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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Krieg abgesetzte Dynastie über Darfur geherrscht, dessen Geschichte sich bis
1000 Jahre rückwärts verfolgen läßt. Einige Zeit nach seiner Begegnung
mit dem General-Gouverneur von Sudan traf Nachtigall nachdem er so¬
mit vom Thaad-See aus abermals 2400 Kilometer zurückgelegt hatte in
Khartum ein, von wo aus er dem Nil folgte und endlich nach Alexandrien
gelangte.

Dem Vortrage des Dr. Nachtigal, den wir, wie gesagt, nur in allge¬
meinen Zügen skizzirt haben, folgte eine dreifache Beifallssalve von Seiten
eines Auditoriums, das sich aus Gelehrten und kühnen Forschern aller Länder
zusammensetzte.

Aus den afrikanischen Wüsten und Tropengegenden, in welche uns der
unerschrockene Forschungsreisende, Dr. Nachtigal, geführt hat, wollen wir dem
hervorragenden belgischen Gelehrten und Naturforscher, van Beneden, in das
Reich des Meeres folgen. Van Beneden unterhielt in interessanter und geist¬
reicher Weise die Mitglieder des Kongresses über einen der gewaltigsten Mee¬
resbewohner, den Wallfisch, und über die Wanderungen, welche dieses unge¬
heure Säugethier im Laufe der Zeiten ausgeführt hat.

Die Cetaceen gehören bekanntlich zu den von den Fischern meistverfolgten
Meeresbewohnern, und diese unausgesetzte Jagd, welche man gegen sie richtete,
hat diese Thiere aus den belebten Meerestheilen wie z. B. aus dem mittel¬
ländischen Meere, wo sie sich früher in zahlreichen Banden aufhielten, voll¬
ständig vertrieben, sie haben sich mehr und mehr dem Pole genähert, wo sie
einer verhältnißmäßig größeren Sicherheit genießen, indem dort ihre Verfol¬
gung mühseliger und gefährlicher wird. Die Hartnäckigkeit, mit welcher diese
unglücklichen Thiere von dem Menschen verfolgt werden, hat zur Folge ge¬
habt, daß gewisse Arten derselben fast gänzlich verschwunden sind. Jene
Hartnäckigkeit ist allerdings leicht erklärlich. Wenn man bedenkt, wie viel
mit Nutzen zu verwendende Dinge ein Wallfisch enthält, und welcher Vor¬
theil sich aus einer solchen Beute ziehen läßt, so begreift man, daß der Wall¬
fischfang im 16. Jahrhundert Hunderte von französischen Schiffen beschäftigte,
während diese Industrie heutzutage für Frankreich wie auch für andere euro¬
päische Länder vollständig todt ist.

Es ist Niemandem unbekannt, daß das, was man als Fischbein in den
Regenschirmen, Corsets, Roben u. s. w. verwendet, durch die Barten des Wall¬
fisches geliefert wird. Die Barten bekleiden nach rechts und links die Rachen¬
öffnung des Thieres; sie gleichen einem Sieb, durch welches das Wasser, das
der Wallfisch in seinen ungeheuern Rachen eingeschluckt hat, passirt, aber wel¬
ches in der Mitte die kleinen Seethiere, Crustaceen und Muschelthiere zurück¬
hält, von denen sich der Wallfisch nährt, und die seine riesenhafte Zunge nach
dem Gaumen zu dirigirt. Dieser Gaumen ist so eng, daß eine einfache Ma-


Krieg abgesetzte Dynastie über Darfur geherrscht, dessen Geschichte sich bis
1000 Jahre rückwärts verfolgen läßt. Einige Zeit nach seiner Begegnung
mit dem General-Gouverneur von Sudan traf Nachtigall nachdem er so¬
mit vom Thaad-See aus abermals 2400 Kilometer zurückgelegt hatte in
Khartum ein, von wo aus er dem Nil folgte und endlich nach Alexandrien
gelangte.

Dem Vortrage des Dr. Nachtigal, den wir, wie gesagt, nur in allge¬
meinen Zügen skizzirt haben, folgte eine dreifache Beifallssalve von Seiten
eines Auditoriums, das sich aus Gelehrten und kühnen Forschern aller Länder
zusammensetzte.

Aus den afrikanischen Wüsten und Tropengegenden, in welche uns der
unerschrockene Forschungsreisende, Dr. Nachtigal, geführt hat, wollen wir dem
hervorragenden belgischen Gelehrten und Naturforscher, van Beneden, in das
Reich des Meeres folgen. Van Beneden unterhielt in interessanter und geist¬
reicher Weise die Mitglieder des Kongresses über einen der gewaltigsten Mee¬
resbewohner, den Wallfisch, und über die Wanderungen, welche dieses unge¬
heure Säugethier im Laufe der Zeiten ausgeführt hat.

Die Cetaceen gehören bekanntlich zu den von den Fischern meistverfolgten
Meeresbewohnern, und diese unausgesetzte Jagd, welche man gegen sie richtete,
hat diese Thiere aus den belebten Meerestheilen wie z. B. aus dem mittel¬
ländischen Meere, wo sie sich früher in zahlreichen Banden aufhielten, voll¬
ständig vertrieben, sie haben sich mehr und mehr dem Pole genähert, wo sie
einer verhältnißmäßig größeren Sicherheit genießen, indem dort ihre Verfol¬
gung mühseliger und gefährlicher wird. Die Hartnäckigkeit, mit welcher diese
unglücklichen Thiere von dem Menschen verfolgt werden, hat zur Folge ge¬
habt, daß gewisse Arten derselben fast gänzlich verschwunden sind. Jene
Hartnäckigkeit ist allerdings leicht erklärlich. Wenn man bedenkt, wie viel
mit Nutzen zu verwendende Dinge ein Wallfisch enthält, und welcher Vor¬
theil sich aus einer solchen Beute ziehen läßt, so begreift man, daß der Wall¬
fischfang im 16. Jahrhundert Hunderte von französischen Schiffen beschäftigte,
während diese Industrie heutzutage für Frankreich wie auch für andere euro¬
päische Länder vollständig todt ist.

Es ist Niemandem unbekannt, daß das, was man als Fischbein in den
Regenschirmen, Corsets, Roben u. s. w. verwendet, durch die Barten des Wall¬
fisches geliefert wird. Die Barten bekleiden nach rechts und links die Rachen¬
öffnung des Thieres; sie gleichen einem Sieb, durch welches das Wasser, das
der Wallfisch in seinen ungeheuern Rachen eingeschluckt hat, passirt, aber wel¬
ches in der Mitte die kleinen Seethiere, Crustaceen und Muschelthiere zurück¬
hält, von denen sich der Wallfisch nährt, und die seine riesenhafte Zunge nach
dem Gaumen zu dirigirt. Dieser Gaumen ist so eng, daß eine einfache Ma-


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[0110] Krieg abgesetzte Dynastie über Darfur geherrscht, dessen Geschichte sich bis 1000 Jahre rückwärts verfolgen läßt. Einige Zeit nach seiner Begegnung mit dem General-Gouverneur von Sudan traf Nachtigall nachdem er so¬ mit vom Thaad-See aus abermals 2400 Kilometer zurückgelegt hatte in Khartum ein, von wo aus er dem Nil folgte und endlich nach Alexandrien gelangte. Dem Vortrage des Dr. Nachtigal, den wir, wie gesagt, nur in allge¬ meinen Zügen skizzirt haben, folgte eine dreifache Beifallssalve von Seiten eines Auditoriums, das sich aus Gelehrten und kühnen Forschern aller Länder zusammensetzte. Aus den afrikanischen Wüsten und Tropengegenden, in welche uns der unerschrockene Forschungsreisende, Dr. Nachtigal, geführt hat, wollen wir dem hervorragenden belgischen Gelehrten und Naturforscher, van Beneden, in das Reich des Meeres folgen. Van Beneden unterhielt in interessanter und geist¬ reicher Weise die Mitglieder des Kongresses über einen der gewaltigsten Mee¬ resbewohner, den Wallfisch, und über die Wanderungen, welche dieses unge¬ heure Säugethier im Laufe der Zeiten ausgeführt hat. Die Cetaceen gehören bekanntlich zu den von den Fischern meistverfolgten Meeresbewohnern, und diese unausgesetzte Jagd, welche man gegen sie richtete, hat diese Thiere aus den belebten Meerestheilen wie z. B. aus dem mittel¬ ländischen Meere, wo sie sich früher in zahlreichen Banden aufhielten, voll¬ ständig vertrieben, sie haben sich mehr und mehr dem Pole genähert, wo sie einer verhältnißmäßig größeren Sicherheit genießen, indem dort ihre Verfol¬ gung mühseliger und gefährlicher wird. Die Hartnäckigkeit, mit welcher diese unglücklichen Thiere von dem Menschen verfolgt werden, hat zur Folge ge¬ habt, daß gewisse Arten derselben fast gänzlich verschwunden sind. Jene Hartnäckigkeit ist allerdings leicht erklärlich. Wenn man bedenkt, wie viel mit Nutzen zu verwendende Dinge ein Wallfisch enthält, und welcher Vor¬ theil sich aus einer solchen Beute ziehen läßt, so begreift man, daß der Wall¬ fischfang im 16. Jahrhundert Hunderte von französischen Schiffen beschäftigte, während diese Industrie heutzutage für Frankreich wie auch für andere euro¬ päische Länder vollständig todt ist. Es ist Niemandem unbekannt, daß das, was man als Fischbein in den Regenschirmen, Corsets, Roben u. s. w. verwendet, durch die Barten des Wall¬ fisches geliefert wird. Die Barten bekleiden nach rechts und links die Rachen¬ öffnung des Thieres; sie gleichen einem Sieb, durch welches das Wasser, das der Wallfisch in seinen ungeheuern Rachen eingeschluckt hat, passirt, aber wel¬ ches in der Mitte die kleinen Seethiere, Crustaceen und Muschelthiere zurück¬ hält, von denen sich der Wallfisch nährt, und die seine riesenhafte Zunge nach dem Gaumen zu dirigirt. Dieser Gaumen ist so eng, daß eine einfache Ma-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/110>, abgerufen am 25.08.2024.