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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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unter ihnen auch Ulfilas. welcher in der Hoffnung, daß seine Herzensüber¬
zeugung nun allgemein in der Kirche herrschen werde, gerne dem Rufe Folge
leistete. Ob ihn die Ergebnisse der Versammlung befriedigten, die das ari-
anische Bekenntnis doch nicht scharf und deutlich auszusprechen wagte, darf
bezweifelt werden.

Nach seiner Rückkehr in die Heimath beschäftigten ihn wieder Pläne für
eine allgemeine Bekehrung der Gothen. Sein erster Erfolg war ja groß ge¬
nug und mußte trotz oder vielmehr wegen des Todes so vieler Märtyrer zu
neuen Anstrengungen auffordern. Dazu kam die Nachbarschaft des Ulfilas
mit den heidnischen Volksgenossen, von denen er nur durch die Donau ge-
trennt war. Der Fluß bildete aber fast ebenso einen Verkehrsweg, wie eine
Grenze, und aus dem Umstände, daß in dem späteren Friedensverträge des
Kaisers Valens mit Athanarich aus dem Jahre 369 diesem nur 2 Städte
des rechten Ufers als zugängliche Handelsplätze zugestanden wurden, leuchtet
ein, daß die heidnischen Gothen hier mit dem Süden einen lebhaften Handel
unterhielten. Hier suchte Ulfilas unter der Hand anzuknüpfen, aber diesmal
weniger mit den Unterthanen des Athanarich, als mit denen Fritigern's.
Bald fand er, daß der Boden für die Sache des Christenthums günstig sei
und schritt langsam theils selbst, theils durch seine Schüler zu immer aus-
gebreiteterer Thätigkeit vor. Ja am Ende glückte es sogar, die Predigt des
Evangeliums vor Fritigern selbst zu bringen und diesen zunächst wenigstens
für die neue Lehre günstig zu stimmen. Indes war auch in das Gebiet des
Athanarich das Christenthum von Neuem vorgedrungen, hauptsächlich aber
von Kleinasien her und aus katholischem Lager. Die Bekehrten waren an
Zahl jedoch anfangs so gering und hielten sich so versteckt, daß ihr Treiben
sich der Aufmerksamkeit jenes alten Christenfeinds völlig entzog. Doch bald
sollte es anders kommen.

Als Procopius, ein Verwandter von Constantius' Nachfolger Julianus
Apostat", einen Aufruhr gegen Kaiser Valens erregte und Anspruch auf
dessen Würde erhob, erhielt er von Athanarich ein Hilfsheer von 3000 Mann,
denen er noch andere 7000 nachzuschicken versprach. Offenbar war diesem
dabei nicht nur um Sold zu thun, sondern um Ausführung alter Eroberungs¬
pläne gegen das römische Reich, dessen Entzweiung er ausnutzen zu können
hoffte. Über Proeop wurde gefangen und enthauptet und das Gothenheer,
das in Thracien plünderte und brandschatzte, gefangen. Es kam zum Krieg,
den der Kaiser in das Gebiet des Athanarich hinübertrug und welcher nach
drei Jahren mit der Demüthigung dieses Fürsten 369 endigte. Athanarich
suchte dieselbe dadurch zu verdecken, daß er sich weigerte auf römischem Gehecke
Frieden zu schließen, weil er seinem Vater versprochen habe niemals das jen¬
seits der Donau gelegene Römerland zu betreten. So kam man denn aus


unter ihnen auch Ulfilas. welcher in der Hoffnung, daß seine Herzensüber¬
zeugung nun allgemein in der Kirche herrschen werde, gerne dem Rufe Folge
leistete. Ob ihn die Ergebnisse der Versammlung befriedigten, die das ari-
anische Bekenntnis doch nicht scharf und deutlich auszusprechen wagte, darf
bezweifelt werden.

Nach seiner Rückkehr in die Heimath beschäftigten ihn wieder Pläne für
eine allgemeine Bekehrung der Gothen. Sein erster Erfolg war ja groß ge¬
nug und mußte trotz oder vielmehr wegen des Todes so vieler Märtyrer zu
neuen Anstrengungen auffordern. Dazu kam die Nachbarschaft des Ulfilas
mit den heidnischen Volksgenossen, von denen er nur durch die Donau ge-
trennt war. Der Fluß bildete aber fast ebenso einen Verkehrsweg, wie eine
Grenze, und aus dem Umstände, daß in dem späteren Friedensverträge des
Kaisers Valens mit Athanarich aus dem Jahre 369 diesem nur 2 Städte
des rechten Ufers als zugängliche Handelsplätze zugestanden wurden, leuchtet
ein, daß die heidnischen Gothen hier mit dem Süden einen lebhaften Handel
unterhielten. Hier suchte Ulfilas unter der Hand anzuknüpfen, aber diesmal
weniger mit den Unterthanen des Athanarich, als mit denen Fritigern's.
Bald fand er, daß der Boden für die Sache des Christenthums günstig sei
und schritt langsam theils selbst, theils durch seine Schüler zu immer aus-
gebreiteterer Thätigkeit vor. Ja am Ende glückte es sogar, die Predigt des
Evangeliums vor Fritigern selbst zu bringen und diesen zunächst wenigstens
für die neue Lehre günstig zu stimmen. Indes war auch in das Gebiet des
Athanarich das Christenthum von Neuem vorgedrungen, hauptsächlich aber
von Kleinasien her und aus katholischem Lager. Die Bekehrten waren an
Zahl jedoch anfangs so gering und hielten sich so versteckt, daß ihr Treiben
sich der Aufmerksamkeit jenes alten Christenfeinds völlig entzog. Doch bald
sollte es anders kommen.

Als Procopius, ein Verwandter von Constantius' Nachfolger Julianus
Apostat«, einen Aufruhr gegen Kaiser Valens erregte und Anspruch auf
dessen Würde erhob, erhielt er von Athanarich ein Hilfsheer von 3000 Mann,
denen er noch andere 7000 nachzuschicken versprach. Offenbar war diesem
dabei nicht nur um Sold zu thun, sondern um Ausführung alter Eroberungs¬
pläne gegen das römische Reich, dessen Entzweiung er ausnutzen zu können
hoffte. Über Proeop wurde gefangen und enthauptet und das Gothenheer,
das in Thracien plünderte und brandschatzte, gefangen. Es kam zum Krieg,
den der Kaiser in das Gebiet des Athanarich hinübertrug und welcher nach
drei Jahren mit der Demüthigung dieses Fürsten 369 endigte. Athanarich
suchte dieselbe dadurch zu verdecken, daß er sich weigerte auf römischem Gehecke
Frieden zu schließen, weil er seinem Vater versprochen habe niemals das jen¬
seits der Donau gelegene Römerland zu betreten. So kam man denn aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/17>, abgerufen am 26.06.2024.