Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.gegenüber deutlich documentirte." Die Apokolokyntosis sagt von ihm, Her¬ Es war ein sonderbares Spiel des Zufalls, das gerade diesen ängstlichen gegenüber deutlich documentirte." Die Apokolokyntosis sagt von ihm, Her¬ Es war ein sonderbares Spiel des Zufalls, das gerade diesen ängstlichen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0140" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134486"/> <p xml:id="ID_386" prev="#ID_385"> gegenüber deutlich documentirte." Die Apokolokyntosis sagt von ihm, Her¬<lb/> kules sei beim Eintritt des Kaisers in den Olymp erschrocken; denn er habe<lb/> gesehen, daß nicht alle Ungeheuer von ihm ausgerottet worden seien. Sobald<lb/> er in Erregung gerieth, trat wie fast bei allen Blödsinnigen eine Menge von<lb/> ganz unnöthigen Bewegungen ein : der Kopf flog von einer Seite zur andern,<lb/> der Mund bedeckte sich mit Schaum, er lachte unanständig, an der Nase hingen<lb/> helle Tropfen, die fast farblosen Augen zeigten sich roth unterlaufen. Seine<lb/> Stimme war rauh und heiser wie die eines Seeungeheuers, er stammelte und<lb/> konnte sich überhaupt mit den Lippen weniger verständlich machen als mit<lb/> einem minder edlen Körpertheile. Kopf und Hände begleiteten den irrlichte-<lb/> lirenden Tanz seiner Gedanken mit unaufhörlichem Wackeln. Der Inhalt<lb/> seiner Gespräche war ganz und gar läppisch. Alle Augenblicke unterbrach er<lb/> sich mit der Frage: „Wie, hältst Du mich für einen Schafskopf?" Erhob er<lb/> sich, so konnten die schwachen Beine den übermäßig schweren Oberkörper kaum<lb/> tragen, wozu noch kam, daß er den rechten, von Geburt an gelähmten Fuß<lb/> nachschleppte. Augustus wie Tiberius sprachen sich unzweideutig dahin aus,<lb/> daß er blödsinnig sei, und verliehen ihm infolge dessen niemals ein Amt. z»<lb/> dem es des Verstandes bedürfte. Einsam, nur von Narren und Possenreißern<lb/> umgeben, die um ihn eine Academie für pöbelhafte Späße und Zoten bildete, verlebte<lb/> er die größere Hälfte seiner Jünglings- und Mannesjahre fern vom Hofe. (A<lb/> soll eine Anzahl historischer Werke geschrieben haben, aber dieselben hatten wohl<lb/> seine Lehrer zu Verfassern. Er selbst brachte es nie zu verständigem Denken.<lb/> Als sein Neffe Caligula ihn aus der Einsamkeit hervorzog und ihn zum Mit¬<lb/> gliede des Senates sowie zu seinem Collegen für das bevorstehende Consulat<lb/> ernannte, war dieß nur ein Act verwandtschaftlichen Wohlwollens, und es<lb/> dauerte nicht lange, so hatte der ganze Hof seine Geistesarmuth und sein<lb/> lächerliches Wesen durchschaut und machte ihn unter Vortritt des Kaisers selbst<lb/> zur Zielscheibe von Witzen und groben Neckereien. Selbst an thätlichen Mi߬<lb/> handlungen, Peitschenhieben, Stockschlägen und Ohrfeigen von Seiten Caligula's<lb/> soll es nicht gefehlt haben, und Sueton meint, derselbe habe ihn nur aw<lb/> Leben gelassen, um seinen Spott mit ihm treiben zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_387" next="#ID_388"> Es war ein sonderbares Spiel des Zufalls, das gerade diesen ängstlichen<lb/> Troddel zum Kaiser berief, als Caligula ermordet worden, und er nahm sich<lb/> auf dem ersten Throne der Welt in der That immer recht kläglich aus. Nicht<lb/> wie ein triumphirender Imperator saß er er auf den Schultern der ihn zurn<lb/> Herrscher proclamirenden Prätorianer, sondern wie ein Opfer, das zur Schlacht¬<lb/> bank geführt wird. Dreißig Tage lang lag ihm der Schreck des 24. Januar<lb/> derartig in den Gliedern, daß er sich nicht aus seinem Zimmer wagte. Später<lb/> trat er gegen den Senat und hohe Beamte, wie Tiberius in seiner Melan¬<lb/> cholie, sehr devot auf. Unglücklicherweise hatte dieser Idiot als Kaiser die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0140]
gegenüber deutlich documentirte." Die Apokolokyntosis sagt von ihm, Her¬
kules sei beim Eintritt des Kaisers in den Olymp erschrocken; denn er habe
gesehen, daß nicht alle Ungeheuer von ihm ausgerottet worden seien. Sobald
er in Erregung gerieth, trat wie fast bei allen Blödsinnigen eine Menge von
ganz unnöthigen Bewegungen ein : der Kopf flog von einer Seite zur andern,
der Mund bedeckte sich mit Schaum, er lachte unanständig, an der Nase hingen
helle Tropfen, die fast farblosen Augen zeigten sich roth unterlaufen. Seine
Stimme war rauh und heiser wie die eines Seeungeheuers, er stammelte und
konnte sich überhaupt mit den Lippen weniger verständlich machen als mit
einem minder edlen Körpertheile. Kopf und Hände begleiteten den irrlichte-
lirenden Tanz seiner Gedanken mit unaufhörlichem Wackeln. Der Inhalt
seiner Gespräche war ganz und gar läppisch. Alle Augenblicke unterbrach er
sich mit der Frage: „Wie, hältst Du mich für einen Schafskopf?" Erhob er
sich, so konnten die schwachen Beine den übermäßig schweren Oberkörper kaum
tragen, wozu noch kam, daß er den rechten, von Geburt an gelähmten Fuß
nachschleppte. Augustus wie Tiberius sprachen sich unzweideutig dahin aus,
daß er blödsinnig sei, und verliehen ihm infolge dessen niemals ein Amt. z»
dem es des Verstandes bedürfte. Einsam, nur von Narren und Possenreißern
umgeben, die um ihn eine Academie für pöbelhafte Späße und Zoten bildete, verlebte
er die größere Hälfte seiner Jünglings- und Mannesjahre fern vom Hofe. (A
soll eine Anzahl historischer Werke geschrieben haben, aber dieselben hatten wohl
seine Lehrer zu Verfassern. Er selbst brachte es nie zu verständigem Denken.
Als sein Neffe Caligula ihn aus der Einsamkeit hervorzog und ihn zum Mit¬
gliede des Senates sowie zu seinem Collegen für das bevorstehende Consulat
ernannte, war dieß nur ein Act verwandtschaftlichen Wohlwollens, und es
dauerte nicht lange, so hatte der ganze Hof seine Geistesarmuth und sein
lächerliches Wesen durchschaut und machte ihn unter Vortritt des Kaisers selbst
zur Zielscheibe von Witzen und groben Neckereien. Selbst an thätlichen Mi߬
handlungen, Peitschenhieben, Stockschlägen und Ohrfeigen von Seiten Caligula's
soll es nicht gefehlt haben, und Sueton meint, derselbe habe ihn nur aw
Leben gelassen, um seinen Spott mit ihm treiben zu können.
Es war ein sonderbares Spiel des Zufalls, das gerade diesen ängstlichen
Troddel zum Kaiser berief, als Caligula ermordet worden, und er nahm sich
auf dem ersten Throne der Welt in der That immer recht kläglich aus. Nicht
wie ein triumphirender Imperator saß er er auf den Schultern der ihn zurn
Herrscher proclamirenden Prätorianer, sondern wie ein Opfer, das zur Schlacht¬
bank geführt wird. Dreißig Tage lang lag ihm der Schreck des 24. Januar
derartig in den Gliedern, daß er sich nicht aus seinem Zimmer wagte. Später
trat er gegen den Senat und hohe Beamte, wie Tiberius in seiner Melan¬
cholie, sehr devot auf. Unglücklicherweise hatte dieser Idiot als Kaiser die
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |