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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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N. ^. (eng-gistsr artium) längst verlassen haben, deren Namen aber gegen
jährliche Bezahlung einer gewissen Summe in den Registern weiter fortgeführt
werden, und die also in der Convocation d. h. im General-Concil Sitz und
Stimme haben. Diese Einrichtung ist für die Verwaltung der Universitäts-
Angelegenheiteu von höchster Bedeutung und vielfach gewiß von sehr verderb¬
lichem Einfluß, da Fragen von großer Wichtigkeit auf diese Weise manchmal
von dem Votum von Leuten abhängig gemacht werden, die in ihrer Stellung
etwa als Lehrer an sonstigen Unterrichtsanstalten oder meistens als Land¬
pfarrer nach längerer Abwesenheit von der Universität entweder nicht mehr
im Stande oder von ihrem Parteistandpunkte aus nicht geneigt sind, eine
veränderte und namentlich nicht eine freiere Entwickelung der Dinge zu beför¬
dern. Indeß betheiligen sich die auswärtigen Mitglieder an den Universitäts¬
angelegenheiten erklärlicher Weise nur in Ausnahmefällen, und die laufenden
Geschäfte werden natürlich nur von den anwesenden Universitäts-, resp. Col¬
lege-Mitgliedern besorgt.

Die einzelnen Colleges nun, die in ihrer Gesammtheit die Universität
bilden, sind, wie schon bemerkt, im Ganzen alle in derselben Weise organisirt.
Jedes College hat seinen Vorsteher, der statutenmäßig in den meisten Fällen
dem geistlichen Stande angehört, der an den verschiedenen Collegien oft ver¬
schiedene Benennungen hat, wie proZiäsut, Master, xrineijMl, xi-ovost, dem
aber überall dieselben Pflichten obliegen. Diese sind indeß fast nur repräsen¬
tativer Art, und so einträglich und ehrenvoll eine solche Stelle zu sein pflegt,
so wenig ist sie im Ganzen für das wissenschaftliche Gedeihen eines College
von Bedeutung. Daher macht sich seit einiger Zeit in dem rührigen Cam¬
bridge eine lebhafte, aber trotzdem schwerlich erfolgreiche Agitation bemerkbar,
diese Präsidentenstellen, welche einen bedeutenden Theil der Universitäts-Ein¬
künfte verschlingen, ganz abzuschaffen. Auch an andern Reform-Bestrebungen
fehlt es dort nicht, denen noch eher ein glücklicher Erfolg zu wünschen wäre.
Dahin gehört namentlich die beabsichtigte gänzliche Abschaffung der schon
theilweise beseitigten lebenslänglichen Fellowships und ferner des noch in den
meisten Collegien geltenden Statuts, daß die Inhaber solcher Stellen sich nicht
verheirathen dürfen oder mit der Verheirathung auf den Genuß solcher oft
2000 -- 3000 Thlr. betragenden Einkünfte verzichten müssen. Es ist erklärlich,
daß man sich für die vollständige Beseitigung dieser mittelalterlichen Unsitte
auch noch in den aufs Schmerzlichste davon mit betroffenen Damenkreisen
lebhaft interessirr. Sieht man aber von dieser Beschränkung ab, so muß man
zugestehen, daß die Fellows oder Genossen des, Kollegiums, welche zusammen
mit dem Präsidenten das Vermögen, sowie die äußeren und inneren Angele¬
genheiten der Stiftung verwalten, das angenehmste Leben haben, was sich ein
gelehrter Klosterbruder, wie sie sich manchmal im Scherz selber nennen, nur


N. ^. (eng-gistsr artium) längst verlassen haben, deren Namen aber gegen
jährliche Bezahlung einer gewissen Summe in den Registern weiter fortgeführt
werden, und die also in der Convocation d. h. im General-Concil Sitz und
Stimme haben. Diese Einrichtung ist für die Verwaltung der Universitäts-
Angelegenheiteu von höchster Bedeutung und vielfach gewiß von sehr verderb¬
lichem Einfluß, da Fragen von großer Wichtigkeit auf diese Weise manchmal
von dem Votum von Leuten abhängig gemacht werden, die in ihrer Stellung
etwa als Lehrer an sonstigen Unterrichtsanstalten oder meistens als Land¬
pfarrer nach längerer Abwesenheit von der Universität entweder nicht mehr
im Stande oder von ihrem Parteistandpunkte aus nicht geneigt sind, eine
veränderte und namentlich nicht eine freiere Entwickelung der Dinge zu beför¬
dern. Indeß betheiligen sich die auswärtigen Mitglieder an den Universitäts¬
angelegenheiten erklärlicher Weise nur in Ausnahmefällen, und die laufenden
Geschäfte werden natürlich nur von den anwesenden Universitäts-, resp. Col¬
lege-Mitgliedern besorgt.

Die einzelnen Colleges nun, die in ihrer Gesammtheit die Universität
bilden, sind, wie schon bemerkt, im Ganzen alle in derselben Weise organisirt.
Jedes College hat seinen Vorsteher, der statutenmäßig in den meisten Fällen
dem geistlichen Stande angehört, der an den verschiedenen Collegien oft ver¬
schiedene Benennungen hat, wie proZiäsut, Master, xrineijMl, xi-ovost, dem
aber überall dieselben Pflichten obliegen. Diese sind indeß fast nur repräsen¬
tativer Art, und so einträglich und ehrenvoll eine solche Stelle zu sein pflegt,
so wenig ist sie im Ganzen für das wissenschaftliche Gedeihen eines College
von Bedeutung. Daher macht sich seit einiger Zeit in dem rührigen Cam¬
bridge eine lebhafte, aber trotzdem schwerlich erfolgreiche Agitation bemerkbar,
diese Präsidentenstellen, welche einen bedeutenden Theil der Universitäts-Ein¬
künfte verschlingen, ganz abzuschaffen. Auch an andern Reform-Bestrebungen
fehlt es dort nicht, denen noch eher ein glücklicher Erfolg zu wünschen wäre.
Dahin gehört namentlich die beabsichtigte gänzliche Abschaffung der schon
theilweise beseitigten lebenslänglichen Fellowships und ferner des noch in den
meisten Collegien geltenden Statuts, daß die Inhaber solcher Stellen sich nicht
verheirathen dürfen oder mit der Verheirathung auf den Genuß solcher oft
2000 — 3000 Thlr. betragenden Einkünfte verzichten müssen. Es ist erklärlich,
daß man sich für die vollständige Beseitigung dieser mittelalterlichen Unsitte
auch noch in den aufs Schmerzlichste davon mit betroffenen Damenkreisen
lebhaft interessirr. Sieht man aber von dieser Beschränkung ab, so muß man
zugestehen, daß die Fellows oder Genossen des, Kollegiums, welche zusammen
mit dem Präsidenten das Vermögen, sowie die äußeren und inneren Angele¬
genheiten der Stiftung verwalten, das angenehmste Leben haben, was sich ein
gelehrter Klosterbruder, wie sie sich manchmal im Scherz selber nennen, nur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/92>, abgerufen am 06.02.2025.