Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Wunsch, zu einem befriedigenden Abschluß der politischen Thätigkeit zu gelan¬ Wunsch, zu einem befriedigenden Abschluß der politischen Thätigkeit zu gelan¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0041" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133329"/> <p xml:id="ID_116" prev="#ID_115" next="#ID_117"> Wunsch, zu einem befriedigenden Abschluß der politischen Thätigkeit zu gelan¬<lb/> gen, leitend war. So entwickelte sich unwillkürlich ein Gegensatz zwischen dem<lb/> rücksichtsloseren, durch den Kampf mit klerikalen Gegnern auf dem Land ver¬<lb/> schärften Vorgehen der Parteigenossen der ländlichen Bezirke und dem ruhige¬<lb/> ren, den Verhältnissen mehr Rechnung tragenden Tempo der Parteiführer in<lb/> Stuttgart, welche letztere häusig in die Lage kamen, Engagements, welche sie<lb/> ihrerseits eingegangen, auswärts nicht honorirt zu sehen. Es läßt sich nicht<lb/> verkennen, hätten wir im Dezember 1870 ein neues nationales Ministerium,<lb/> wenn auch aus Elementen der rechten Seite, hätten wir damals ein Württem¬<lb/> bergisches Ministerium Hohenlohe erhalten, so hätten wir jetzt dasjenige ge¬<lb/> sunde Parteileben, nach welchem man immer vergebens trachtet, weil man sich<lb/> der Sachlage nicht klar ist. Man blicke auf Baden, auf Bayern. Vergebens<lb/> sucht man dort eine selbständige nationale Partei im Gegensatz zu der Par¬<lb/> tei des am Nuder befindlichen Ministeriums-; im Landtag wie im Reichstag besteht<lb/> dort ein natürliches Wechselverhältniß zu einer Negierung. in welche Natio¬<lb/> nalliberale und Fortschritt — innerhalb Landes ungetheilt — dasselbe Ver¬<lb/> trauen setzen und sie im Kampf gegen den gemeinsamen Gegner unterstützen.<lb/> In unserem Landtag dagegen eristirt ein selbständiger „Regierungsclub" von<lb/> annähernd gleicher Stärke wie die nationale Partei, ersterer die Anhänger des<lb/> Ministeriums ü. tout pi'ix, letztere die Politik der freien Hand repräsentirend<lb/> und deßhalb den Gegnern den Vorwurf nahe legend, daß sie ihre Dienste<lb/> dem Ministerium besonders werthvoll machen wollen. Der einzige denkbare<lb/> Grund für die Forterhaltung dieses aller sachlichen Differenzen ermangelnden<lb/> Parteigegensatzes besteht doch wohl im jetzigen Augenblick nur in einem thatsäch¬<lb/> lichen, wenn auch von den Stuttgarter Führern geläugneten Mißtrauen gegen<lb/> das Ministerium, in dem Zweifel, ob dasselbe mit der Vergangenheit wirklich ge¬<lb/> brochen , ob ihm nicht ein Rückfall in frühere Velleitäten zuzutrauen sei. Und<lb/> dieses Mißtrauen fand bisher seine hauptsächlichste Stütze in der zweifelhaften<lb/> Haltung der Negierung gegenüber den clerikalen Bestrebungen. Gelingt es,<lb/> auch Württemberg in den gemeinsamen Kampf hineinzuziehen, welcher das<lb/> deutsche Reich bewegt, gelingt es, jede Brücke zu dem römischen Gegner ab¬<lb/> zubrechen, so sehen wir in der That keinen vernünftigen Grund ein, weßhalb<lb/> die nationale Partei in Württemberg sich auch fernerhin als eine selbständige<lb/> von den Regierungsanhängern verschiedene Partei behaupten soll. Denn der<lb/> Umstand, daß die letzteren seither mit jeder Regierung ohne Unterschied „durch<lb/> Dick und Dünn", wie der Schwabe sagt, gegangen sind, macht sie nur zu<lb/> einem um so brauchbareren Anhängsel einer spontanen Regierungspartei, während<lb/> andererseits Männermuth und Selbständigkeit des Charakters nimmermehr ge¬<lb/> eignet sind, für sich ein Parteiprogramm zu bilden. Sollte dieses letztere<lb/> Ingrediens in der Gesammtheit unserer bisherigen nationalen Partei des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Wunsch, zu einem befriedigenden Abschluß der politischen Thätigkeit zu gelan¬
gen, leitend war. So entwickelte sich unwillkürlich ein Gegensatz zwischen dem
rücksichtsloseren, durch den Kampf mit klerikalen Gegnern auf dem Land ver¬
schärften Vorgehen der Parteigenossen der ländlichen Bezirke und dem ruhige¬
ren, den Verhältnissen mehr Rechnung tragenden Tempo der Parteiführer in
Stuttgart, welche letztere häusig in die Lage kamen, Engagements, welche sie
ihrerseits eingegangen, auswärts nicht honorirt zu sehen. Es läßt sich nicht
verkennen, hätten wir im Dezember 1870 ein neues nationales Ministerium,
wenn auch aus Elementen der rechten Seite, hätten wir damals ein Württem¬
bergisches Ministerium Hohenlohe erhalten, so hätten wir jetzt dasjenige ge¬
sunde Parteileben, nach welchem man immer vergebens trachtet, weil man sich
der Sachlage nicht klar ist. Man blicke auf Baden, auf Bayern. Vergebens
sucht man dort eine selbständige nationale Partei im Gegensatz zu der Par¬
tei des am Nuder befindlichen Ministeriums-; im Landtag wie im Reichstag besteht
dort ein natürliches Wechselverhältniß zu einer Negierung. in welche Natio¬
nalliberale und Fortschritt — innerhalb Landes ungetheilt — dasselbe Ver¬
trauen setzen und sie im Kampf gegen den gemeinsamen Gegner unterstützen.
In unserem Landtag dagegen eristirt ein selbständiger „Regierungsclub" von
annähernd gleicher Stärke wie die nationale Partei, ersterer die Anhänger des
Ministeriums ü. tout pi'ix, letztere die Politik der freien Hand repräsentirend
und deßhalb den Gegnern den Vorwurf nahe legend, daß sie ihre Dienste
dem Ministerium besonders werthvoll machen wollen. Der einzige denkbare
Grund für die Forterhaltung dieses aller sachlichen Differenzen ermangelnden
Parteigegensatzes besteht doch wohl im jetzigen Augenblick nur in einem thatsäch¬
lichen, wenn auch von den Stuttgarter Führern geläugneten Mißtrauen gegen
das Ministerium, in dem Zweifel, ob dasselbe mit der Vergangenheit wirklich ge¬
brochen , ob ihm nicht ein Rückfall in frühere Velleitäten zuzutrauen sei. Und
dieses Mißtrauen fand bisher seine hauptsächlichste Stütze in der zweifelhaften
Haltung der Negierung gegenüber den clerikalen Bestrebungen. Gelingt es,
auch Württemberg in den gemeinsamen Kampf hineinzuziehen, welcher das
deutsche Reich bewegt, gelingt es, jede Brücke zu dem römischen Gegner ab¬
zubrechen, so sehen wir in der That keinen vernünftigen Grund ein, weßhalb
die nationale Partei in Württemberg sich auch fernerhin als eine selbständige
von den Regierungsanhängern verschiedene Partei behaupten soll. Denn der
Umstand, daß die letzteren seither mit jeder Regierung ohne Unterschied „durch
Dick und Dünn", wie der Schwabe sagt, gegangen sind, macht sie nur zu
einem um so brauchbareren Anhängsel einer spontanen Regierungspartei, während
andererseits Männermuth und Selbständigkeit des Charakters nimmermehr ge¬
eignet sind, für sich ein Parteiprogramm zu bilden. Sollte dieses letztere
Ingrediens in der Gesammtheit unserer bisherigen nationalen Partei des
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