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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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allen Umständen seinen mächtigen Einfluß auf sie würde geltend machen kön¬
nen, ganz gleich, ob er durch die Spalten eines Blattes, durch das Mund¬
stück einer sogenannten "Interview", bei einem Banket oder von der Redner¬
bühne einer Volksversammlung sprechen würde. "Einfacher Privatmann",
sagt der bezeichnete Correspondent, "wie Schurz doch jetzt wieder ist, durfte
er nur von Europa zurückkehren und sich bereit erklären, die Lippen zu öffnen,
um auch sofort wieder der Mann des Tages zu sein. Wie sehr auch der Senat
seiner bedürfen mag (und schon die nächste Sitzung des Kongresses wird zeigen,
was dieses "wie sehr" eigentlich bedeutet), Karl Schurz bedarf des Senates
nicht. Und zum Glück bedarf auch die Oeffentlichkeit seiner nicht im Senate.
Sie weiß, wo sie den unerschrockenen, nicht nur die Fülle staatsmännischer
Weisheit, sondern auch das Prinzip unantastbarer Ehrenhaftigkeit in der
Politik darstellenden Mann zu finden hat, wenn sie seiner bedarf. Und sie
wird ihn finden! Aber noch Eins hat dem Eintritt von Schurz in den
Wahlkampf Ohios ein ganz besonderes Interesse verliehen. Mit kaum min¬
derer Spannung, als seinem Erfolge in der brennenden Geldfrage, um die
es sich dabei handelt, sah man der Erklärung des Ex-Senators über seine
Persönliche Stellung zu den beiden Parteien entgegen. Zwar konnte von einer
Gemeinsamkeit mit den Demokraten von vorn herein keine Rede sein, da
gerade diese es in Ohio sind, die als Papiergeld-Fraction bekämpft werden
müssen. Um so lebhafter waren die Hoffnungen der Republikaner, den
im nämlichen Ohio in der Finanzfrage auf ihre Einladung hin und Seite
an Seite mit ihnen Kämpfenden auch in anderen Fragen in ihre Reihen zu¬
rückkehren zu sehen. Durch diese Hoffnungen nun hat Schurz einen gründ¬
lichen Strich gemacht. In den entschiedensten Worten erkärte er gleich im
Eingange seiner Rede (s. obiges Citat aus derselben) zu Cincinnati, daß er
lediglich in der Geldfrage, die er als höchste derzeitige Lebensfrage für die
amerikanische Nation erachte, Theil an dem Wahlfeldzuge nehme, und daß
diese Theilnahme nur insofern den Republikanern gelte, als diese in Ohio
auf jener Seite der Frage ständen, für die einzustehen sein Gewissen und
seine Bürgerpflicht auch ihn zwängen. Und nicht genug damit. Im selben
Athem spendete er den Demokraten von New-Uork für ihre Haltung in der
Geldfrage eben so warm ein aufrichtiges Lob, wie er über deren Partei¬
genossen in Ohio für ihre entgegengesetzte Haltung das Maß rückhaltslosester
Verurtheilung ausschüttete. Mannhafter und klarer hätte er seine Unab¬
hängigkeit nicht wahren, glänzender und siegreicher dem Volke und den
Politikern der Union nicht die Möglichkeit vorführen können, daß der
wahre Staats- und Volksmann auch ohne die Maschinerie einer Partei
hinter sich, lediglich durch sein Talent und seine Gesinnung eine Macht sein
könne."


allen Umständen seinen mächtigen Einfluß auf sie würde geltend machen kön¬
nen, ganz gleich, ob er durch die Spalten eines Blattes, durch das Mund¬
stück einer sogenannten „Interview", bei einem Banket oder von der Redner¬
bühne einer Volksversammlung sprechen würde. „Einfacher Privatmann",
sagt der bezeichnete Correspondent, „wie Schurz doch jetzt wieder ist, durfte
er nur von Europa zurückkehren und sich bereit erklären, die Lippen zu öffnen,
um auch sofort wieder der Mann des Tages zu sein. Wie sehr auch der Senat
seiner bedürfen mag (und schon die nächste Sitzung des Kongresses wird zeigen,
was dieses „wie sehr" eigentlich bedeutet), Karl Schurz bedarf des Senates
nicht. Und zum Glück bedarf auch die Oeffentlichkeit seiner nicht im Senate.
Sie weiß, wo sie den unerschrockenen, nicht nur die Fülle staatsmännischer
Weisheit, sondern auch das Prinzip unantastbarer Ehrenhaftigkeit in der
Politik darstellenden Mann zu finden hat, wenn sie seiner bedarf. Und sie
wird ihn finden! Aber noch Eins hat dem Eintritt von Schurz in den
Wahlkampf Ohios ein ganz besonderes Interesse verliehen. Mit kaum min¬
derer Spannung, als seinem Erfolge in der brennenden Geldfrage, um die
es sich dabei handelt, sah man der Erklärung des Ex-Senators über seine
Persönliche Stellung zu den beiden Parteien entgegen. Zwar konnte von einer
Gemeinsamkeit mit den Demokraten von vorn herein keine Rede sein, da
gerade diese es in Ohio sind, die als Papiergeld-Fraction bekämpft werden
müssen. Um so lebhafter waren die Hoffnungen der Republikaner, den
im nämlichen Ohio in der Finanzfrage auf ihre Einladung hin und Seite
an Seite mit ihnen Kämpfenden auch in anderen Fragen in ihre Reihen zu¬
rückkehren zu sehen. Durch diese Hoffnungen nun hat Schurz einen gründ¬
lichen Strich gemacht. In den entschiedensten Worten erkärte er gleich im
Eingange seiner Rede (s. obiges Citat aus derselben) zu Cincinnati, daß er
lediglich in der Geldfrage, die er als höchste derzeitige Lebensfrage für die
amerikanische Nation erachte, Theil an dem Wahlfeldzuge nehme, und daß
diese Theilnahme nur insofern den Republikanern gelte, als diese in Ohio
auf jener Seite der Frage ständen, für die einzustehen sein Gewissen und
seine Bürgerpflicht auch ihn zwängen. Und nicht genug damit. Im selben
Athem spendete er den Demokraten von New-Uork für ihre Haltung in der
Geldfrage eben so warm ein aufrichtiges Lob, wie er über deren Partei¬
genossen in Ohio für ihre entgegengesetzte Haltung das Maß rückhaltslosester
Verurtheilung ausschüttete. Mannhafter und klarer hätte er seine Unab¬
hängigkeit nicht wahren, glänzender und siegreicher dem Volke und den
Politikern der Union nicht die Möglichkeit vorführen können, daß der
wahre Staats- und Volksmann auch ohne die Maschinerie einer Partei
hinter sich, lediglich durch sein Talent und seine Gesinnung eine Macht sein
könne."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/183>, abgerufen am 22.07.2024.