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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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begraben wird, denn leider bleiben die ausgezeichnetsten Werke dieser Art lie-
gen, weil die Clavierspieler unserer Zeit immer mehr den Geschmack des
Guten verlieren." Ebenso steht auf einem losen Blatt im Besitz des Kunst¬
händlers Artaria in Wien, das unter Skizzen zu den Bagatellen Op. 126
liegt, die ja ebendamals entstanden, von Beethoven's Hand: "Gar keine Cla-
Viersachen als Conzerte, andere blos wenn ich darum angegangen werde." --
"Quintett in L moll für Fortepiano und Clarinett Violoncelli Horn Fagott
LvnxÄ sono-r s?j it L1ö,vie"mbg,1o missrabilc!."

Wir- wissen von einem "Quintett für Flöte" und vernehmen auch
von K. Holz, daß Beethoven das Clavier ein "ungenügendes Instrument"
nannte.

Andrerseits lagen für Quartettcomposition schon bestimmte Entwürfe vor.
Am 16. Juli 1823 heißt es zu F. Ries in London: "Ich schreibe ebenfalls
ein neues Violin-Quartett. Könnte man dieses den Londoner musikalischen
oder unmusikalischen Juden wohl anbieten?" Ein kleines Skizzenheft Arta-
ria's aber, dessen letztes Blatt die Worte "Brüder -- Flügel" zeigt, enthält Ent¬
würfe zum 1. 2. und 3. Satz des ersten der letzten Quartett's Op. 127, unter
denen zugleich steht "Quartett für Peters". Es war also schon im Sommer
1822, wo mit Peters auch wegen eines Quartetts verhandelt ward und die
erste Idee zum Finale der Neunten Symphonie kam, dieses Werk erdacht worden,
und namentlich auch das wundervolle Adagio eben dafür bestimmt, das später
einmal in eine der vierhändigen Sonaten sollte. Im Sommer 1823 ward denn
auch daran weiter gearbeitet. Um das Ende von 1823 aber, in den gleichen
Tagen, wo das "Teufelsmädchen", die später so berühmte Caroline Unger
ihn aufs neue besucht, ist der Musikhändler Malb. Artaria -- nicht zu ver¬
wechseln mit Artaria Comp. -- ebenfalls bei ihm gewesen und hat Vor¬
schläge wegen der Gesammtausgabe seiner Werke gethan. Dabei fragt der¬
selbe: "Wie sieht es denn aus mit dem Quartett aus ^ moll?" d. h. mit
Op. 132, dem 2. der Quartette für Galitzin. Und in der Jahreswende weiß
der Referent der A. M. Z. sogar von 2 neuen Quartetten, die Beethoven
"vollendet" habe. Es war also auch dieses Op. 132 schon während der Arbeit
an der "Neunten" projectirt oder gar ausgedacht und mag daher den Keim
schmerzvollster Leidenschaft überkommen haben, der sich jetzt freilich zu einer
Tragik entfaltete, wie sie selbst die Symphonie kaum ernster und energischer
zeigt. Während anderseits das Adagio von Op. 127 aus dem gleichen Him-
melsfcioen mit dem Adagio der Symphonie gesponnen ist und in dem stets
vertiefter wiederkehrenden Nitornell seiner sehnsuchtsvoll gezogenen Haupt'
melodie ganz jenes thränenvolle Zusammensinken in das eigene nur zu mensch¬
liche Ich hat. das in der Nebenmelodie des Adagios der Symphonie auch


begraben wird, denn leider bleiben die ausgezeichnetsten Werke dieser Art lie-
gen, weil die Clavierspieler unserer Zeit immer mehr den Geschmack des
Guten verlieren." Ebenso steht auf einem losen Blatt im Besitz des Kunst¬
händlers Artaria in Wien, das unter Skizzen zu den Bagatellen Op. 126
liegt, die ja ebendamals entstanden, von Beethoven's Hand: „Gar keine Cla-
Viersachen als Conzerte, andere blos wenn ich darum angegangen werde." —
„Quintett in L moll für Fortepiano und Clarinett Violoncelli Horn Fagott
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Wir- wissen von einem „Quintett für Flöte" und vernehmen auch
von K. Holz, daß Beethoven das Clavier ein „ungenügendes Instrument"
nannte.

Andrerseits lagen für Quartettcomposition schon bestimmte Entwürfe vor.
Am 16. Juli 1823 heißt es zu F. Ries in London: „Ich schreibe ebenfalls
ein neues Violin-Quartett. Könnte man dieses den Londoner musikalischen
oder unmusikalischen Juden wohl anbieten?" Ein kleines Skizzenheft Arta-
ria's aber, dessen letztes Blatt die Worte „Brüder — Flügel" zeigt, enthält Ent¬
würfe zum 1. 2. und 3. Satz des ersten der letzten Quartett's Op. 127, unter
denen zugleich steht „Quartett für Peters". Es war also schon im Sommer
1822, wo mit Peters auch wegen eines Quartetts verhandelt ward und die
erste Idee zum Finale der Neunten Symphonie kam, dieses Werk erdacht worden,
und namentlich auch das wundervolle Adagio eben dafür bestimmt, das später
einmal in eine der vierhändigen Sonaten sollte. Im Sommer 1823 ward denn
auch daran weiter gearbeitet. Um das Ende von 1823 aber, in den gleichen
Tagen, wo das „Teufelsmädchen", die später so berühmte Caroline Unger
ihn aufs neue besucht, ist der Musikhändler Malb. Artaria — nicht zu ver¬
wechseln mit Artaria Comp. — ebenfalls bei ihm gewesen und hat Vor¬
schläge wegen der Gesammtausgabe seiner Werke gethan. Dabei fragt der¬
selbe: „Wie sieht es denn aus mit dem Quartett aus ^ moll?" d. h. mit
Op. 132, dem 2. der Quartette für Galitzin. Und in der Jahreswende weiß
der Referent der A. M. Z. sogar von 2 neuen Quartetten, die Beethoven
„vollendet" habe. Es war also auch dieses Op. 132 schon während der Arbeit
an der „Neunten" projectirt oder gar ausgedacht und mag daher den Keim
schmerzvollster Leidenschaft überkommen haben, der sich jetzt freilich zu einer
Tragik entfaltete, wie sie selbst die Symphonie kaum ernster und energischer
zeigt. Während anderseits das Adagio von Op. 127 aus dem gleichen Him-
melsfcioen mit dem Adagio der Symphonie gesponnen ist und in dem stets
vertiefter wiederkehrenden Nitornell seiner sehnsuchtsvoll gezogenen Haupt'
melodie ganz jenes thränenvolle Zusammensinken in das eigene nur zu mensch¬
liche Ich hat. das in der Nebenmelodie des Adagios der Symphonie auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/208>, abgerufen am 22.07.2024.