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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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ehrers steht; die erste ist physisch, die zweite menschlich und die dritte wird
metaphysisch im Himmel, thierisch auf Erden."

Bei den Beschreibungen hat sich der Verfasser bemüht, möglichst nur
solche Töne und Bilder anzuwenden, welche der Sprache in den vedischen
Hymnen eigen sind, und sorgfältig alle Farben zu vermeiden, die nicht alt-
mdisch waren, um auch dadurch den Leser gewissermaßen in die Zeit des
Ursprungs der vedischen Mythen zu versetzen. In den Worterklärungen und
Auslegungen der Mythen ist er häufig von dem hergebrachten Wege abge¬
wichen, und hat namentlich in den Vorlesungen über das Wasser, das Feuer,
den Wind, über Indra, Brcchman und die Acrin ganz neue Untersuchungen
angestellt, welche ein wesentlich anderes Licht über die betreffenden Mythen
werfen. Ob er dabei immer das Richtige getroffen, müssen wir dem Urtheil
Derer überlassen, welche sich ausschließlich mit dem Text der Beden beschäftigt
haben. Jedenfalls ist es dem Verfasser schon als nicht geringes Verdienst
anzurechnen, daß er selbst in den Fällen, wo er sich geirrt haben sollte, die
Aufmerksamkeit der Forscher auf die Stellen gelenkt hat, die entweder noch
mißverstanden worden sind, oder wenigstens Anlaß zu verschiedenen Deutungen
geben können. Bevor nicht das ganze zu einer vergleichenden Mythologie der
into-europäischen Völker nöthige Material vorliegt, kann ohnedem nicht von
einer endgültigen Sicherstellung der bisherigen Annahmen die Rede sein, da
dieselben durch jede neue Sammlung von Sagen, Märchen und Glaubens-
Meinungen eines Stammes schwankend werden können. Was wir aber dahin
Gehöriges in den verschiedenen Literaturen der Germanen, Slaven, Kelten
und Romanen besitzen, hat de Gubernatis mit wahrhaft staunenswerthen
Reiß benutzt und mit großer Gewandtheit zu seinen scharfsinnigen Combr,
Nationen verwendet.

In der ersten Vorlesung wird das Problem gelöst: gab es zuerst einen
Gott oder mehrere Götter? Die ursprüngliche Bedeutung des vedischen Aus¬
drucks für Gott, I)evÄ8, beweist, daß man anfangs das Himmelsgewölbe
selbst als hell und glänzend dafür ansah, und es erst später zum Wohnsitz
von mehreren Göttern machte, die sich aus den Veränderungen und Natur¬
erscheinungen, welche man am Himmel beobachtete, ergaben. Der Himmel
mit seinen verschiedenen Namen und Gestaltungen ist daher der Gegenstand
der zweiten Vorlesung. Die dritte behandelt "die Morgenröthe", welche in
den vedischen Hymnen bald als prächtiges, rein physisches Phänomen, bald
in Frauengestalt als schönes Mädchen, als Tänzerin oder als Heldin, bald
als Göttin, welche "aufweckt" und "erleuchtet", dargestellt wird.

Die vierte Vorlesung beschäftigt sich mit der "Sonne", dem glanz¬
vollsten und mächtigsten Gestirn des Himmels, welchem die Erdenbewohner
Licht, Wärme und Fruchtbarkeit des Bodens verdanken. Zu ihrer Bezeichnung


ehrers steht; die erste ist physisch, die zweite menschlich und die dritte wird
metaphysisch im Himmel, thierisch auf Erden."

Bei den Beschreibungen hat sich der Verfasser bemüht, möglichst nur
solche Töne und Bilder anzuwenden, welche der Sprache in den vedischen
Hymnen eigen sind, und sorgfältig alle Farben zu vermeiden, die nicht alt-
mdisch waren, um auch dadurch den Leser gewissermaßen in die Zeit des
Ursprungs der vedischen Mythen zu versetzen. In den Worterklärungen und
Auslegungen der Mythen ist er häufig von dem hergebrachten Wege abge¬
wichen, und hat namentlich in den Vorlesungen über das Wasser, das Feuer,
den Wind, über Indra, Brcchman und die Acrin ganz neue Untersuchungen
angestellt, welche ein wesentlich anderes Licht über die betreffenden Mythen
werfen. Ob er dabei immer das Richtige getroffen, müssen wir dem Urtheil
Derer überlassen, welche sich ausschließlich mit dem Text der Beden beschäftigt
haben. Jedenfalls ist es dem Verfasser schon als nicht geringes Verdienst
anzurechnen, daß er selbst in den Fällen, wo er sich geirrt haben sollte, die
Aufmerksamkeit der Forscher auf die Stellen gelenkt hat, die entweder noch
mißverstanden worden sind, oder wenigstens Anlaß zu verschiedenen Deutungen
geben können. Bevor nicht das ganze zu einer vergleichenden Mythologie der
into-europäischen Völker nöthige Material vorliegt, kann ohnedem nicht von
einer endgültigen Sicherstellung der bisherigen Annahmen die Rede sein, da
dieselben durch jede neue Sammlung von Sagen, Märchen und Glaubens-
Meinungen eines Stammes schwankend werden können. Was wir aber dahin
Gehöriges in den verschiedenen Literaturen der Germanen, Slaven, Kelten
und Romanen besitzen, hat de Gubernatis mit wahrhaft staunenswerthen
Reiß benutzt und mit großer Gewandtheit zu seinen scharfsinnigen Combr,
Nationen verwendet.

In der ersten Vorlesung wird das Problem gelöst: gab es zuerst einen
Gott oder mehrere Götter? Die ursprüngliche Bedeutung des vedischen Aus¬
drucks für Gott, I)evÄ8, beweist, daß man anfangs das Himmelsgewölbe
selbst als hell und glänzend dafür ansah, und es erst später zum Wohnsitz
von mehreren Göttern machte, die sich aus den Veränderungen und Natur¬
erscheinungen, welche man am Himmel beobachtete, ergaben. Der Himmel
mit seinen verschiedenen Namen und Gestaltungen ist daher der Gegenstand
der zweiten Vorlesung. Die dritte behandelt „die Morgenröthe", welche in
den vedischen Hymnen bald als prächtiges, rein physisches Phänomen, bald
in Frauengestalt als schönes Mädchen, als Tänzerin oder als Heldin, bald
als Göttin, welche „aufweckt" und „erleuchtet", dargestellt wird.

Die vierte Vorlesung beschäftigt sich mit der „Sonne", dem glanz¬
vollsten und mächtigsten Gestirn des Himmels, welchem die Erdenbewohner
Licht, Wärme und Fruchtbarkeit des Bodens verdanken. Zu ihrer Bezeichnung


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[0267] ehrers steht; die erste ist physisch, die zweite menschlich und die dritte wird metaphysisch im Himmel, thierisch auf Erden." Bei den Beschreibungen hat sich der Verfasser bemüht, möglichst nur solche Töne und Bilder anzuwenden, welche der Sprache in den vedischen Hymnen eigen sind, und sorgfältig alle Farben zu vermeiden, die nicht alt- mdisch waren, um auch dadurch den Leser gewissermaßen in die Zeit des Ursprungs der vedischen Mythen zu versetzen. In den Worterklärungen und Auslegungen der Mythen ist er häufig von dem hergebrachten Wege abge¬ wichen, und hat namentlich in den Vorlesungen über das Wasser, das Feuer, den Wind, über Indra, Brcchman und die Acrin ganz neue Untersuchungen angestellt, welche ein wesentlich anderes Licht über die betreffenden Mythen werfen. Ob er dabei immer das Richtige getroffen, müssen wir dem Urtheil Derer überlassen, welche sich ausschließlich mit dem Text der Beden beschäftigt haben. Jedenfalls ist es dem Verfasser schon als nicht geringes Verdienst anzurechnen, daß er selbst in den Fällen, wo er sich geirrt haben sollte, die Aufmerksamkeit der Forscher auf die Stellen gelenkt hat, die entweder noch mißverstanden worden sind, oder wenigstens Anlaß zu verschiedenen Deutungen geben können. Bevor nicht das ganze zu einer vergleichenden Mythologie der into-europäischen Völker nöthige Material vorliegt, kann ohnedem nicht von einer endgültigen Sicherstellung der bisherigen Annahmen die Rede sein, da dieselben durch jede neue Sammlung von Sagen, Märchen und Glaubens- Meinungen eines Stammes schwankend werden können. Was wir aber dahin Gehöriges in den verschiedenen Literaturen der Germanen, Slaven, Kelten und Romanen besitzen, hat de Gubernatis mit wahrhaft staunenswerthen Reiß benutzt und mit großer Gewandtheit zu seinen scharfsinnigen Combr, Nationen verwendet. In der ersten Vorlesung wird das Problem gelöst: gab es zuerst einen Gott oder mehrere Götter? Die ursprüngliche Bedeutung des vedischen Aus¬ drucks für Gott, I)evÄ8, beweist, daß man anfangs das Himmelsgewölbe selbst als hell und glänzend dafür ansah, und es erst später zum Wohnsitz von mehreren Göttern machte, die sich aus den Veränderungen und Natur¬ erscheinungen, welche man am Himmel beobachtete, ergaben. Der Himmel mit seinen verschiedenen Namen und Gestaltungen ist daher der Gegenstand der zweiten Vorlesung. Die dritte behandelt „die Morgenröthe", welche in den vedischen Hymnen bald als prächtiges, rein physisches Phänomen, bald in Frauengestalt als schönes Mädchen, als Tänzerin oder als Heldin, bald als Göttin, welche „aufweckt" und „erleuchtet", dargestellt wird. Die vierte Vorlesung beschäftigt sich mit der „Sonne", dem glanz¬ vollsten und mächtigsten Gestirn des Himmels, welchem die Erdenbewohner Licht, Wärme und Fruchtbarkeit des Bodens verdanken. Zu ihrer Bezeichnung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/267>, abgerufen am 22.07.2024.