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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Warum also diesen Nachklang des uralten Sonnencultus und persischen
Feuercultus, der in so geläuterter Form sich im Dienste des Einen Gottes
erhalten hat, unnöthig abschaffen?

Ein nicht zelotischer Geist wird kein Aergerniß an diesen Lichtern nehmen,
so wenig wie er in einer katholischen Messe die herrlichen Melodien un¬
serer Musikheroen weniger schön findet, weil die Messe nicht seinem Glauben
entspricht.

Von den bisherigen katholischen Geistlichen verlangen wir, daß sie außer
der Bibel und den Kirchenvätern auch diejenigen Schätze der modernen classi¬
schen Literatur'ihren Predigten einverleiben, welche die Beziehung des Menschen
und der Natur zu Gott ausdrücken. Sie dürfen nicht länger eulturfeindlich
unsere großen Dichter verleugnen. Als ich eine der erhabensten Stellen aus
Schiller's Genien einem ultramontanen Geistlichen citirte, rief er wüthend:
"Schweigen Sie mir von diesem Atheisten!" Wenn die Verleumdung Schiller
katholisch sterben läßt, so wundert es mich, daß sie nicht vorab Goethe als
Katholiken stempelt, der doch im 2. Theile Faust's freiwillig einen katholischen
Himmel mit dem ausgesprochensten Mariencultus erdichtete, in welchem er
Faust von Engeln tragen läßt. Hier ist mir Goethe der beste Gewährsmann,
daß die Poesie der Menschheit sich Alles aneignen darf, was nur Erhabenes
in irgend einem Cultus existirt; ja daß es die Pflicht des Dichters ist, diese
Symbole zu retten, wenn sie in Gefahr sind, mit dem Wüste des Aberglau¬
bens weggefegt zu werden. Naria, glorios", als Repräsentantin des höchsten
weiblichen Ideales ist die Ergänzung der nach Freiheit und Unendlichkeit stre¬
benden Seele des Mannes und somit schließt dieses Gedicht mit den be¬
zeichnenden Worten "Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan", welche die vollste
Berechtigung des Mariencultus enthalten. Freilich eines poetischen Cultus,
der sich wie die herrliche Madonna auf Goldgrund im Cölner Dom zuo
Zerrbild einer Muttergottes von Kevelar verhält.

Der Altkatholicismus wird als eine seiner wichtigsten Ausgaben nach
Abschaffung des Glaubenszwanges die Reinigung des äußeren Cultus betracht
ten müssen. Jeder Vernünftige begrüßt die Worte Reinkens, daß kein Wür¬
denkultus mehr herrschen solle, als eine Abschlagszahlung, denn vorerst mußte
ja äußerlich Alles beim Alten bleiben, um die wichtigeren geistigen Schlachten
zu schlagen. Sei es mir daher zum Schlüsse erlaubt die wichtigsten Reformen
anzudeuten.

Wie soll die Kleidung des Geistlichen sein?

Absichtlich wurde auf.die Person desselben übertragen, was Gottes ist,
nämlich die Gewalt der Sündenvergebung, der wunderthätigen Verwandlung ^'
und somit trug der Geistliche auch auf seinem Körper heilige Symbole und
Darstellungen, welche die Verehrung der Massen herausforderten. Nicht nur


Warum also diesen Nachklang des uralten Sonnencultus und persischen
Feuercultus, der in so geläuterter Form sich im Dienste des Einen Gottes
erhalten hat, unnöthig abschaffen?

Ein nicht zelotischer Geist wird kein Aergerniß an diesen Lichtern nehmen,
so wenig wie er in einer katholischen Messe die herrlichen Melodien un¬
serer Musikheroen weniger schön findet, weil die Messe nicht seinem Glauben
entspricht.

Von den bisherigen katholischen Geistlichen verlangen wir, daß sie außer
der Bibel und den Kirchenvätern auch diejenigen Schätze der modernen classi¬
schen Literatur'ihren Predigten einverleiben, welche die Beziehung des Menschen
und der Natur zu Gott ausdrücken. Sie dürfen nicht länger eulturfeindlich
unsere großen Dichter verleugnen. Als ich eine der erhabensten Stellen aus
Schiller's Genien einem ultramontanen Geistlichen citirte, rief er wüthend:
„Schweigen Sie mir von diesem Atheisten!" Wenn die Verleumdung Schiller
katholisch sterben läßt, so wundert es mich, daß sie nicht vorab Goethe als
Katholiken stempelt, der doch im 2. Theile Faust's freiwillig einen katholischen
Himmel mit dem ausgesprochensten Mariencultus erdichtete, in welchem er
Faust von Engeln tragen läßt. Hier ist mir Goethe der beste Gewährsmann,
daß die Poesie der Menschheit sich Alles aneignen darf, was nur Erhabenes
in irgend einem Cultus existirt; ja daß es die Pflicht des Dichters ist, diese
Symbole zu retten, wenn sie in Gefahr sind, mit dem Wüste des Aberglau¬
bens weggefegt zu werden. Naria, glorios», als Repräsentantin des höchsten
weiblichen Ideales ist die Ergänzung der nach Freiheit und Unendlichkeit stre¬
benden Seele des Mannes und somit schließt dieses Gedicht mit den be¬
zeichnenden Worten „Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan", welche die vollste
Berechtigung des Mariencultus enthalten. Freilich eines poetischen Cultus,
der sich wie die herrliche Madonna auf Goldgrund im Cölner Dom zuo
Zerrbild einer Muttergottes von Kevelar verhält.

Der Altkatholicismus wird als eine seiner wichtigsten Ausgaben nach
Abschaffung des Glaubenszwanges die Reinigung des äußeren Cultus betracht
ten müssen. Jeder Vernünftige begrüßt die Worte Reinkens, daß kein Wür¬
denkultus mehr herrschen solle, als eine Abschlagszahlung, denn vorerst mußte
ja äußerlich Alles beim Alten bleiben, um die wichtigeren geistigen Schlachten
zu schlagen. Sei es mir daher zum Schlüsse erlaubt die wichtigsten Reformen
anzudeuten.

Wie soll die Kleidung des Geistlichen sein?

Absichtlich wurde auf.die Person desselben übertragen, was Gottes ist,
nämlich die Gewalt der Sündenvergebung, der wunderthätigen Verwandlung ^'
und somit trug der Geistliche auch auf seinem Körper heilige Symbole und
Darstellungen, welche die Verehrung der Massen herausforderten. Nicht nur


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[0426] Warum also diesen Nachklang des uralten Sonnencultus und persischen Feuercultus, der in so geläuterter Form sich im Dienste des Einen Gottes erhalten hat, unnöthig abschaffen? Ein nicht zelotischer Geist wird kein Aergerniß an diesen Lichtern nehmen, so wenig wie er in einer katholischen Messe die herrlichen Melodien un¬ serer Musikheroen weniger schön findet, weil die Messe nicht seinem Glauben entspricht. Von den bisherigen katholischen Geistlichen verlangen wir, daß sie außer der Bibel und den Kirchenvätern auch diejenigen Schätze der modernen classi¬ schen Literatur'ihren Predigten einverleiben, welche die Beziehung des Menschen und der Natur zu Gott ausdrücken. Sie dürfen nicht länger eulturfeindlich unsere großen Dichter verleugnen. Als ich eine der erhabensten Stellen aus Schiller's Genien einem ultramontanen Geistlichen citirte, rief er wüthend: „Schweigen Sie mir von diesem Atheisten!" Wenn die Verleumdung Schiller katholisch sterben läßt, so wundert es mich, daß sie nicht vorab Goethe als Katholiken stempelt, der doch im 2. Theile Faust's freiwillig einen katholischen Himmel mit dem ausgesprochensten Mariencultus erdichtete, in welchem er Faust von Engeln tragen läßt. Hier ist mir Goethe der beste Gewährsmann, daß die Poesie der Menschheit sich Alles aneignen darf, was nur Erhabenes in irgend einem Cultus existirt; ja daß es die Pflicht des Dichters ist, diese Symbole zu retten, wenn sie in Gefahr sind, mit dem Wüste des Aberglau¬ bens weggefegt zu werden. Naria, glorios», als Repräsentantin des höchsten weiblichen Ideales ist die Ergänzung der nach Freiheit und Unendlichkeit stre¬ benden Seele des Mannes und somit schließt dieses Gedicht mit den be¬ zeichnenden Worten „Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan", welche die vollste Berechtigung des Mariencultus enthalten. Freilich eines poetischen Cultus, der sich wie die herrliche Madonna auf Goldgrund im Cölner Dom zuo Zerrbild einer Muttergottes von Kevelar verhält. Der Altkatholicismus wird als eine seiner wichtigsten Ausgaben nach Abschaffung des Glaubenszwanges die Reinigung des äußeren Cultus betracht ten müssen. Jeder Vernünftige begrüßt die Worte Reinkens, daß kein Wür¬ denkultus mehr herrschen solle, als eine Abschlagszahlung, denn vorerst mußte ja äußerlich Alles beim Alten bleiben, um die wichtigeren geistigen Schlachten zu schlagen. Sei es mir daher zum Schlüsse erlaubt die wichtigsten Reformen anzudeuten. Wie soll die Kleidung des Geistlichen sein? Absichtlich wurde auf.die Person desselben übertragen, was Gottes ist, nämlich die Gewalt der Sündenvergebung, der wunderthätigen Verwandlung ^' und somit trug der Geistliche auch auf seinem Körper heilige Symbole und Darstellungen, welche die Verehrung der Massen herausforderten. Nicht nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/426>, abgerufen am 05.02.2025.