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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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überzeugten Muselmann, dem Sabbathaj Zevi oder irgend einem seiner
Freunde etwas zu Leide zu thun, widrigenfalls er ihm -- ein hübscher Ein¬
fall des Sendboten Adonajs -- Eselsohren wachsen lassen werde. Da der
Kadi natürlich diesen Kopfschmuck nicht wünschte, verbot er am nächsten
Morgen bei schwerer Strafe seinen Leuten jede Belästigung der Juden.

So ging denn die Thorheit der verblendeten Judenheit ihren Gang
weiter und schwoll zu immer größeren Dimensionen an. Man überließ sich
dem Nichtsthun, aß auf, was man hatte, und verkaufte dann Haus und Hof,
Gefäß und Geräth an die Türken und Griechen, die ja doch, wenn die Welt¬
herrschaft der Juden errichtet war, Alles umsonst wieder herausgeben mußten.
Wer von Haus aus arm war, mußte inzwischen von den reichen Glaubens¬
genossen gespeist werden. Ferner kam über das Volk Gottes in der Levante
in diesen Tagen eine wahre Heirathswuth, die wohl den Zweck verfolgte,
dem Messias ein recht zahlreiches Volk für sein Königreich zu schaffen. Alle
Welt heirathete, Manche nahmen sich vermuthlich auch zwei und mehr Weiber,
da die spanisch redenden Juden, unter denen die Bewegung vorzugsweise
spielte, das von Rabbi Gerschom durchgesetzte Verbot der Polygamie nicht wie
die Brüder in Aschkenas (im Norden) respectiren. Selbst Kinder von zehn
Jahren wurden zu Eheleuten gemacht. In Smyrna gab es keine Hochzeit,
keine Beschneidung, die der Messias nicht mit seiner Gegenwart geehrt hätte.
Bei solchen Gelegenheiten bedeckte man die Straßen, durch die er zu gehen
hatte, mit kostbaren Teppichen. Er aber schritt bescheiden neben ihnen hin.
Welch ein demüthiger Messias! rief jubelnd das entzückte Volk.

Neben den sanguinischen Anhängern des Messias gab es aber auch solche
von melancholischen Temperament, und während jene ihn durch Lustbarkeiten
feierten, huldigten diese ihm durch Kasteiung ihrer Leiber. Die Einen fasteten
ihm zu Ehren bis zu sieben Tagen, ohne einen Bissen oder Tropfen zu sich
zu nehmen, so daß mehrere starben. Andere geißelten sich mit Peitschen und
dornigen Ruthen bis aufs Blut. Wieder Andere tröpfelten sich heißes Wachs
auf ihr Fleisch. Noch Andere ließen sich nackt bis an den Mund in Erde
ein graben.

Wehe dem, der an Sabbathaj's Sendung zu zweifeln wagte. Man blies
das Horn Schophar über ihm, zum Zeichen, daß er dem großen Banne ver¬
fallen, kein rechtlicher Jude durfte mehr mit ihm verkehren, und er hatte von
Glück zu sagen, wenn ihn die Fanatiker nicht in Stücke rissen. Ein gewisser
Pennia, der sich nicht ganz taktfest im Glauben an den neuen Messias be¬
wiesen, wäre beinahe diesem Schicksal verfallen, entkam aber und bekehrte sich
dann, ja seine Tochter wurde eine der Prophetinnen Sabbathaj's, deren in
diesem tollen Jahre allein zu Smyrna Hunderte erstanden.

Im Herbste 1666 ernannte der Messias die angesehensten Juden Smyr-


überzeugten Muselmann, dem Sabbathaj Zevi oder irgend einem seiner
Freunde etwas zu Leide zu thun, widrigenfalls er ihm — ein hübscher Ein¬
fall des Sendboten Adonajs — Eselsohren wachsen lassen werde. Da der
Kadi natürlich diesen Kopfschmuck nicht wünschte, verbot er am nächsten
Morgen bei schwerer Strafe seinen Leuten jede Belästigung der Juden.

So ging denn die Thorheit der verblendeten Judenheit ihren Gang
weiter und schwoll zu immer größeren Dimensionen an. Man überließ sich
dem Nichtsthun, aß auf, was man hatte, und verkaufte dann Haus und Hof,
Gefäß und Geräth an die Türken und Griechen, die ja doch, wenn die Welt¬
herrschaft der Juden errichtet war, Alles umsonst wieder herausgeben mußten.
Wer von Haus aus arm war, mußte inzwischen von den reichen Glaubens¬
genossen gespeist werden. Ferner kam über das Volk Gottes in der Levante
in diesen Tagen eine wahre Heirathswuth, die wohl den Zweck verfolgte,
dem Messias ein recht zahlreiches Volk für sein Königreich zu schaffen. Alle
Welt heirathete, Manche nahmen sich vermuthlich auch zwei und mehr Weiber,
da die spanisch redenden Juden, unter denen die Bewegung vorzugsweise
spielte, das von Rabbi Gerschom durchgesetzte Verbot der Polygamie nicht wie
die Brüder in Aschkenas (im Norden) respectiren. Selbst Kinder von zehn
Jahren wurden zu Eheleuten gemacht. In Smyrna gab es keine Hochzeit,
keine Beschneidung, die der Messias nicht mit seiner Gegenwart geehrt hätte.
Bei solchen Gelegenheiten bedeckte man die Straßen, durch die er zu gehen
hatte, mit kostbaren Teppichen. Er aber schritt bescheiden neben ihnen hin.
Welch ein demüthiger Messias! rief jubelnd das entzückte Volk.

Neben den sanguinischen Anhängern des Messias gab es aber auch solche
von melancholischen Temperament, und während jene ihn durch Lustbarkeiten
feierten, huldigten diese ihm durch Kasteiung ihrer Leiber. Die Einen fasteten
ihm zu Ehren bis zu sieben Tagen, ohne einen Bissen oder Tropfen zu sich
zu nehmen, so daß mehrere starben. Andere geißelten sich mit Peitschen und
dornigen Ruthen bis aufs Blut. Wieder Andere tröpfelten sich heißes Wachs
auf ihr Fleisch. Noch Andere ließen sich nackt bis an den Mund in Erde
ein graben.

Wehe dem, der an Sabbathaj's Sendung zu zweifeln wagte. Man blies
das Horn Schophar über ihm, zum Zeichen, daß er dem großen Banne ver¬
fallen, kein rechtlicher Jude durfte mehr mit ihm verkehren, und er hatte von
Glück zu sagen, wenn ihn die Fanatiker nicht in Stücke rissen. Ein gewisser
Pennia, der sich nicht ganz taktfest im Glauben an den neuen Messias be¬
wiesen, wäre beinahe diesem Schicksal verfallen, entkam aber und bekehrte sich
dann, ja seine Tochter wurde eine der Prophetinnen Sabbathaj's, deren in
diesem tollen Jahre allein zu Smyrna Hunderte erstanden.

Im Herbste 1666 ernannte der Messias die angesehensten Juden Smyr-


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[0297] überzeugten Muselmann, dem Sabbathaj Zevi oder irgend einem seiner Freunde etwas zu Leide zu thun, widrigenfalls er ihm — ein hübscher Ein¬ fall des Sendboten Adonajs — Eselsohren wachsen lassen werde. Da der Kadi natürlich diesen Kopfschmuck nicht wünschte, verbot er am nächsten Morgen bei schwerer Strafe seinen Leuten jede Belästigung der Juden. So ging denn die Thorheit der verblendeten Judenheit ihren Gang weiter und schwoll zu immer größeren Dimensionen an. Man überließ sich dem Nichtsthun, aß auf, was man hatte, und verkaufte dann Haus und Hof, Gefäß und Geräth an die Türken und Griechen, die ja doch, wenn die Welt¬ herrschaft der Juden errichtet war, Alles umsonst wieder herausgeben mußten. Wer von Haus aus arm war, mußte inzwischen von den reichen Glaubens¬ genossen gespeist werden. Ferner kam über das Volk Gottes in der Levante in diesen Tagen eine wahre Heirathswuth, die wohl den Zweck verfolgte, dem Messias ein recht zahlreiches Volk für sein Königreich zu schaffen. Alle Welt heirathete, Manche nahmen sich vermuthlich auch zwei und mehr Weiber, da die spanisch redenden Juden, unter denen die Bewegung vorzugsweise spielte, das von Rabbi Gerschom durchgesetzte Verbot der Polygamie nicht wie die Brüder in Aschkenas (im Norden) respectiren. Selbst Kinder von zehn Jahren wurden zu Eheleuten gemacht. In Smyrna gab es keine Hochzeit, keine Beschneidung, die der Messias nicht mit seiner Gegenwart geehrt hätte. Bei solchen Gelegenheiten bedeckte man die Straßen, durch die er zu gehen hatte, mit kostbaren Teppichen. Er aber schritt bescheiden neben ihnen hin. Welch ein demüthiger Messias! rief jubelnd das entzückte Volk. Neben den sanguinischen Anhängern des Messias gab es aber auch solche von melancholischen Temperament, und während jene ihn durch Lustbarkeiten feierten, huldigten diese ihm durch Kasteiung ihrer Leiber. Die Einen fasteten ihm zu Ehren bis zu sieben Tagen, ohne einen Bissen oder Tropfen zu sich zu nehmen, so daß mehrere starben. Andere geißelten sich mit Peitschen und dornigen Ruthen bis aufs Blut. Wieder Andere tröpfelten sich heißes Wachs auf ihr Fleisch. Noch Andere ließen sich nackt bis an den Mund in Erde ein graben. Wehe dem, der an Sabbathaj's Sendung zu zweifeln wagte. Man blies das Horn Schophar über ihm, zum Zeichen, daß er dem großen Banne ver¬ fallen, kein rechtlicher Jude durfte mehr mit ihm verkehren, und er hatte von Glück zu sagen, wenn ihn die Fanatiker nicht in Stücke rissen. Ein gewisser Pennia, der sich nicht ganz taktfest im Glauben an den neuen Messias be¬ wiesen, wäre beinahe diesem Schicksal verfallen, entkam aber und bekehrte sich dann, ja seine Tochter wurde eine der Prophetinnen Sabbathaj's, deren in diesem tollen Jahre allein zu Smyrna Hunderte erstanden. Im Herbste 1666 ernannte der Messias die angesehensten Juden Smyr-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/297>, abgerufen am 25.08.2024.