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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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baierischer Abgeordneter hat offen vor dem ganzen Reiche geäußert: "Umsonst
hebt ihr Regimenter aus; wenn sie Katholiken find, werden sie zum Feinde
übergehen."

Der Mönch kennt noch weniger ein Vaterland als der Priester. Ein
Diener des Papstthumes, losgelöst von örtlichen Banden, lebt er lediglich in
der Kirche, die universell ist, und hat kein anderes Ziel, als die Herrschaft
derselben, die ja zugleich seine eigene Herrschaft ist. Wie wird der Staat im
Stande sein, Angesichts der Geistlichkeit und des Mönchthums, welche die
Herren spielen wollen, und welche mit den mächtigsten und unwiderstehlichsten
Actionsmitteln aus die Massen einwirken, seine Unabhängigkeit aufrecht zu
erhalten? In den protestantischen Ländern sind die Pastoren verheirathet und
haben Kinder, sie haben dieselben Interessen und dieselbe Lebensweise wie die
andern Staatsangehörigen, sie zerfallen in eine Anzahl von Secten, sie ge¬
horchen also nicht einer und derselben Parole. Sie sind nicht hierarchisch dem
Willen eines im Auslande lebenden Oberhauptes unterworfen, das den Traum
der Weltherrschaft zu verwirklichen strebt. Sie sind national, weil ihre Kirche
eine nationale Kirche ist. Sie sind entweder unabhängig vom Staate, wie
in Amerika, oder dem Staate unterworfen, wie in Deutschland und England,
sie streben nicht darnach, die Herren im Staate zu sein, wie in Frankreich
und Belgien.

Die Trennung der Kirche vom Staate ist ein Prinzip, welches man
überall zur Geltung zu bringen bestrebt ist. Man kann dasselbe in protestan¬
tischen Ländern mit Erfolg durchführen, wie wir das in Amerika sehen; denn
die Geistlichkeit fügt sich hier den Bedürfnissen und Anforderungen des Staates.
Aber in katholischen Ländern (sowie in solchen, wo wie in Deutschland eine
starke Minderheit katholisch ist) würde man sie nur zum Schaden des Staates
decretiren können. Die Kirche, welche verlangt, daß das Zeitliche dem Ewigen
und Geistigen (womit sie das Geistliche meint) unterworfen sei, wie der Körper
der Seele, wird diese Herrschaft des Getrenntseins nur so weit annehmen,
als sie sich ihrer bedienen kann, um ihre Zwecke zu erreichen. Die Trennung
wird also nichts als eine Falle, eine Täuschung für den Staat sein. Man
kann nicht in demselben Menschen den gläubigen und gehorsamen Sohn der
Kirche vom guten und getreuen Staatsbürger trennen, und gewöhnlich werden
die Gefühle des Ersteren die Oberhand über die des Letzteren gewinnen und
seine Handlungen bestimmen. Die Seelsorger üben auf die, welche sie für
Dolmetscher des göttlichen Willens halten, einen viel größeren Einfluß aus
als die Behörden, welche den Staat vertreten; denn der Priester verheißt dem
Gehorsamen die ewige Seligkeit und bedroht den Widerspenstigen mit Strafen,
die nie endigen, während der Laie nur über irdische und endliche Strafen und
Belohnungen verfügt. Durch den Beichtstuhl hat der Priester den Souverain,


baierischer Abgeordneter hat offen vor dem ganzen Reiche geäußert: „Umsonst
hebt ihr Regimenter aus; wenn sie Katholiken find, werden sie zum Feinde
übergehen."

Der Mönch kennt noch weniger ein Vaterland als der Priester. Ein
Diener des Papstthumes, losgelöst von örtlichen Banden, lebt er lediglich in
der Kirche, die universell ist, und hat kein anderes Ziel, als die Herrschaft
derselben, die ja zugleich seine eigene Herrschaft ist. Wie wird der Staat im
Stande sein, Angesichts der Geistlichkeit und des Mönchthums, welche die
Herren spielen wollen, und welche mit den mächtigsten und unwiderstehlichsten
Actionsmitteln aus die Massen einwirken, seine Unabhängigkeit aufrecht zu
erhalten? In den protestantischen Ländern sind die Pastoren verheirathet und
haben Kinder, sie haben dieselben Interessen und dieselbe Lebensweise wie die
andern Staatsangehörigen, sie zerfallen in eine Anzahl von Secten, sie ge¬
horchen also nicht einer und derselben Parole. Sie sind nicht hierarchisch dem
Willen eines im Auslande lebenden Oberhauptes unterworfen, das den Traum
der Weltherrschaft zu verwirklichen strebt. Sie sind national, weil ihre Kirche
eine nationale Kirche ist. Sie sind entweder unabhängig vom Staate, wie
in Amerika, oder dem Staate unterworfen, wie in Deutschland und England,
sie streben nicht darnach, die Herren im Staate zu sein, wie in Frankreich
und Belgien.

Die Trennung der Kirche vom Staate ist ein Prinzip, welches man
überall zur Geltung zu bringen bestrebt ist. Man kann dasselbe in protestan¬
tischen Ländern mit Erfolg durchführen, wie wir das in Amerika sehen; denn
die Geistlichkeit fügt sich hier den Bedürfnissen und Anforderungen des Staates.
Aber in katholischen Ländern (sowie in solchen, wo wie in Deutschland eine
starke Minderheit katholisch ist) würde man sie nur zum Schaden des Staates
decretiren können. Die Kirche, welche verlangt, daß das Zeitliche dem Ewigen
und Geistigen (womit sie das Geistliche meint) unterworfen sei, wie der Körper
der Seele, wird diese Herrschaft des Getrenntseins nur so weit annehmen,
als sie sich ihrer bedienen kann, um ihre Zwecke zu erreichen. Die Trennung
wird also nichts als eine Falle, eine Täuschung für den Staat sein. Man
kann nicht in demselben Menschen den gläubigen und gehorsamen Sohn der
Kirche vom guten und getreuen Staatsbürger trennen, und gewöhnlich werden
die Gefühle des Ersteren die Oberhand über die des Letzteren gewinnen und
seine Handlungen bestimmen. Die Seelsorger üben auf die, welche sie für
Dolmetscher des göttlichen Willens halten, einen viel größeren Einfluß aus
als die Behörden, welche den Staat vertreten; denn der Priester verheißt dem
Gehorsamen die ewige Seligkeit und bedroht den Widerspenstigen mit Strafen,
die nie endigen, während der Laie nur über irdische und endliche Strafen und
Belohnungen verfügt. Durch den Beichtstuhl hat der Priester den Souverain,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/104>, abgerufen am 23.07.2024.