Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.an die jetzt fast völlig verschwundene slawische Bevölkerung Pannoniens, wie Doch bald machte sich auf das große Land ein übermächtiger deutscher Auch die Geistlichen der Franken und Baiern zogen dieselbe Straße. an die jetzt fast völlig verschwundene slawische Bevölkerung Pannoniens, wie Doch bald machte sich auf das große Land ein übermächtiger deutscher Auch die Geistlichen der Franken und Baiern zogen dieselbe Straße. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133718"/> <p xml:id="ID_1388" prev="#ID_1387"> an die jetzt fast völlig verschwundene slawische Bevölkerung Pannoniens, wie<lb/> die Bezeichnung des Plattensees, der bei den Magyaren Balaton heißt, von<lb/> Siao. blato, Sumpf, Schmutz.</p><lb/> <p xml:id="ID_1389"> Doch bald machte sich auf das große Land ein übermächtiger deutscher<lb/> Cultureinfluß geltend. Zwei deutsche Stämme sind es überhaupt vornehmlich<lb/> gewesen, welche deutsche Sprache und Sitte in den slawischen Osten getragen<lb/> haben, im Norden die Nieder-Sachsen, im Süden die Baiern, beide einander<lb/> mannigfach ähnlich. Denn beide sind vorwiegend ein Volk der Ebene, beide<lb/> offenbaren dieselbe nachhaltige Zähigkeit, dieselbe derbe Kraft, beide endlich<lb/> haben sich politisch nie so zersplittert, wie die Schwaben oder Franken. Aber<lb/> die Sachsen waren damals, als das Avarenland fränkisch wurde, noch kaum<lb/> unterworfen, standen christlicher Gesittung noch in hartem Trotz gegenüber<lb/> und sahen in den Franken ihre Feinde, nicht in den Slawen im überelbischen<lb/> Osten. Erst ein volles Jahrhundert später haben sie den Kampf gegen die<lb/> Elbslawen eröffnet, der dann 300 Jahre lang ihre Hauptaufgabe war. Die<lb/> Baiern dagegen, von Beginn ihrer Geschichte an auf altrömischem, also alt¬<lb/> christlichem Boden angesessen, beteten schon anderthalb Jahrhunderte vor Karl<lb/> dem Großen zum Christengott und ihr letzter Volksherzog, jener Thassilo, der<lb/> der fränkischen Macht erlag und auf Befehl des großen Königs zum Mönch<lb/> geschoren ward, hat zahlreiche Kirchen und Klöster gestiftet oder begabt. So<lb/> wurden die Baiern der erste deutsche Stamm, der erobernd und colonisirend<lb/> in die Völkerwildniß des Ostens drang. Die grauen Fluten der heimischen<lb/> Donau wiesen sie dahin; der mächtige Strom, der den Römern nur als<lb/> Wallgraben gedient, ward zur Culturstraße; auf seinem breiten Rücken trug<lb/> er durch düstre Tannenforsten und weite Ebenen an zahllosen Inseln und<lb/> niedrigen Auen vorüber die Proviantflotten der fränkischen Heere und das<lb/> Schiff des bairischen Kaufmanns, der Salz und Rosse und Gewänder nach<lb/> dem Osten führte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1390" next="#ID_1391"> Auch die Geistlichen der Franken und Baiern zogen dieselbe Straße.<lb/> Denn sie waren es, welche als die ersten das Barbarenland einer höheren<lb/> Cultur eröffneten, und mit der Lehre des Christenthums die Keime höherer<lb/> Gesittung pflanzten. Es ist ein eigenthümliches Geschlecht, diese karolingischen<lb/> Geistlichen. Voll Opfermuth und Entsagung wie moderne Missionare, ver¬<lb/> binden die besten unter ihnen damit eine feurige Thatkraft und Herrschbegier,<lb/> Kenntniß der Welt und alle Geistesbildung, deren jene Zeit fähig war. So<lb/> treten sie den Barbaren gegenüber, sicher die Auslese ihres Volkes, seinen<lb/> Kriegsführern und Staatsmännern gewiß ebenbürtig, ja überlegen, wenn sie<lb/> nicht gar beides selber waren. Vor allem von Salzburg drang die<lb/> Gesittung ostwärts. Seit der heilige Rupert (um 700) in den waldbewachsenen<lb/> Trümmern der alten Römerstadt Juvavia am Fuße des Mönchsberges Peters-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0430]
an die jetzt fast völlig verschwundene slawische Bevölkerung Pannoniens, wie
die Bezeichnung des Plattensees, der bei den Magyaren Balaton heißt, von
Siao. blato, Sumpf, Schmutz.
Doch bald machte sich auf das große Land ein übermächtiger deutscher
Cultureinfluß geltend. Zwei deutsche Stämme sind es überhaupt vornehmlich
gewesen, welche deutsche Sprache und Sitte in den slawischen Osten getragen
haben, im Norden die Nieder-Sachsen, im Süden die Baiern, beide einander
mannigfach ähnlich. Denn beide sind vorwiegend ein Volk der Ebene, beide
offenbaren dieselbe nachhaltige Zähigkeit, dieselbe derbe Kraft, beide endlich
haben sich politisch nie so zersplittert, wie die Schwaben oder Franken. Aber
die Sachsen waren damals, als das Avarenland fränkisch wurde, noch kaum
unterworfen, standen christlicher Gesittung noch in hartem Trotz gegenüber
und sahen in den Franken ihre Feinde, nicht in den Slawen im überelbischen
Osten. Erst ein volles Jahrhundert später haben sie den Kampf gegen die
Elbslawen eröffnet, der dann 300 Jahre lang ihre Hauptaufgabe war. Die
Baiern dagegen, von Beginn ihrer Geschichte an auf altrömischem, also alt¬
christlichem Boden angesessen, beteten schon anderthalb Jahrhunderte vor Karl
dem Großen zum Christengott und ihr letzter Volksherzog, jener Thassilo, der
der fränkischen Macht erlag und auf Befehl des großen Königs zum Mönch
geschoren ward, hat zahlreiche Kirchen und Klöster gestiftet oder begabt. So
wurden die Baiern der erste deutsche Stamm, der erobernd und colonisirend
in die Völkerwildniß des Ostens drang. Die grauen Fluten der heimischen
Donau wiesen sie dahin; der mächtige Strom, der den Römern nur als
Wallgraben gedient, ward zur Culturstraße; auf seinem breiten Rücken trug
er durch düstre Tannenforsten und weite Ebenen an zahllosen Inseln und
niedrigen Auen vorüber die Proviantflotten der fränkischen Heere und das
Schiff des bairischen Kaufmanns, der Salz und Rosse und Gewänder nach
dem Osten führte.
Auch die Geistlichen der Franken und Baiern zogen dieselbe Straße.
Denn sie waren es, welche als die ersten das Barbarenland einer höheren
Cultur eröffneten, und mit der Lehre des Christenthums die Keime höherer
Gesittung pflanzten. Es ist ein eigenthümliches Geschlecht, diese karolingischen
Geistlichen. Voll Opfermuth und Entsagung wie moderne Missionare, ver¬
binden die besten unter ihnen damit eine feurige Thatkraft und Herrschbegier,
Kenntniß der Welt und alle Geistesbildung, deren jene Zeit fähig war. So
treten sie den Barbaren gegenüber, sicher die Auslese ihres Volkes, seinen
Kriegsführern und Staatsmännern gewiß ebenbürtig, ja überlegen, wenn sie
nicht gar beides selber waren. Vor allem von Salzburg drang die
Gesittung ostwärts. Seit der heilige Rupert (um 700) in den waldbewachsenen
Trümmern der alten Römerstadt Juvavia am Fuße des Mönchsberges Peters-
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