Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.hat, und legt dem Kaiser dabei Motive unter, die wir auch dann nicht wie¬ Wir kommen zum Schluß. Wenn das Ganze nicht ein bloßer krank¬ Allerdings giebt es noch eine Möglichkeit. Der Graf könnte mit vollem M. B. Dom preußischen Landtag. Von den Verhandlungen dieser Woche ist nur die erste Berathung eines hat, und legt dem Kaiser dabei Motive unter, die wir auch dann nicht wie¬ Wir kommen zum Schluß. Wenn das Ganze nicht ein bloßer krank¬ Allerdings giebt es noch eine Möglichkeit. Der Graf könnte mit vollem M. B. Dom preußischen Landtag. Von den Verhandlungen dieser Woche ist nur die erste Berathung eines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134665"/> <p xml:id="ID_963" prev="#ID_962"> hat, und legt dem Kaiser dabei Motive unter, die wir auch dann nicht wie¬<lb/> derholen würden, wenn wir könnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_964"> Wir kommen zum Schluß. Wenn das Ganze nicht ein bloßer krank¬<lb/> hafter Wuthausbruch. nicht das sich zum Selbstzweck habende Toben eines<lb/> gedemüthigten Hochmüthigen ist, so muß es einen bestimmten Zweck haben.<lb/> Graf Arnim ist ein Politiker, und politisch handeln heißt zweckvoll handeln.<lb/> Von obigem Fall abgesehen, konnte er, so sollte man meinen, wohl nur die<lb/> Absicht verfolgen, sich vor dem Publicum zu rehabilitiren und sich nach<lb/> andrer Seite hin wenigstens einigermaßen wieder möglich zu machen.<lb/> Aber wenn er auch überzeugt hätte, daß sein Verhalten als Botschafter nicht<lb/> in allen Stufen den Tadel verdient, der ihm von der Wilhelmsstraße zu Theil<lb/> geworden ist, auch wenn wir ihn nun wirklich für den seinen Kopf halten<lb/> dürften, der er vor dem Spiegel seiner Phantasie ist, — nach den Leidenschaft¬<lb/> lichkeiten, die er massenhaft in seine Vertheidigung einsticht, müßten wir von<lb/> dieser verhältnißmäßig guten Meinung wieder zurücktreten. Die erste Tugend<lb/> des Diplomaten ist Selbstbeherrschung. Graf Arnim aber besitzt nach dieser<lb/> Schrift hiervon nicht ein Quentchen. Das Gericht hat ihn zu ein paar Mo¬<lb/> naten Einsperrung verurtheilt. Er hat sich mit dieser Schandschrift selbst<lb/> weiter gestraft, sich an den Pranger gestellt, sich für alle Zeiten und Umstände<lb/> unmöglich gemacht. Und das will ein guter Diplomat gewesen sein!</p><lb/> <p xml:id="ID_965"> Allerdings giebt es noch eine Möglichkeit. Der Graf könnte mit vollem<lb/> Bewußtsein und kühlem Kopfe seine einstigen Vorgesetzten (außer dem Fürsten<lb/> Bismarck auch den Staatssecretär v. Bülow) und selbst den Kaiser beleidigt<lb/> haben. Er könnte — und das ist seiner Eitelkeit wohl zuzutrauen — sich<lb/> mit einem großen Skandal, gewissermaßen in Feuerwerksbeleuchtung, für immer<lb/> von der Bühne zurückzuziehen beabsichtigt haben. Dann danken wir ihm von<lb/> Herzen — nicht für den Skandal, aber für den ewigen Abschied. Il^dhat sibi!</p><lb/> <note type="byline"> M. B.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Dom preußischen Landtag.</head><lb/> <p xml:id="ID_966" next="#ID_967"> Von den Verhandlungen dieser Woche ist nur die erste Berathung eines<lb/> Abänderungsgesetzes über die Einrichtung des Invalidenfonds erwähnenswert!),<lb/> welche in den Sitzungen vom 9. und 10. November stattfand. Das Gesetz<lb/> über die Gründung und Verwaltung des Reichsinvalidenfonds trägt das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
hat, und legt dem Kaiser dabei Motive unter, die wir auch dann nicht wie¬
derholen würden, wenn wir könnten.
Wir kommen zum Schluß. Wenn das Ganze nicht ein bloßer krank¬
hafter Wuthausbruch. nicht das sich zum Selbstzweck habende Toben eines
gedemüthigten Hochmüthigen ist, so muß es einen bestimmten Zweck haben.
Graf Arnim ist ein Politiker, und politisch handeln heißt zweckvoll handeln.
Von obigem Fall abgesehen, konnte er, so sollte man meinen, wohl nur die
Absicht verfolgen, sich vor dem Publicum zu rehabilitiren und sich nach
andrer Seite hin wenigstens einigermaßen wieder möglich zu machen.
Aber wenn er auch überzeugt hätte, daß sein Verhalten als Botschafter nicht
in allen Stufen den Tadel verdient, der ihm von der Wilhelmsstraße zu Theil
geworden ist, auch wenn wir ihn nun wirklich für den seinen Kopf halten
dürften, der er vor dem Spiegel seiner Phantasie ist, — nach den Leidenschaft¬
lichkeiten, die er massenhaft in seine Vertheidigung einsticht, müßten wir von
dieser verhältnißmäßig guten Meinung wieder zurücktreten. Die erste Tugend
des Diplomaten ist Selbstbeherrschung. Graf Arnim aber besitzt nach dieser
Schrift hiervon nicht ein Quentchen. Das Gericht hat ihn zu ein paar Mo¬
naten Einsperrung verurtheilt. Er hat sich mit dieser Schandschrift selbst
weiter gestraft, sich an den Pranger gestellt, sich für alle Zeiten und Umstände
unmöglich gemacht. Und das will ein guter Diplomat gewesen sein!
Allerdings giebt es noch eine Möglichkeit. Der Graf könnte mit vollem
Bewußtsein und kühlem Kopfe seine einstigen Vorgesetzten (außer dem Fürsten
Bismarck auch den Staatssecretär v. Bülow) und selbst den Kaiser beleidigt
haben. Er könnte — und das ist seiner Eitelkeit wohl zuzutrauen — sich
mit einem großen Skandal, gewissermaßen in Feuerwerksbeleuchtung, für immer
von der Bühne zurückzuziehen beabsichtigt haben. Dann danken wir ihm von
Herzen — nicht für den Skandal, aber für den ewigen Abschied. Il^dhat sibi!
M. B.
Dom preußischen Landtag.
Von den Verhandlungen dieser Woche ist nur die erste Berathung eines
Abänderungsgesetzes über die Einrichtung des Invalidenfonds erwähnenswert!),
welche in den Sitzungen vom 9. und 10. November stattfand. Das Gesetz
über die Gründung und Verwaltung des Reichsinvalidenfonds trägt das
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