Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Vor langen Jahren hatten die Ratten und Mäuse in Hameln dermaßen Andere Beweise sind, oder waren früher, folgende. Am neuen Thore befanden sich zwei aufeinander gelegte Steine, die ver¬ "(Zentum toi- Zonos puro eng-Aus ab uibe puollvK Das Jahr 1656 bezeichnet die Zeit, in welcher diese Verse der Ueber- Vgl. Geschichte der Stadt Hameln von Fr. Sprenger, Hannover, 182". S. 24 ff.
Vor langen Jahren hatten die Ratten und Mäuse in Hameln dermaßen Andere Beweise sind, oder waren früher, folgende. Am neuen Thore befanden sich zwei aufeinander gelegte Steine, die ver¬ „(Zentum toi- Zonos puro eng-Aus ab uibe puollvK Das Jahr 1656 bezeichnet die Zeit, in welcher diese Verse der Ueber- Vgl. Geschichte der Stadt Hameln von Fr. Sprenger, Hannover, 182«. S. 24 ff.
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Vor langen Jahren hatten die Ratten und Mäuse in Hameln dermaßen
überHand genommen, daß Menschen und Thiere vor ihrer Gefräßigkeit nicht
mehr wo aus noch ein wußten. Lange versuchte man auf die oder jene Weise
vergeblich sich zu helfen. Da meldete sich endlich eines Tages beim Rath ein
fremder Mann in bunten Kleidern, der sich gegen ein bestimmtes Geldgeschenk
erbot, die Stadt von dem Ungeziefer zu befreien. Der Rath ging auf den
Vorschlag ein, man einigte sich über eine gewisse Summe, und der Fremde
machte sich an's Werk. Er blies, indem er mit einer gellenden Pfeife durch
die Gassen schritt, sämmtliche Angehörige der gedachten beiden Ungezieserzünfte
zusammen, wendete sich darauf der Weser zu, ging durch das Thor, lockte
die wimmelnde Gesellschaft durch sein Pfeifen sich nach und führte sie schlie߬
lich in den Fluß, in welchem sie umkam. Der Bürgerschaft kam das un¬
heimlich vor, sie sah in dem Pfeifer den Teufel, und da man mit diesem
keinen Verkehr haben soll, ihm auch einen etwa mit ihm geschlossnen Pact
nicht zu halten braucht, so verweigerte der Rath die Zahlung des bedungnen
Lohnes. Natürlich verdroß das den Fremden, und sofort wußte er sich zu
rächen. Die Leute waren eben in der Kirche, als er seine Zauberpfeife von
Neuem erschallen ließ. Aber wie vorher die Mäuse und Ratten, so liefen
jetzt die Kinder der Stadt um ihn zusammen und folgten ihm durch das
Osterthor hinaus aufs Feld und weiter und immer weiter, bis er mit der
ganzen Schaar der Kleinen in einer Höhle des Koppelbergs verschwand. Eine
Magd, die von dem Vorgange mit Schauder Zeugin gewesen war, berichtete
das traurige Ereigniß den Eltern. Sie sahen ihre Kinder nicht wieder. Doch
erfuhren sie oder ihre Nachkommen nach einiger Zeit, daß die Kleinen in
Siebenbürgen wieder zum Vorschein gekommen waren. Weitgereiste Hand¬
werksburschen hatten sie dort getroffen und sich ihre Geschichte von ihnen in
hamelnscher Mundart erzählen lassen. Ein Beweis, daß die Handwerksbur-,
sehen richtig gehört und die Wahrheit erzählt, ist der Umstand, daß das
Plattdeutsch Hamelns noch heute von den siebenbürger Sachsen gesprochen wird.
Andere Beweise sind, oder waren früher, folgende.
Am neuen Thore befanden sich zwei aufeinander gelegte Steine, die ver¬
schiedenen Zeiten angehörten. Der obere enthielt nur die Jahreszahl „^no
clomini NvoeeOXXXI" (1531). Aus dem unteren befanden sich die Worte:
,,^uno 1556" und darunter die Verse:
„(Zentum toi- Zonos puro eng-Aus ab uibe puollvK
Dnxorat ante 272 «onSit«, xm-ta, nil."
Das Jahr 1656 bezeichnet die Zeit, in welcher diese Verse der Ueber-
schuft beigegeben wurden, der obere Stein dagegen enthält das Jahr der
Vgl. Geschichte der Stadt Hameln von Fr. Sprenger, Hannover, 182«. S. 24 ff.
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