Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.so lieb und ihn auf der Erde so liebenswürdig macht: einen lachenden, herz¬ Die Hauptmomente aus dem Leben des Dichters sind so allgemein be¬ Hochwillkommen ist die endgültige Feststellung einer Thatsache, welcher Der Wasserkrug macht nimmer klug und dreist, Es ist in der That unglaublich, welche Fülle antediluvianischer Märchen so lieb und ihn auf der Erde so liebenswürdig macht: einen lachenden, herz¬ Die Hauptmomente aus dem Leben des Dichters sind so allgemein be¬ Hochwillkommen ist die endgültige Feststellung einer Thatsache, welcher Der Wasserkrug macht nimmer klug und dreist, Es ist in der That unglaublich, welche Fülle antediluvianischer Märchen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133727"/> <p xml:id="ID_1414" prev="#ID_1413"> so lieb und ihn auf der Erde so liebenswürdig macht: einen lachenden, herz¬<lb/> lichen, goldenen Humor."</p><lb/> <p xml:id="ID_1415"> Die Hauptmomente aus dem Leben des Dichters sind so allgemein be¬<lb/> kannt, daß eine Wiederholung derselben überflüssig scheint. Interessant für<lb/> die Entwicklung des Knaben ist die Einwirkung der Aeltern, welche zeigt,<lb/> daß Reuter wie die meisten poetischen Naturen die dichterische Beanlagung<lb/> von seiner Mutter, Intelligenz und Charakter von seinem Vater geerbt hat.<lb/> Sein schon früh erwachter künstlerischer Sinn wandte sich den bildenden<lb/> Künsten zu; er wünschte Maler zu werden. Aber der Vater wollte von einer<lb/> solchen, unter Umständen aussichtslosen Existenz, Nichts wissen und wies den<lb/> Jüngling energisch in die Gelehrtenlaufbahn. So bezog Reuter, um die<lb/> Rechte zu studiren, die Universität Rostock, die er bald mit derjenigen zu<lb/> Jena vertauschte. Wie er dann in schnödester Weise, aus keinem anderen<lb/> Grunde, als weil er die den deutschen Einheitsgedanken versinnbildlichenden<lb/> Farben getragen hatte, seiner Freiheit beraubt und sieben Jahre lang von<lb/> einer Festung zur andern gezerrt wurde, bis ihm bei der Thronbesteigung<lb/> Friedrich Wilhelm's IV. die Stunde der Erlösung schlug, dies Alles sind oft<lb/> besprochene Thatsachen, welche zugleich schmerzliche Blicke auf tiefschwarze<lb/> Blätter in dem Buche der deutschen Geschichte eröffnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1416"> Hochwillkommen ist die endgültige Feststellung einer Thatsache, welcher<lb/> Wilbrandt trotz ihres delikaten Charakters mit Recht nicht aus dem Wege<lb/> gegangen ist. Es betrifft die Frage von Reuter's Beziehung zu dem Bött-<lb/> cher'sehen Spruche:</p><lb/> <quote> Der Wasserkrug macht nimmer klug und dreist,<lb/> Der Wein ist des Poeten heil'ger Geist.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1417"> Es ist in der That unglaublich, welche Fülle antediluvianischer Märchen<lb/> in Bezug aus diesen Punkt kolportirt und auf Treu und Glauben angenom¬<lb/> men worden sind. Man hat sich nicht geschämt das Leben des Dichters in<lb/> einer Weise auszumalen, als ob derselbe beständig am Spundloche eines<lb/> Arakfasses gelegen und an schrecklichen Ausbrüchen des äslirium tremens ge¬<lb/> litten habe. Nun wissen wir endlich, daß die elende Haft den armen Ge¬<lb/> fangenen von Zeit zu Zeit zur Anwendung aufheiternder Getränke trieb, und<lb/> daß sich in Folge dessen eine „Neurose", eine krankhafte Verstimmung der<lb/> Nerven des Magens und der Speiseröhre bildete, welche eine nicht zu unter-<lb/> drückende Begierde nach geistigen Getränken erzeugte, die erst nach einer unter<lb/> qualvollen Erbrechen erfolgten Krisis gestillt werden konnte. Nach einer<lb/> solchen Katastrophe trat die Reaktion seines Geistes und Körpers mit wahr¬<lb/> haft wunderbarer Intensität ein, die ihn zu seinen höchsten Leistungen be¬<lb/> fähigte. Eine hochherzige Pflegerin in seiner Krankheit wurde seine Gattin,<lb/> mit der er im Jahre 1851 zu Treptow einen eigenen Hausstand begründete.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0439]
so lieb und ihn auf der Erde so liebenswürdig macht: einen lachenden, herz¬
lichen, goldenen Humor."
Die Hauptmomente aus dem Leben des Dichters sind so allgemein be¬
kannt, daß eine Wiederholung derselben überflüssig scheint. Interessant für
die Entwicklung des Knaben ist die Einwirkung der Aeltern, welche zeigt,
daß Reuter wie die meisten poetischen Naturen die dichterische Beanlagung
von seiner Mutter, Intelligenz und Charakter von seinem Vater geerbt hat.
Sein schon früh erwachter künstlerischer Sinn wandte sich den bildenden
Künsten zu; er wünschte Maler zu werden. Aber der Vater wollte von einer
solchen, unter Umständen aussichtslosen Existenz, Nichts wissen und wies den
Jüngling energisch in die Gelehrtenlaufbahn. So bezog Reuter, um die
Rechte zu studiren, die Universität Rostock, die er bald mit derjenigen zu
Jena vertauschte. Wie er dann in schnödester Weise, aus keinem anderen
Grunde, als weil er die den deutschen Einheitsgedanken versinnbildlichenden
Farben getragen hatte, seiner Freiheit beraubt und sieben Jahre lang von
einer Festung zur andern gezerrt wurde, bis ihm bei der Thronbesteigung
Friedrich Wilhelm's IV. die Stunde der Erlösung schlug, dies Alles sind oft
besprochene Thatsachen, welche zugleich schmerzliche Blicke auf tiefschwarze
Blätter in dem Buche der deutschen Geschichte eröffnen.
Hochwillkommen ist die endgültige Feststellung einer Thatsache, welcher
Wilbrandt trotz ihres delikaten Charakters mit Recht nicht aus dem Wege
gegangen ist. Es betrifft die Frage von Reuter's Beziehung zu dem Bött-
cher'sehen Spruche:
Der Wasserkrug macht nimmer klug und dreist,
Der Wein ist des Poeten heil'ger Geist.
Es ist in der That unglaublich, welche Fülle antediluvianischer Märchen
in Bezug aus diesen Punkt kolportirt und auf Treu und Glauben angenom¬
men worden sind. Man hat sich nicht geschämt das Leben des Dichters in
einer Weise auszumalen, als ob derselbe beständig am Spundloche eines
Arakfasses gelegen und an schrecklichen Ausbrüchen des äslirium tremens ge¬
litten habe. Nun wissen wir endlich, daß die elende Haft den armen Ge¬
fangenen von Zeit zu Zeit zur Anwendung aufheiternder Getränke trieb, und
daß sich in Folge dessen eine „Neurose", eine krankhafte Verstimmung der
Nerven des Magens und der Speiseröhre bildete, welche eine nicht zu unter-
drückende Begierde nach geistigen Getränken erzeugte, die erst nach einer unter
qualvollen Erbrechen erfolgten Krisis gestillt werden konnte. Nach einer
solchen Katastrophe trat die Reaktion seines Geistes und Körpers mit wahr¬
haft wunderbarer Intensität ein, die ihn zu seinen höchsten Leistungen be¬
fähigte. Eine hochherzige Pflegerin in seiner Krankheit wurde seine Gattin,
mit der er im Jahre 1851 zu Treptow einen eigenen Hausstand begründete.
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