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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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haben dürfen, weil dies wider die Gesetze sei." Von der vierten Erde aber
berichtet er u. A.- "Als einst ein Geist, der auf unsrer Erde Vorsteher und
Prediger gewesen, bei den Menschen war, welche Kleider tragen -- es giebt
dort nämlich auch unbekleidete Menschen -- erschien eine Jungfrau mit äußerst
schönem Angesicht, sie trug ein schlichtes Kleid, der Nock hing wohlanständig
hinten herab, und die Arme waren bedeckt, ihr Kopfputz war sehr schön in
Gestalt eines Blumenkranzes. Als der Geist diese Jungfrau gesehen, gefiel
sie ihm, und er redete mit ihr und nahm sie bei der Hand. Da sie aber
merkte, daß er ein Geist und nicht von ihrer Erde war, schlich sie sich von
ihm weg. Darauf erschienen ihm zur Rechten mehrere andere Frauensperso¬
nen, welche Schafe und Lämmer weideten, die sie dann zur Tränke führten,
sie waren wie jene gekleidet und hatten Hirtenstäbe in den Händen. Die
Gesichter der Weiber waren rund und schön, die der Männer fleischfarbig,
nur mit dem Unterschied, daß der äußere Theil ihres Angesichts schwarz, die
Nase aber mehr schneeweiß als fleischfarben war."

Natürlich in sehr anderm Stil und Geist erklärte sich Voltaire in seinem
"Mikromegas" und seinen philosophischen Fragmenten für eine Mehrheit be¬
wohnter Welten. Ihm reihen sich Buffon in seinen "Epochen der Natur",
Condillac in seiner "Logik", Diderot und die hauptsächlichsten Mitarbeiter an
der "Encyklopädie" ungeachtet des Ausspruchs d'Alembert's: "Man weiß
nichts darüber," ferner Immanuel Kant in seiner "Allgemeinen Naturge¬
schichte des Himmels", dann die Astronomen Bode in seinen "Betrachtungen
des Weltalls", Lalande, Laplace, William Herrsche!, Brewster. endlich die
Dichter Marmontel, Bernardin de Saint-Pierre, Uoung und Thompson an;
auch die Schule der Fourieristen erging sich in allerlei zum Theil sehr selt¬
samen Speculationen über diesen Gegenstand.

Der Vater der neuesten Deutschen Philosophie äußerte sich in dem an¬
geführten, 1755 erschienenen Werke folgendermaßen: "Der Stoff, woraus
die Einwohner verschiedener Planeten, ja sogar die Thiere und Gewächse
auf denselben gebildet sind, muß überhaupt um desto leichterer und feinerer
Art und die Elasticität der Fasern sammt der vortheilhaften Anlage ihres
Baues um desto vollkommener sein, nach dem Maße als sie weiter von der
Sonne abstehen." -- Dann: "Wir werden mit mehr als wahrscheinlicher
Vermuthung schließen können, daß die Trefflichkeit der denkenden Naturen,
die Hurtigkeit in ihren Vorstellungen, die Deutlichkeit und die Lebhaftigkeit
der Begriffe, die sie durch äußerlichen Eindruck bekommen, sammt dem Ver¬
mögen , sie zusammenzusetzen, endlich auch die Behendigkeit in der wirklichen
Ausübung, kurz der ganze Umfang ihrer Vollkommenheit unter einer ge'
wissen Negel stehen, nach welcher dieselben nach dem Verhältniß des Ab-
standes ihrer Wohnplätze von der Sonne immer trefflicher und vollkommener


haben dürfen, weil dies wider die Gesetze sei." Von der vierten Erde aber
berichtet er u. A.- „Als einst ein Geist, der auf unsrer Erde Vorsteher und
Prediger gewesen, bei den Menschen war, welche Kleider tragen — es giebt
dort nämlich auch unbekleidete Menschen — erschien eine Jungfrau mit äußerst
schönem Angesicht, sie trug ein schlichtes Kleid, der Nock hing wohlanständig
hinten herab, und die Arme waren bedeckt, ihr Kopfputz war sehr schön in
Gestalt eines Blumenkranzes. Als der Geist diese Jungfrau gesehen, gefiel
sie ihm, und er redete mit ihr und nahm sie bei der Hand. Da sie aber
merkte, daß er ein Geist und nicht von ihrer Erde war, schlich sie sich von
ihm weg. Darauf erschienen ihm zur Rechten mehrere andere Frauensperso¬
nen, welche Schafe und Lämmer weideten, die sie dann zur Tränke führten,
sie waren wie jene gekleidet und hatten Hirtenstäbe in den Händen. Die
Gesichter der Weiber waren rund und schön, die der Männer fleischfarbig,
nur mit dem Unterschied, daß der äußere Theil ihres Angesichts schwarz, die
Nase aber mehr schneeweiß als fleischfarben war."

Natürlich in sehr anderm Stil und Geist erklärte sich Voltaire in seinem
„Mikromegas" und seinen philosophischen Fragmenten für eine Mehrheit be¬
wohnter Welten. Ihm reihen sich Buffon in seinen „Epochen der Natur",
Condillac in seiner „Logik", Diderot und die hauptsächlichsten Mitarbeiter an
der „Encyklopädie" ungeachtet des Ausspruchs d'Alembert's: „Man weiß
nichts darüber," ferner Immanuel Kant in seiner „Allgemeinen Naturge¬
schichte des Himmels", dann die Astronomen Bode in seinen „Betrachtungen
des Weltalls", Lalande, Laplace, William Herrsche!, Brewster. endlich die
Dichter Marmontel, Bernardin de Saint-Pierre, Uoung und Thompson an;
auch die Schule der Fourieristen erging sich in allerlei zum Theil sehr selt¬
samen Speculationen über diesen Gegenstand.

Der Vater der neuesten Deutschen Philosophie äußerte sich in dem an¬
geführten, 1755 erschienenen Werke folgendermaßen: „Der Stoff, woraus
die Einwohner verschiedener Planeten, ja sogar die Thiere und Gewächse
auf denselben gebildet sind, muß überhaupt um desto leichterer und feinerer
Art und die Elasticität der Fasern sammt der vortheilhaften Anlage ihres
Baues um desto vollkommener sein, nach dem Maße als sie weiter von der
Sonne abstehen." — Dann: „Wir werden mit mehr als wahrscheinlicher
Vermuthung schließen können, daß die Trefflichkeit der denkenden Naturen,
die Hurtigkeit in ihren Vorstellungen, die Deutlichkeit und die Lebhaftigkeit
der Begriffe, die sie durch äußerlichen Eindruck bekommen, sammt dem Ver¬
mögen , sie zusammenzusetzen, endlich auch die Behendigkeit in der wirklichen
Ausübung, kurz der ganze Umfang ihrer Vollkommenheit unter einer ge'
wissen Negel stehen, nach welcher dieselben nach dem Verhältniß des Ab-
standes ihrer Wohnplätze von der Sonne immer trefflicher und vollkommener


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[0306] haben dürfen, weil dies wider die Gesetze sei." Von der vierten Erde aber berichtet er u. A.- „Als einst ein Geist, der auf unsrer Erde Vorsteher und Prediger gewesen, bei den Menschen war, welche Kleider tragen — es giebt dort nämlich auch unbekleidete Menschen — erschien eine Jungfrau mit äußerst schönem Angesicht, sie trug ein schlichtes Kleid, der Nock hing wohlanständig hinten herab, und die Arme waren bedeckt, ihr Kopfputz war sehr schön in Gestalt eines Blumenkranzes. Als der Geist diese Jungfrau gesehen, gefiel sie ihm, und er redete mit ihr und nahm sie bei der Hand. Da sie aber merkte, daß er ein Geist und nicht von ihrer Erde war, schlich sie sich von ihm weg. Darauf erschienen ihm zur Rechten mehrere andere Frauensperso¬ nen, welche Schafe und Lämmer weideten, die sie dann zur Tränke führten, sie waren wie jene gekleidet und hatten Hirtenstäbe in den Händen. Die Gesichter der Weiber waren rund und schön, die der Männer fleischfarbig, nur mit dem Unterschied, daß der äußere Theil ihres Angesichts schwarz, die Nase aber mehr schneeweiß als fleischfarben war." Natürlich in sehr anderm Stil und Geist erklärte sich Voltaire in seinem „Mikromegas" und seinen philosophischen Fragmenten für eine Mehrheit be¬ wohnter Welten. Ihm reihen sich Buffon in seinen „Epochen der Natur", Condillac in seiner „Logik", Diderot und die hauptsächlichsten Mitarbeiter an der „Encyklopädie" ungeachtet des Ausspruchs d'Alembert's: „Man weiß nichts darüber," ferner Immanuel Kant in seiner „Allgemeinen Naturge¬ schichte des Himmels", dann die Astronomen Bode in seinen „Betrachtungen des Weltalls", Lalande, Laplace, William Herrsche!, Brewster. endlich die Dichter Marmontel, Bernardin de Saint-Pierre, Uoung und Thompson an; auch die Schule der Fourieristen erging sich in allerlei zum Theil sehr selt¬ samen Speculationen über diesen Gegenstand. Der Vater der neuesten Deutschen Philosophie äußerte sich in dem an¬ geführten, 1755 erschienenen Werke folgendermaßen: „Der Stoff, woraus die Einwohner verschiedener Planeten, ja sogar die Thiere und Gewächse auf denselben gebildet sind, muß überhaupt um desto leichterer und feinerer Art und die Elasticität der Fasern sammt der vortheilhaften Anlage ihres Baues um desto vollkommener sein, nach dem Maße als sie weiter von der Sonne abstehen." — Dann: „Wir werden mit mehr als wahrscheinlicher Vermuthung schließen können, daß die Trefflichkeit der denkenden Naturen, die Hurtigkeit in ihren Vorstellungen, die Deutlichkeit und die Lebhaftigkeit der Begriffe, die sie durch äußerlichen Eindruck bekommen, sammt dem Ver¬ mögen , sie zusammenzusetzen, endlich auch die Behendigkeit in der wirklichen Ausübung, kurz der ganze Umfang ihrer Vollkommenheit unter einer ge' wissen Negel stehen, nach welcher dieselben nach dem Verhältniß des Ab- standes ihrer Wohnplätze von der Sonne immer trefflicher und vollkommener

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/306>, abgerufen am 22.07.2024.