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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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deutschen Stammes, und diese vertheilen sich obendrein auf nur wenige Land¬
schaften. Indessen erscheint für diese die Frage als immerhin wichtig genug,
ist auch deshalb gelegentlich durch allgemeine Bestimmungen geregelt worden.
Diese haben jedoch eine große Mannigfaltigkeit der Verhältnisse nicht gehin¬
dert, und so bietet sich denn ein ziemlich buntes Bild. Ein solches soll hier
zunächst von den norddeutschen Gymnasien aufgestellt werden. Die elsässisch-
lothringischen Verhältnisse werden hier nicht berührt, da sie auf ganz anderer
Grundlage wie die übrigen beruhen, auch noch kaum als endgiltig abge¬
schlossen gelten können. Zu Grunde gelegt aber soll der Stand von Ostern
1874 werden, da bei der bis jetzt bestehenden Einrichtung des Programmen¬
tausches, in dem fast alle norddeutschen Gymnasien mit einander stehen, die
Programme von 1875 noch nicht zu meiner Kenntniß gelangt sein konnten,
die einschneidenden Veränderungen aber fast nur vor dem angegebenen Ter¬
mine erfolgt sind.

Wir haben in Norddeutschland Bruchstücke von 6 fremden Nationalitäten
(wenn man von der schwachen wallonischen Niederlassung in der Rheinpro¬
vinz um Malmedy) absieht), nämlich der polnischen (2,460,000 E.), wendisch,
serbischen (140,000 E,), tschechischen (30,000 E.), lithauischen (180,000 E.) und
dänischen (130,000 E.), also 2,790.000 Seelen slavisch-litthauischen und 150.000
skandinavischen Stammes. Die Polen, ihrer Zahl und Bedeutung nach die
stärkste fremde Nationalität auf deutschem Neichsboden, vertheilen sich be¬
kanntlich auf drei Provinzen. Ost- und Westpreußen, Polen, Oberschlesien;
die Wenden haben sich in der Ober- und Nieder-Lausitz preußischen wie säch¬
sischen Antheils behauptet, die Tschechen greifen in geringer Stärke von Böhmen
und Mähren her nach Oberschlesien und Glatz über, die Litthauer bewohnen
von deutschen Sprachinseln vielfach durchsetzt, die nordöstliche Ecke Ostpreußens
und stützen sich dabei auf ein ausgedehntes Hinterland gleicher Nationalität,
die Dänen endlich sitzen noch in beträchtlicher Zahl im nördlichen Schleswig.
Wir wenden uns zunächst zu den Landschaften, in denen die Slaven und
Litthauer einen mehr oder weniger beträchtlichen Bruchtheil der Bevölkerung
bilden.

Gerade für die deutsch-polnischen Lande haben allgemeine Verfügungen
die Verhältnisse fest zu regeln gesucht. Die cultusministerielle Instruction
vom 24. Mai 1842 bestimmte für die katholischen (d. h. die wesentlich von Polen
besuchten) Gymnasien Posens, an denen die Schüler polnischen Stammes über¬
wogen, daß für die drei unteren Classen als Haupt-Unterrichtssprache das Polnische
anzuwenden, von Tertia an dagegen etwa ^/z der Lectionen in deuscher, ^/z in
polnischer Sprache zu ertheilen sei; außerdem sollten der katholische Religions¬
unterricht, das Hebräische, sowie polnische Sprache und Literatur in polnischer
Sprache gelehrt, auch das Polnische als Gegenstand besonderen Wissenschaft-


deutschen Stammes, und diese vertheilen sich obendrein auf nur wenige Land¬
schaften. Indessen erscheint für diese die Frage als immerhin wichtig genug,
ist auch deshalb gelegentlich durch allgemeine Bestimmungen geregelt worden.
Diese haben jedoch eine große Mannigfaltigkeit der Verhältnisse nicht gehin¬
dert, und so bietet sich denn ein ziemlich buntes Bild. Ein solches soll hier
zunächst von den norddeutschen Gymnasien aufgestellt werden. Die elsässisch-
lothringischen Verhältnisse werden hier nicht berührt, da sie auf ganz anderer
Grundlage wie die übrigen beruhen, auch noch kaum als endgiltig abge¬
schlossen gelten können. Zu Grunde gelegt aber soll der Stand von Ostern
1874 werden, da bei der bis jetzt bestehenden Einrichtung des Programmen¬
tausches, in dem fast alle norddeutschen Gymnasien mit einander stehen, die
Programme von 1875 noch nicht zu meiner Kenntniß gelangt sein konnten,
die einschneidenden Veränderungen aber fast nur vor dem angegebenen Ter¬
mine erfolgt sind.

Wir haben in Norddeutschland Bruchstücke von 6 fremden Nationalitäten
(wenn man von der schwachen wallonischen Niederlassung in der Rheinpro¬
vinz um Malmedy) absieht), nämlich der polnischen (2,460,000 E.), wendisch,
serbischen (140,000 E,), tschechischen (30,000 E.), lithauischen (180,000 E.) und
dänischen (130,000 E.), also 2,790.000 Seelen slavisch-litthauischen und 150.000
skandinavischen Stammes. Die Polen, ihrer Zahl und Bedeutung nach die
stärkste fremde Nationalität auf deutschem Neichsboden, vertheilen sich be¬
kanntlich auf drei Provinzen. Ost- und Westpreußen, Polen, Oberschlesien;
die Wenden haben sich in der Ober- und Nieder-Lausitz preußischen wie säch¬
sischen Antheils behauptet, die Tschechen greifen in geringer Stärke von Böhmen
und Mähren her nach Oberschlesien und Glatz über, die Litthauer bewohnen
von deutschen Sprachinseln vielfach durchsetzt, die nordöstliche Ecke Ostpreußens
und stützen sich dabei auf ein ausgedehntes Hinterland gleicher Nationalität,
die Dänen endlich sitzen noch in beträchtlicher Zahl im nördlichen Schleswig.
Wir wenden uns zunächst zu den Landschaften, in denen die Slaven und
Litthauer einen mehr oder weniger beträchtlichen Bruchtheil der Bevölkerung
bilden.

Gerade für die deutsch-polnischen Lande haben allgemeine Verfügungen
die Verhältnisse fest zu regeln gesucht. Die cultusministerielle Instruction
vom 24. Mai 1842 bestimmte für die katholischen (d. h. die wesentlich von Polen
besuchten) Gymnasien Posens, an denen die Schüler polnischen Stammes über¬
wogen, daß für die drei unteren Classen als Haupt-Unterrichtssprache das Polnische
anzuwenden, von Tertia an dagegen etwa ^/z der Lectionen in deuscher, ^/z in
polnischer Sprache zu ertheilen sei; außerdem sollten der katholische Religions¬
unterricht, das Hebräische, sowie polnische Sprache und Literatur in polnischer
Sprache gelehrt, auch das Polnische als Gegenstand besonderen Wissenschaft-


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[0026] deutschen Stammes, und diese vertheilen sich obendrein auf nur wenige Land¬ schaften. Indessen erscheint für diese die Frage als immerhin wichtig genug, ist auch deshalb gelegentlich durch allgemeine Bestimmungen geregelt worden. Diese haben jedoch eine große Mannigfaltigkeit der Verhältnisse nicht gehin¬ dert, und so bietet sich denn ein ziemlich buntes Bild. Ein solches soll hier zunächst von den norddeutschen Gymnasien aufgestellt werden. Die elsässisch- lothringischen Verhältnisse werden hier nicht berührt, da sie auf ganz anderer Grundlage wie die übrigen beruhen, auch noch kaum als endgiltig abge¬ schlossen gelten können. Zu Grunde gelegt aber soll der Stand von Ostern 1874 werden, da bei der bis jetzt bestehenden Einrichtung des Programmen¬ tausches, in dem fast alle norddeutschen Gymnasien mit einander stehen, die Programme von 1875 noch nicht zu meiner Kenntniß gelangt sein konnten, die einschneidenden Veränderungen aber fast nur vor dem angegebenen Ter¬ mine erfolgt sind. Wir haben in Norddeutschland Bruchstücke von 6 fremden Nationalitäten (wenn man von der schwachen wallonischen Niederlassung in der Rheinpro¬ vinz um Malmedy) absieht), nämlich der polnischen (2,460,000 E.), wendisch, serbischen (140,000 E,), tschechischen (30,000 E.), lithauischen (180,000 E.) und dänischen (130,000 E.), also 2,790.000 Seelen slavisch-litthauischen und 150.000 skandinavischen Stammes. Die Polen, ihrer Zahl und Bedeutung nach die stärkste fremde Nationalität auf deutschem Neichsboden, vertheilen sich be¬ kanntlich auf drei Provinzen. Ost- und Westpreußen, Polen, Oberschlesien; die Wenden haben sich in der Ober- und Nieder-Lausitz preußischen wie säch¬ sischen Antheils behauptet, die Tschechen greifen in geringer Stärke von Böhmen und Mähren her nach Oberschlesien und Glatz über, die Litthauer bewohnen von deutschen Sprachinseln vielfach durchsetzt, die nordöstliche Ecke Ostpreußens und stützen sich dabei auf ein ausgedehntes Hinterland gleicher Nationalität, die Dänen endlich sitzen noch in beträchtlicher Zahl im nördlichen Schleswig. Wir wenden uns zunächst zu den Landschaften, in denen die Slaven und Litthauer einen mehr oder weniger beträchtlichen Bruchtheil der Bevölkerung bilden. Gerade für die deutsch-polnischen Lande haben allgemeine Verfügungen die Verhältnisse fest zu regeln gesucht. Die cultusministerielle Instruction vom 24. Mai 1842 bestimmte für die katholischen (d. h. die wesentlich von Polen besuchten) Gymnasien Posens, an denen die Schüler polnischen Stammes über¬ wogen, daß für die drei unteren Classen als Haupt-Unterrichtssprache das Polnische anzuwenden, von Tertia an dagegen etwa ^/z der Lectionen in deuscher, ^/z in polnischer Sprache zu ertheilen sei; außerdem sollten der katholische Religions¬ unterricht, das Hebräische, sowie polnische Sprache und Literatur in polnischer Sprache gelehrt, auch das Polnische als Gegenstand besonderen Wissenschaft-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/26>, abgerufen am 24.08.2024.