligatorisch,
Schleswig (Domschule) in der Gymnasialprima und -secunda mit je 2 Stunden
(oblig.), in der 2. und 3. Realclasse mit je 2 Stunden (facult.), Husum*)
in den beiden Oberclassen ebenfalls mit je 2 Stunden (oblig.). Von der
Verwendung des Dänischen als Unterrichtssprache oder von einem zwei
sprachigen Jahresbericht ist naturgemäß keine Rede.

Bei der Beurtheilung der deutschen Politik gegenüber der im deutschen
Reichsgebiete vorhandenen fremden Nationalitäten wird man die aus der vor¬
stehenden Skizze ersichtliche Behandlung der Sprachverhältnisse an den höheren
Schulen als einen gewichtigen Factor mit in Rechnung zu ziehen haben. So
wenig die deutsche Verwaltung darauf ausgeht, fremdes Volt'slhum gewalt¬
sam zu unterdrücken, so wenig verkennt sie die Culturmission, die das Deutsch-
thum heute wie seit Jahrhunderten im slawischen Osten zu erfüllen hat.
Wie sie deshalb den Sprachen der nichtdeutschen Nationalitäten, selbst denen
der kleinsten Bruchtheile, wie der Wenden und Litthauer, deren völlige Ger-
manisirung nur eine Frage der Zeit sein kann, in den vom Staate geleiteten
Anstalten eine hinlängliche Pflege angedeihen läßt, so sorgt sie durch die Ver-
Wendung des Deutschen als der hauptsächlichsten oder alleinigen Unterrichts¬
sprache, daß den unter deutscher Herrschaft stehenden fremden Volksgenossen
der Zugang zur deutschen Cultur eröffnet werde, d. i. für die überwiegende
Mehrzahl derselben zur Cultur überhaupt. Wird dadurch — was die Polen
immerhin beklagen mögen — die Entnationalistrung und Germanisirung dieser
slawischen Trümmer beschleunigt, so vollzieht sich nur ein weiteres Stadium
des Prozesses, dem viele Millionen Slawen schon — zu ihrem eignen Heile —
"legen sind. Der deutsche Staat aber hat sicherlich nicht den Beruf diesen
vor langen Jahrhunderten begonnenen Entwicklungsgang aufzuhalten, und
einen Stegeslauf deutscher Gesittung zu hemmen, der in allererster Linie auf
^ cultureller Ueberlegenheit unseres Volksthums beruht und nicht auf der
^acht Otto Kaemmel. unserer Waffen.





') Diese Anstalt ward 1851 als Gelehrtenschule von den Dänen ganz unterdrückt und erst
wieder erneuert. Wiese II. 350.
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[0035] und Husum dänischen Unterricht und zwar Flensburg in der mit dem Gym¬ nasium verbundenen Realschule facultativ in 3 Abtheilungen zu 2 Stunden, in der Gymnasialsecunda obligatorisch mit 3 Stunden, in O. Prima mit 1 Stunde, Hadersleben durch alle Classen mit je 2 Stunden obligatorisch, Schleswig (Domschule) in der Gymnasialprima und -secunda mit je 2 Stunden (oblig.), in der 2. und 3. Realclasse mit je 2 Stunden (facult.), Husum*) in den beiden Oberclassen ebenfalls mit je 2 Stunden (oblig.). Von der Verwendung des Dänischen als Unterrichtssprache oder von einem zwei sprachigen Jahresbericht ist naturgemäß keine Rede. Bei der Beurtheilung der deutschen Politik gegenüber der im deutschen Reichsgebiete vorhandenen fremden Nationalitäten wird man die aus der vor¬ stehenden Skizze ersichtliche Behandlung der Sprachverhältnisse an den höheren Schulen als einen gewichtigen Factor mit in Rechnung zu ziehen haben. So wenig die deutsche Verwaltung darauf ausgeht, fremdes Volt'slhum gewalt¬ sam zu unterdrücken, so wenig verkennt sie die Culturmission, die das Deutsch- thum heute wie seit Jahrhunderten im slawischen Osten zu erfüllen hat. Wie sie deshalb den Sprachen der nichtdeutschen Nationalitäten, selbst denen der kleinsten Bruchtheile, wie der Wenden und Litthauer, deren völlige Ger- manisirung nur eine Frage der Zeit sein kann, in den vom Staate geleiteten Anstalten eine hinlängliche Pflege angedeihen läßt, so sorgt sie durch die Ver- Wendung des Deutschen als der hauptsächlichsten oder alleinigen Unterrichts¬ sprache, daß den unter deutscher Herrschaft stehenden fremden Volksgenossen der Zugang zur deutschen Cultur eröffnet werde, d. i. für die überwiegende Mehrzahl derselben zur Cultur überhaupt. Wird dadurch — was die Polen immerhin beklagen mögen — die Entnationalistrung und Germanisirung dieser slawischen Trümmer beschleunigt, so vollzieht sich nur ein weiteres Stadium des Prozesses, dem viele Millionen Slawen schon — zu ihrem eignen Heile — "legen sind. Der deutsche Staat aber hat sicherlich nicht den Beruf diesen vor langen Jahrhunderten begonnenen Entwicklungsgang aufzuhalten, und einen Stegeslauf deutscher Gesittung zu hemmen, der in allererster Linie auf ^ cultureller Ueberlegenheit unseres Volksthums beruht und nicht auf der ^acht Otto Kaemmel. unserer Waffen. ') Diese Anstalt ward 1851 als Gelehrtenschule von den Dänen ganz unterdrückt und erst wieder erneuert. Wiese II. 350.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/35>, abgerufen am 24.08.2024.