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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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traten die Führer und Auserwählten zu Vereinen zusammen und theilten
sich in geheimen Symbolen, die sich vererbten, ihre erkannten Wahrheiten
un't. Sie formulirten Sinnsprüche und Gleichnisse, die das Walten der
"nten und bösen Naturmächte schilderten und die Geschichte der ältesten Cul¬
turkämpfe enthielten. Später als die Politik der Parteien die Unterwerfung
^'r großen Massen verlangte, gab die Herrschsucht der Priester die Schaale
für den Kern, verlangte fraglosen Glauben der formulirten Dogmen und
verbot die Deutung der Symbole und Mären. Das Dogma wurde der
Kritik entzogen, der Zweifel verdammt, und mit dem Schwerte der Glauben
diktirt. So sollte anstatt durch die Gewalt der Ueberzeugung und anstatt
durch die herzenfesselnde Macht der Liebe und Schönheit durch die Tyrannei
des die beiden Schwerter beanspruchenden Papstthums die Weltherrschaft be¬
gründet werden, in welcher nur "ein" Hirt und "eine" Heerde existirt.

Energischer wie je protestirt unsere Zeit gegen diesen Frevel an der
Menschheit und während die übrigen Völker in stumpfer Resignation den
Pesthauch des neuen Dogmas der Unfehlbarkeit ertragen, beginnt Deutschland
die Fortsetzung der Reformation, um die Gewalt Roms und seiner heimlich
Verbündeten dauernd zu brechen.

Mit der Fackel der Wissenschaft können wir zwar die gewaltige Zwing¬
burg der Geister beleuchten und niederbrennen, aber kein neues Gotteshaus
Richten. Die Negation allein ist unfruchtbar. Dem Volke dürft ihr nichts
"ebenen. ohne ihm den besseren Ersatz zu bieten. Erkennt ihn in der Kunst
Und zwar in der Pflege dieser heiligen Schätze, die die Vergangenheit uns
Ererbte. Reiniget sie vom Roste des Aberglaubens und erlaubt, daß Jeder
"ach seiner besten ehrlichen Ueberzeugung sie prüft und das Beste sich seiner
Begabung entsprechend, aneignet.

Nicht, die Lehrsätze der Moral sind es, welche die Confessionen scheiden;
^um abgesehen von einigen theologischen Spitzfindigkeiten sind alle gebildeten
Menschen in diesen Fragen einig. Das Andere ist aber doch nur die mehr
"der weniger künstlerische Schaale oder das Symbol, das uns erfreuen soll. --
Hierfür ein Beispiel aus nächster Nähe. Bei Gelegenheit des in einer evan-
^Aschen Kirche abzuhaltenden altkatholischen Gottesdienstes wurde die Be¬
merkung laut, es könnten die Evangelischen Anstoß nehmen, wenn brennende
Achter auf den Altar gesetzt würden. Wir erkundigten uns näher und er¬
fuhren, daß diese Befürchtung übertrieben sei. Abgesehen nun davon, daß
Unsere Gegner den Mangel der Lichter höhnisch uns vorgeworfen haben
morden und daß wir persönlich nichts gegen einen Gottesdienst ohne Lichter
Zuzuwenden haben, so hielten wir es doch unangemessen, von einem uro^'n
^ Poetisch schönen Gebrauche abzuweichen. Das Licht ist ein^)indol
^°etes und der Wahrheit des erglühenden Herzens und dx^^übers.


traten die Führer und Auserwählten zu Vereinen zusammen und theilten
sich in geheimen Symbolen, die sich vererbten, ihre erkannten Wahrheiten
un't. Sie formulirten Sinnsprüche und Gleichnisse, die das Walten der
»nten und bösen Naturmächte schilderten und die Geschichte der ältesten Cul¬
turkämpfe enthielten. Später als die Politik der Parteien die Unterwerfung
^'r großen Massen verlangte, gab die Herrschsucht der Priester die Schaale
für den Kern, verlangte fraglosen Glauben der formulirten Dogmen und
verbot die Deutung der Symbole und Mären. Das Dogma wurde der
Kritik entzogen, der Zweifel verdammt, und mit dem Schwerte der Glauben
diktirt. So sollte anstatt durch die Gewalt der Ueberzeugung und anstatt
durch die herzenfesselnde Macht der Liebe und Schönheit durch die Tyrannei
des die beiden Schwerter beanspruchenden Papstthums die Weltherrschaft be¬
gründet werden, in welcher nur „ein" Hirt und „eine" Heerde existirt.

Energischer wie je protestirt unsere Zeit gegen diesen Frevel an der
Menschheit und während die übrigen Völker in stumpfer Resignation den
Pesthauch des neuen Dogmas der Unfehlbarkeit ertragen, beginnt Deutschland
die Fortsetzung der Reformation, um die Gewalt Roms und seiner heimlich
Verbündeten dauernd zu brechen.

Mit der Fackel der Wissenschaft können wir zwar die gewaltige Zwing¬
burg der Geister beleuchten und niederbrennen, aber kein neues Gotteshaus
Richten. Die Negation allein ist unfruchtbar. Dem Volke dürft ihr nichts
"ebenen. ohne ihm den besseren Ersatz zu bieten. Erkennt ihn in der Kunst
Und zwar in der Pflege dieser heiligen Schätze, die die Vergangenheit uns
Ererbte. Reiniget sie vom Roste des Aberglaubens und erlaubt, daß Jeder
"ach seiner besten ehrlichen Ueberzeugung sie prüft und das Beste sich seiner
Begabung entsprechend, aneignet.

Nicht, die Lehrsätze der Moral sind es, welche die Confessionen scheiden;
^um abgesehen von einigen theologischen Spitzfindigkeiten sind alle gebildeten
Menschen in diesen Fragen einig. Das Andere ist aber doch nur die mehr
"der weniger künstlerische Schaale oder das Symbol, das uns erfreuen soll. —
Hierfür ein Beispiel aus nächster Nähe. Bei Gelegenheit des in einer evan-
^Aschen Kirche abzuhaltenden altkatholischen Gottesdienstes wurde die Be¬
merkung laut, es könnten die Evangelischen Anstoß nehmen, wenn brennende
Achter auf den Altar gesetzt würden. Wir erkundigten uns näher und er¬
fuhren, daß diese Befürchtung übertrieben sei. Abgesehen nun davon, daß
Unsere Gegner den Mangel der Lichter höhnisch uns vorgeworfen haben
morden und daß wir persönlich nichts gegen einen Gottesdienst ohne Lichter
Zuzuwenden haben, so hielten wir es doch unangemessen, von einem uro^'n
^ Poetisch schönen Gebrauche abzuweichen. Das Licht ist ein^)indol
^°etes und der Wahrheit des erglühenden Herzens und dx^^übers.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/425>, abgerufen am 06.02.2025.