Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jene Scheidung aber der Diöcesen nach dem Laufe der Drau ist für die na¬
tionale Gestaltung jener Lande überhaupt von Bedeutung geworden, denn
bis zur Stunde bildet der Fluß in seinem oberen Laufe im Wesentlichen die
Grenze der Deutschen und der Südslawen (Slowenen). War doch der Land¬
strich südlich der Drau kirchlich mit Aquileja. politisch mit der Markgrafschaft
Friaul, in beiden Beziehungen also mit Italien verbunden und damit dem
direkten Einflüsse Deutschlands entzogen. So weit reichen die Wurzeln jener
Entwicklung zurück.

Noch im Jahre 798 machte sich Arno auf eine besondere Aufforderung
Karls des Großen nach dem Avarenlande auf, von den besten Wünschen seines
Freundes Altum begleitet. War auch seine persönliche Wirksamkeit von kurzer
Dauer -- denn schon im Laufe des Jahres 799 ist er zurückgekehrt -- er hatte
doch selbst die Lage der Dinge kennen gelernt und mit voller Sachkenntniß
vermochte er seine Anordnungen zu treffen. Dahin gehört vor allen Dingen
die Ernennung des Landbischofs Theodorich für jenes Gebiet. Eine ganze
Reihe anderer unter Salzburg stehender Bischöfe haben nach ihm unter Sla¬
wen und Avaren gearbeitet.

Ein irgendwie erheblicher Widerstand gegen die neue Lehre scheint nir¬
gends hervorgetreten zu sein, weder bei Avaren noch bei Slawen. Schon 797
hatte das ganze avarische Volk Uebertritt zum Christenthums gelobt, seine
Häuptlinge theilweise noch früher. Ja einer von ihnen steht im Verbrüde¬
rungsbuche des Se. Petersstiftes zu Salzburg verzeichnet. Und überall er¬
hoben sich nun christliche Kirchen und Kapellen, von deutschen Bauleuten
ausgeführt, von deutschen Erzbischöfen geweiht, von deutschen Priestern ver¬
sehen. Erzbischof Adalwin von Salzburg (858 ff.) hat allein 32 Kirchen in
diesen slawisch-avarischen Landschaften geweiht, von denen ein guter Theil
auf Pannonien selbst fallen dürfte. In dichter Reihe entstanden diese Anlagen
namentlich am Wiener Walde, im heutigen Nieder-Oesterreich, wie in Werd,
Tarnberg, Edlitz u. a. in., aber auch darüber hinaus auf jetzt ungarischen
Boden, z. B. in Gans (Kresi). Besonders wichtig für die Christianisirung
unter deutschem Einfluß wurde die Begründung eines slawischen Fürstenthums
unter deutscher Oberhoheit im Lande um den Plattensee. Ein mährischer
Fürst, Priwina, dem Christenthums geneigt, deshalb verjagt und in Trais-
mauer getauft, erhielt um 840 von König Ludwig dem Deutschen die Er¬
laubniß, nicht fern vom Plattensee eine Herrschaft und eine Stadt gründen
zu dürfen. So entstand an der Szala die Stadt Mosaburg, d. i. Sumpf¬
burg, das jetzige Szalavär. Das Fürstenthum aber erstreckte sich bald im
Osten bis zur Donau, im Süden bis an die Drau, im Westen bis an die
Raab und die Abfälle des steirischen Gebirges. 849 verwandelte dann König
Ludwig dies bis dahin zu Lehen getragene Gebiet dem Slawen in sein El-


Jene Scheidung aber der Diöcesen nach dem Laufe der Drau ist für die na¬
tionale Gestaltung jener Lande überhaupt von Bedeutung geworden, denn
bis zur Stunde bildet der Fluß in seinem oberen Laufe im Wesentlichen die
Grenze der Deutschen und der Südslawen (Slowenen). War doch der Land¬
strich südlich der Drau kirchlich mit Aquileja. politisch mit der Markgrafschaft
Friaul, in beiden Beziehungen also mit Italien verbunden und damit dem
direkten Einflüsse Deutschlands entzogen. So weit reichen die Wurzeln jener
Entwicklung zurück.

Noch im Jahre 798 machte sich Arno auf eine besondere Aufforderung
Karls des Großen nach dem Avarenlande auf, von den besten Wünschen seines
Freundes Altum begleitet. War auch seine persönliche Wirksamkeit von kurzer
Dauer — denn schon im Laufe des Jahres 799 ist er zurückgekehrt — er hatte
doch selbst die Lage der Dinge kennen gelernt und mit voller Sachkenntniß
vermochte er seine Anordnungen zu treffen. Dahin gehört vor allen Dingen
die Ernennung des Landbischofs Theodorich für jenes Gebiet. Eine ganze
Reihe anderer unter Salzburg stehender Bischöfe haben nach ihm unter Sla¬
wen und Avaren gearbeitet.

Ein irgendwie erheblicher Widerstand gegen die neue Lehre scheint nir¬
gends hervorgetreten zu sein, weder bei Avaren noch bei Slawen. Schon 797
hatte das ganze avarische Volk Uebertritt zum Christenthums gelobt, seine
Häuptlinge theilweise noch früher. Ja einer von ihnen steht im Verbrüde¬
rungsbuche des Se. Petersstiftes zu Salzburg verzeichnet. Und überall er¬
hoben sich nun christliche Kirchen und Kapellen, von deutschen Bauleuten
ausgeführt, von deutschen Erzbischöfen geweiht, von deutschen Priestern ver¬
sehen. Erzbischof Adalwin von Salzburg (858 ff.) hat allein 32 Kirchen in
diesen slawisch-avarischen Landschaften geweiht, von denen ein guter Theil
auf Pannonien selbst fallen dürfte. In dichter Reihe entstanden diese Anlagen
namentlich am Wiener Walde, im heutigen Nieder-Oesterreich, wie in Werd,
Tarnberg, Edlitz u. a. in., aber auch darüber hinaus auf jetzt ungarischen
Boden, z. B. in Gans (Kresi). Besonders wichtig für die Christianisirung
unter deutschem Einfluß wurde die Begründung eines slawischen Fürstenthums
unter deutscher Oberhoheit im Lande um den Plattensee. Ein mährischer
Fürst, Priwina, dem Christenthums geneigt, deshalb verjagt und in Trais-
mauer getauft, erhielt um 840 von König Ludwig dem Deutschen die Er¬
laubniß, nicht fern vom Plattensee eine Herrschaft und eine Stadt gründen
zu dürfen. So entstand an der Szala die Stadt Mosaburg, d. i. Sumpf¬
burg, das jetzige Szalavär. Das Fürstenthum aber erstreckte sich bald im
Osten bis zur Donau, im Süden bis an die Drau, im Westen bis an die
Raab und die Abfälle des steirischen Gebirges. 849 verwandelte dann König
Ludwig dies bis dahin zu Lehen getragene Gebiet dem Slawen in sein El-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0432" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133720"/>
          <p xml:id="ID_1393" prev="#ID_1392"> Jene Scheidung aber der Diöcesen nach dem Laufe der Drau ist für die na¬<lb/>
tionale Gestaltung jener Lande überhaupt von Bedeutung geworden, denn<lb/>
bis zur Stunde bildet der Fluß in seinem oberen Laufe im Wesentlichen die<lb/>
Grenze der Deutschen und der Südslawen (Slowenen). War doch der Land¬<lb/>
strich südlich der Drau kirchlich mit Aquileja. politisch mit der Markgrafschaft<lb/>
Friaul, in beiden Beziehungen also mit Italien verbunden und damit dem<lb/>
direkten Einflüsse Deutschlands entzogen. So weit reichen die Wurzeln jener<lb/>
Entwicklung zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1394"> Noch im Jahre 798 machte sich Arno auf eine besondere Aufforderung<lb/>
Karls des Großen nach dem Avarenlande auf, von den besten Wünschen seines<lb/>
Freundes Altum begleitet. War auch seine persönliche Wirksamkeit von kurzer<lb/>
Dauer &#x2014; denn schon im Laufe des Jahres 799 ist er zurückgekehrt &#x2014; er hatte<lb/>
doch selbst die Lage der Dinge kennen gelernt und mit voller Sachkenntniß<lb/>
vermochte er seine Anordnungen zu treffen. Dahin gehört vor allen Dingen<lb/>
die Ernennung des Landbischofs Theodorich für jenes Gebiet. Eine ganze<lb/>
Reihe anderer unter Salzburg stehender Bischöfe haben nach ihm unter Sla¬<lb/>
wen und Avaren gearbeitet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1395" next="#ID_1396"> Ein irgendwie erheblicher Widerstand gegen die neue Lehre scheint nir¬<lb/>
gends hervorgetreten zu sein, weder bei Avaren noch bei Slawen. Schon 797<lb/>
hatte das ganze avarische Volk Uebertritt zum Christenthums gelobt, seine<lb/>
Häuptlinge theilweise noch früher. Ja einer von ihnen steht im Verbrüde¬<lb/>
rungsbuche des Se. Petersstiftes zu Salzburg verzeichnet. Und überall er¬<lb/>
hoben sich nun christliche Kirchen und Kapellen, von deutschen Bauleuten<lb/>
ausgeführt, von deutschen Erzbischöfen geweiht, von deutschen Priestern ver¬<lb/>
sehen. Erzbischof Adalwin von Salzburg (858 ff.) hat allein 32 Kirchen in<lb/>
diesen slawisch-avarischen Landschaften geweiht, von denen ein guter Theil<lb/>
auf Pannonien selbst fallen dürfte. In dichter Reihe entstanden diese Anlagen<lb/>
namentlich am Wiener Walde, im heutigen Nieder-Oesterreich, wie in Werd,<lb/>
Tarnberg, Edlitz u. a. in., aber auch darüber hinaus auf jetzt ungarischen<lb/>
Boden, z. B. in Gans (Kresi). Besonders wichtig für die Christianisirung<lb/>
unter deutschem Einfluß wurde die Begründung eines slawischen Fürstenthums<lb/>
unter deutscher Oberhoheit im Lande um den Plattensee. Ein mährischer<lb/>
Fürst, Priwina, dem Christenthums geneigt, deshalb verjagt und in Trais-<lb/>
mauer getauft, erhielt um 840 von König Ludwig dem Deutschen die Er¬<lb/>
laubniß, nicht fern vom Plattensee eine Herrschaft und eine Stadt gründen<lb/>
zu dürfen. So entstand an der Szala die Stadt Mosaburg, d. i. Sumpf¬<lb/>
burg, das jetzige Szalavär. Das Fürstenthum aber erstreckte sich bald im<lb/>
Osten bis zur Donau, im Süden bis an die Drau, im Westen bis an die<lb/>
Raab und die Abfälle des steirischen Gebirges. 849 verwandelte dann König<lb/>
Ludwig dies bis dahin zu Lehen getragene Gebiet dem Slawen in sein El-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0432] Jene Scheidung aber der Diöcesen nach dem Laufe der Drau ist für die na¬ tionale Gestaltung jener Lande überhaupt von Bedeutung geworden, denn bis zur Stunde bildet der Fluß in seinem oberen Laufe im Wesentlichen die Grenze der Deutschen und der Südslawen (Slowenen). War doch der Land¬ strich südlich der Drau kirchlich mit Aquileja. politisch mit der Markgrafschaft Friaul, in beiden Beziehungen also mit Italien verbunden und damit dem direkten Einflüsse Deutschlands entzogen. So weit reichen die Wurzeln jener Entwicklung zurück. Noch im Jahre 798 machte sich Arno auf eine besondere Aufforderung Karls des Großen nach dem Avarenlande auf, von den besten Wünschen seines Freundes Altum begleitet. War auch seine persönliche Wirksamkeit von kurzer Dauer — denn schon im Laufe des Jahres 799 ist er zurückgekehrt — er hatte doch selbst die Lage der Dinge kennen gelernt und mit voller Sachkenntniß vermochte er seine Anordnungen zu treffen. Dahin gehört vor allen Dingen die Ernennung des Landbischofs Theodorich für jenes Gebiet. Eine ganze Reihe anderer unter Salzburg stehender Bischöfe haben nach ihm unter Sla¬ wen und Avaren gearbeitet. Ein irgendwie erheblicher Widerstand gegen die neue Lehre scheint nir¬ gends hervorgetreten zu sein, weder bei Avaren noch bei Slawen. Schon 797 hatte das ganze avarische Volk Uebertritt zum Christenthums gelobt, seine Häuptlinge theilweise noch früher. Ja einer von ihnen steht im Verbrüde¬ rungsbuche des Se. Petersstiftes zu Salzburg verzeichnet. Und überall er¬ hoben sich nun christliche Kirchen und Kapellen, von deutschen Bauleuten ausgeführt, von deutschen Erzbischöfen geweiht, von deutschen Priestern ver¬ sehen. Erzbischof Adalwin von Salzburg (858 ff.) hat allein 32 Kirchen in diesen slawisch-avarischen Landschaften geweiht, von denen ein guter Theil auf Pannonien selbst fallen dürfte. In dichter Reihe entstanden diese Anlagen namentlich am Wiener Walde, im heutigen Nieder-Oesterreich, wie in Werd, Tarnberg, Edlitz u. a. in., aber auch darüber hinaus auf jetzt ungarischen Boden, z. B. in Gans (Kresi). Besonders wichtig für die Christianisirung unter deutschem Einfluß wurde die Begründung eines slawischen Fürstenthums unter deutscher Oberhoheit im Lande um den Plattensee. Ein mährischer Fürst, Priwina, dem Christenthums geneigt, deshalb verjagt und in Trais- mauer getauft, erhielt um 840 von König Ludwig dem Deutschen die Er¬ laubniß, nicht fern vom Plattensee eine Herrschaft und eine Stadt gründen zu dürfen. So entstand an der Szala die Stadt Mosaburg, d. i. Sumpf¬ burg, das jetzige Szalavär. Das Fürstenthum aber erstreckte sich bald im Osten bis zur Donau, im Süden bis an die Drau, im Westen bis an die Raab und die Abfälle des steirischen Gebirges. 849 verwandelte dann König Ludwig dies bis dahin zu Lehen getragene Gebiet dem Slawen in sein El-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/432
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/432>, abgerufen am 06.02.2025.