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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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wo in Folge außerordentlicher Nothstände die beiden Erwerbsquellen ge¬
schmälert werden oder vorübergehend verödenden.

Schon in vielen Gegenden sind gesunde Anfänge und glänzende Erfolge
in dieser Reform der Hausarbeit zur modernen Hausindustrie gemacht und
erzielt worden. Es gibt Gebirgsgegenden in Mittel-Europa, welche auf
rauhem Boden, in dem kaum der Hafer mehr gedeiht, blühende Gemeinwesen
entwickelt haben, welche an Wohlstand die üppigsten Weingegenden übertreffen.
Das hervorragendste Beispiel gewährt in dieser Beziehung die Uhren-
Industrie im Schwarzwald und im Jura, die Weißstickerei in den einzelnen
Thälern der Central-Alpen und des Erzgebirges, die Strohflechterei in Tos-
cana und im Aargau, die Spitzenklöppelei in Brüssel und Irland, die Holz¬
schnitzerei im baierischen und Bernischen Oberland, die Marmorschleiferei in
einzelnen Gegenden der baierischen und österreichischen Alpen, die Sensen-
Tabricativn in Steiermark, die Messer- und Waffenfabrikation in den Bezirken
'^emscheid und Solingen, die Jaquard-Weberei in der Schweiz und am Nie-
^rrhein, die Spielwaaren-Fabrikation in Nürnberg, Thüringen und Paris,
^e Tabetterie-Production in Frankreich. Wie Oasen in der Wüste, so erheben sich
^ehe Gegenden gesunder Hausindustrie aus der ungeheueren Masse am Ar-
^itsmangel ihrer Familien dahinsiechender Landstriche.

Indessen, allen bedürftigen Familien hausindustrielle Beschäftigung zu
Erschaffen, ist eine schwierige Ausgabe, weil nicht Alles für Jeden paßt und
^eil es schwer ist. Neues aufzufinden und ins Leben zu führen. Sowie über¬
haupt der erste Fortschritt im Gewerbewesen durch Theilung der Arbeit ge¬
macht wurde, so muß auch die zweite Hauptsache jeder Industrie, der Absatz,
durch Mannigfaltigkeit der Befriedigung der Bedürfnisse und des Ge-
schmackes erzielt werden. Es muß eine Verschiedenheit sowohl in den Arten,
in der inneren und äußeren Beschaffenheit der Erzeugnisse angestrebt
^rden, um dieses Ziel zu erreichen und jenen Absatz zu sichern, welcher die
°'Wge Basis fortschreitender Arbeitsentwicklung sein kann.

Je schwieriger es aber nun ist, die genügende Auswahl neuer Produc-
rionsweige zu finden und einzuführen, die Bevölkerung daraus einzulernen
und die erforderliche Kundschaft für die Erzeugnisse zu erwerben, um so wich-
^ger ist es, daß alle einzelnen Versuche, welche in dieser Richtung in den
verschiedenen Ländern gemacht worden sind, zur Kenntniß gelangen um mit
^Ise der dadurch gegebenen Erfahrungen und Winke möglichst viele Erwerbs-
^eige, welche sich für die Hausindustrie eignen, ausfindig zu machen und
'e Methode festzustellen, mittelst welcher deren Einführung in den Fa-
'^lien, sowie die Erzielung des Absatzes am zweckmäßigsten erreicht werden
^unen.


wo in Folge außerordentlicher Nothstände die beiden Erwerbsquellen ge¬
schmälert werden oder vorübergehend verödenden.

Schon in vielen Gegenden sind gesunde Anfänge und glänzende Erfolge
in dieser Reform der Hausarbeit zur modernen Hausindustrie gemacht und
erzielt worden. Es gibt Gebirgsgegenden in Mittel-Europa, welche auf
rauhem Boden, in dem kaum der Hafer mehr gedeiht, blühende Gemeinwesen
entwickelt haben, welche an Wohlstand die üppigsten Weingegenden übertreffen.
Das hervorragendste Beispiel gewährt in dieser Beziehung die Uhren-
Industrie im Schwarzwald und im Jura, die Weißstickerei in den einzelnen
Thälern der Central-Alpen und des Erzgebirges, die Strohflechterei in Tos-
cana und im Aargau, die Spitzenklöppelei in Brüssel und Irland, die Holz¬
schnitzerei im baierischen und Bernischen Oberland, die Marmorschleiferei in
einzelnen Gegenden der baierischen und österreichischen Alpen, die Sensen-
Tabricativn in Steiermark, die Messer- und Waffenfabrikation in den Bezirken
'^emscheid und Solingen, die Jaquard-Weberei in der Schweiz und am Nie-
^rrhein, die Spielwaaren-Fabrikation in Nürnberg, Thüringen und Paris,
^e Tabetterie-Production in Frankreich. Wie Oasen in der Wüste, so erheben sich
^ehe Gegenden gesunder Hausindustrie aus der ungeheueren Masse am Ar-
^itsmangel ihrer Familien dahinsiechender Landstriche.

Indessen, allen bedürftigen Familien hausindustrielle Beschäftigung zu
Erschaffen, ist eine schwierige Ausgabe, weil nicht Alles für Jeden paßt und
^eil es schwer ist. Neues aufzufinden und ins Leben zu führen. Sowie über¬
haupt der erste Fortschritt im Gewerbewesen durch Theilung der Arbeit ge¬
macht wurde, so muß auch die zweite Hauptsache jeder Industrie, der Absatz,
durch Mannigfaltigkeit der Befriedigung der Bedürfnisse und des Ge-
schmackes erzielt werden. Es muß eine Verschiedenheit sowohl in den Arten,
in der inneren und äußeren Beschaffenheit der Erzeugnisse angestrebt
^rden, um dieses Ziel zu erreichen und jenen Absatz zu sichern, welcher die
°'Wge Basis fortschreitender Arbeitsentwicklung sein kann.

Je schwieriger es aber nun ist, die genügende Auswahl neuer Produc-
rionsweige zu finden und einzuführen, die Bevölkerung daraus einzulernen
und die erforderliche Kundschaft für die Erzeugnisse zu erwerben, um so wich-
^ger ist es, daß alle einzelnen Versuche, welche in dieser Richtung in den
verschiedenen Ländern gemacht worden sind, zur Kenntniß gelangen um mit
^Ise der dadurch gegebenen Erfahrungen und Winke möglichst viele Erwerbs-
^eige, welche sich für die Hausindustrie eignen, ausfindig zu machen und
'e Methode festzustellen, mittelst welcher deren Einführung in den Fa-
'^lien, sowie die Erzielung des Absatzes am zweckmäßigsten erreicht werden
^unen.


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[0163] wo in Folge außerordentlicher Nothstände die beiden Erwerbsquellen ge¬ schmälert werden oder vorübergehend verödenden. Schon in vielen Gegenden sind gesunde Anfänge und glänzende Erfolge in dieser Reform der Hausarbeit zur modernen Hausindustrie gemacht und erzielt worden. Es gibt Gebirgsgegenden in Mittel-Europa, welche auf rauhem Boden, in dem kaum der Hafer mehr gedeiht, blühende Gemeinwesen entwickelt haben, welche an Wohlstand die üppigsten Weingegenden übertreffen. Das hervorragendste Beispiel gewährt in dieser Beziehung die Uhren- Industrie im Schwarzwald und im Jura, die Weißstickerei in den einzelnen Thälern der Central-Alpen und des Erzgebirges, die Strohflechterei in Tos- cana und im Aargau, die Spitzenklöppelei in Brüssel und Irland, die Holz¬ schnitzerei im baierischen und Bernischen Oberland, die Marmorschleiferei in einzelnen Gegenden der baierischen und österreichischen Alpen, die Sensen- Tabricativn in Steiermark, die Messer- und Waffenfabrikation in den Bezirken '^emscheid und Solingen, die Jaquard-Weberei in der Schweiz und am Nie- ^rrhein, die Spielwaaren-Fabrikation in Nürnberg, Thüringen und Paris, ^e Tabetterie-Production in Frankreich. Wie Oasen in der Wüste, so erheben sich ^ehe Gegenden gesunder Hausindustrie aus der ungeheueren Masse am Ar- ^itsmangel ihrer Familien dahinsiechender Landstriche. Indessen, allen bedürftigen Familien hausindustrielle Beschäftigung zu Erschaffen, ist eine schwierige Ausgabe, weil nicht Alles für Jeden paßt und ^eil es schwer ist. Neues aufzufinden und ins Leben zu führen. Sowie über¬ haupt der erste Fortschritt im Gewerbewesen durch Theilung der Arbeit ge¬ macht wurde, so muß auch die zweite Hauptsache jeder Industrie, der Absatz, durch Mannigfaltigkeit der Befriedigung der Bedürfnisse und des Ge- schmackes erzielt werden. Es muß eine Verschiedenheit sowohl in den Arten, in der inneren und äußeren Beschaffenheit der Erzeugnisse angestrebt ^rden, um dieses Ziel zu erreichen und jenen Absatz zu sichern, welcher die °'Wge Basis fortschreitender Arbeitsentwicklung sein kann. Je schwieriger es aber nun ist, die genügende Auswahl neuer Produc- rionsweige zu finden und einzuführen, die Bevölkerung daraus einzulernen und die erforderliche Kundschaft für die Erzeugnisse zu erwerben, um so wich- ^ger ist es, daß alle einzelnen Versuche, welche in dieser Richtung in den verschiedenen Ländern gemacht worden sind, zur Kenntniß gelangen um mit ^Ise der dadurch gegebenen Erfahrungen und Winke möglichst viele Erwerbs- ^eige, welche sich für die Hausindustrie eignen, ausfindig zu machen und 'e Methode festzustellen, mittelst welcher deren Einführung in den Fa- '^lien, sowie die Erzielung des Absatzes am zweckmäßigsten erreicht werden ^unen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/163>, abgerufen am 22.07.2024.