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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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nach gelangten, und die fürstliche Freigebigkeit, mit der andere von vorn
herein ausgestattet wurden, gab zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts, zu¬
gleich mit andern Ursachen, Veranlassung zu dem großartigen Aufschwung des
englischen Baustils jener Epoche, der unter dem Namen des Tudor'schen be¬
kannt ist, und von dem mehrere der Colleges, wie New College, Magdalen
College und später Christ Church College in Oxford, Kings. Queens, und
Trinity College in Cambridge als die würdigsten Denkmäler können angesehen
werden. Fast alle diese Neugründungen wurden in viel großartigerem Ma߬
stabe eingerichtet, als die älteren Collegien. So wurde das von Bischof
Wykenham von Winchester erbaute New College angelegt für 70 Mitglieder,
3 Cantoren und 16 Chorknaben; nach demselben Maßstabe wurde Kings-
College in Cambridge eingerichtet; beide Stiftungen wurden aber noch tief
in Schatten gestellt durch die großartigen Schöpfungen des Cardinals Wolsey,
welcher das palastähnliche Christ Church College in Oxford erbaute, und Hein¬
rich's VIII., welcher Cambridge mit dem noch großartigeren Trinity College
beschenkte, der bedeutendsten Stiftung dieser Art, welche England überhaupt
besitzt, deren Einkommen jetzt über 400,000 Thlr. jährlich beträgt.

Bevor wir dazu übergehen, die innere Organisation der beiden Univer¬
sitäten und ihrer Collegien, die sich übrigens an beiden Orten und unter ein¬
ander durchaus ähnlich sind, sowie das Wesen und die Methode der dort be¬
triebenen Studien näher zu betrachten, dürfte es zweckmäßig sein, zunächst ein,
wenn auch nur oberflächliches Bild zu entwerfen von der äußeren Gestalt
und der Einrichtung der Colleges.

Nach den bisher gegebenen Andeutungen über die Entstehung der Colle¬
ges wird es kaum noch auffallen, daß dieselben auch äußerlich mit Kloster¬
bauten die allergrößte Aehnlichkeit haben. Fast alle Colleges mit nur weni¬
gen Ausnahmen sind in quadratförmiger Gestalt, mit einem großen entweder
gepflasterten, gewöhnlich aber als Rasenplatz ausgelegten Hos im Innern er¬
baut, und zwar meistens aus grauem Sandstein, der bei vielen der älteren
Gebäude ein sehr verwittertes Aussehen erlangt hat. Der eine Flügel des
Gebäudes wird gewöhnlich ganz oder zum Theil von der Kapelle eingenommen,
in der sich die Studenten und die Fellows Morgens oder Abends -- die er¬
steren des Sonntags mit weißen Talaren bekleidet -- zu gemeinschaftlichem
Gesänge und Gebet vereinigen. In einem zweiten Flügel befindet sich die
geräumige Wohnung des Präsidenten und seiner Familie, sowie die Zimmer
einer Anzahl der stets unverheirateten Fellows. Ein dritter Flügel gewährt
die Localitäten für Küche und Keller, sowie für einen großen gemeinsamen
Speisesaal. Dieselbe Seite enthält vielleicht noch einige Hörsäle und Wohnun¬
gen .der Studenten, doch auch der vierte Flügel hinzugenommen reicht dazu
selten aus, da sich die Oxforder und Cambridger Herren nicht mit unseren


nach gelangten, und die fürstliche Freigebigkeit, mit der andere von vorn
herein ausgestattet wurden, gab zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts, zu¬
gleich mit andern Ursachen, Veranlassung zu dem großartigen Aufschwung des
englischen Baustils jener Epoche, der unter dem Namen des Tudor'schen be¬
kannt ist, und von dem mehrere der Colleges, wie New College, Magdalen
College und später Christ Church College in Oxford, Kings. Queens, und
Trinity College in Cambridge als die würdigsten Denkmäler können angesehen
werden. Fast alle diese Neugründungen wurden in viel großartigerem Ma߬
stabe eingerichtet, als die älteren Collegien. So wurde das von Bischof
Wykenham von Winchester erbaute New College angelegt für 70 Mitglieder,
3 Cantoren und 16 Chorknaben; nach demselben Maßstabe wurde Kings-
College in Cambridge eingerichtet; beide Stiftungen wurden aber noch tief
in Schatten gestellt durch die großartigen Schöpfungen des Cardinals Wolsey,
welcher das palastähnliche Christ Church College in Oxford erbaute, und Hein¬
rich's VIII., welcher Cambridge mit dem noch großartigeren Trinity College
beschenkte, der bedeutendsten Stiftung dieser Art, welche England überhaupt
besitzt, deren Einkommen jetzt über 400,000 Thlr. jährlich beträgt.

Bevor wir dazu übergehen, die innere Organisation der beiden Univer¬
sitäten und ihrer Collegien, die sich übrigens an beiden Orten und unter ein¬
ander durchaus ähnlich sind, sowie das Wesen und die Methode der dort be¬
triebenen Studien näher zu betrachten, dürfte es zweckmäßig sein, zunächst ein,
wenn auch nur oberflächliches Bild zu entwerfen von der äußeren Gestalt
und der Einrichtung der Colleges.

Nach den bisher gegebenen Andeutungen über die Entstehung der Colle¬
ges wird es kaum noch auffallen, daß dieselben auch äußerlich mit Kloster¬
bauten die allergrößte Aehnlichkeit haben. Fast alle Colleges mit nur weni¬
gen Ausnahmen sind in quadratförmiger Gestalt, mit einem großen entweder
gepflasterten, gewöhnlich aber als Rasenplatz ausgelegten Hos im Innern er¬
baut, und zwar meistens aus grauem Sandstein, der bei vielen der älteren
Gebäude ein sehr verwittertes Aussehen erlangt hat. Der eine Flügel des
Gebäudes wird gewöhnlich ganz oder zum Theil von der Kapelle eingenommen,
in der sich die Studenten und die Fellows Morgens oder Abends — die er¬
steren des Sonntags mit weißen Talaren bekleidet — zu gemeinschaftlichem
Gesänge und Gebet vereinigen. In einem zweiten Flügel befindet sich die
geräumige Wohnung des Präsidenten und seiner Familie, sowie die Zimmer
einer Anzahl der stets unverheirateten Fellows. Ein dritter Flügel gewährt
die Localitäten für Küche und Keller, sowie für einen großen gemeinsamen
Speisesaal. Dieselbe Seite enthält vielleicht noch einige Hörsäle und Wohnun¬
gen .der Studenten, doch auch der vierte Flügel hinzugenommen reicht dazu
selten aus, da sich die Oxforder und Cambridger Herren nicht mit unseren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/90>, abgerufen am 06.02.2025.