Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.rührend, da der Prinz, um Andere aus den Fluthen zu retten, selbst darin Bei diesem Streben nach Prägnanz ist Goedeke natürlich auch ein abge¬ rührend, da der Prinz, um Andere aus den Fluthen zu retten, selbst darin Bei diesem Streben nach Prägnanz ist Goedeke natürlich auch ein abge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133676"/> <p xml:id="ID_1240" prev="#ID_1239"> rührend, da der Prinz, um Andere aus den Fluthen zu retten, selbst darin<lb/> untergegangen war." Und was ist schließlich damit gesagt? — Mit Winckel-<lb/> mann ist Goethe nie in Berührung gekommen, und doch wird ihm S. 32<lb/> ganz beiläufig, in einem Relativsatze (!) folgende Biographie gewidmet:<lb/> „Wie sehr mußte Goethe auf Winkelmann gespannt sein, der eine Reise nach<lb/> Deutschland angekündigt hatte, sie wirklich bis Wien ausdehnte, dann aber<lb/> von unwiderstehlicher Sehnsucht zurückgezogen umkehrte und am 8. Juni l768<lb/> in Trieft dem Meuchelmörder erlag/'</p><lb/> <p xml:id="ID_1241" next="#ID_1242"> Bei diesem Streben nach Prägnanz ist Goedeke natürlich auch ein abge¬<lb/> sagter Feind aller blos lückenbüßenden Uebergangsphrasen. Auch dies an sich<lb/> mit Recht. Nichts häßlicheres, als jene wohlfeilen, zusammenleimenden Redens¬<lb/> arten, wie: „An zweiter Stelle wäre zu erwähnen," oder „Wenden wir uns<lb/> nun" oder „Werfen wir, nachdem wir dies und das betrachtet haben, einen<lb/> Blick" ze. Goedeke ist sichtlich bemüht, derartiges um jeden Preis zu ver¬<lb/> meiden und selbst bloße Uebergangssätze stets auch mit thatsächlichem Inhalt<lb/> zu erfüllen. Man kann aber doch auch darin etwas zu weit gehen, und dies<lb/> ist ziemlich häufig bei ihm der Fall gewesen. Wenn sich Goedeke in der<lb/> Schilderung von Goethe's Leipziger Freundeskreis den Uebergang von einem<lb/> zum andern durch eine Wendung schafft, wie: „Ansprüche dieser Art machte<lb/> der um zwanzig Jahre ältere Krebel durchaus nicht" oder von den primitiven<lb/> Theatervorstellungen im Schönkopf'schen Hause zur Familie Breitkopf durch einen<lb/> Satz, wie: „Vielmehr Aufwand ließ man es sich schwerlich auch im Kreise des<lb/> Buchhändlers Breitkopf kosten," so mag das noch angehen, wiewohl man<lb/> auch hier schon die Absicht merkt. Wenn er aber von Friederike Oeser zu<lb/> Goethe's Erkrankung in Leipzig durch folgenden Satz sich hinüberwindet: „Ib><lb/> Plappermäulchen stand nicht leicht still und schlug auch dann keinen schwer-<lb/> müthigen Ton an. als Goethe einer ernsthaften Gefahr kaum entronnen war,"<lb/> oder von Sophie La Roche zu Leuchsenring durch folgendes Bindeglied: „Sovh^<lb/> nannte die Leute in's Gesicht liebenswürdig und, wenn sie den Rücken gedreht,<lb/> Tapetenstücke. Wenigstens äußerte sie sich so in Bezug auf einen damals vielge-<lb/> nannten Mann des Darmstädter Kreises" oder von Jacobi zu Lili durch die<lb/> Worte: „Fraglich ist es, ob Goethe ihn auch mit Elisabeth Schönemann zusammen-<lb/> zu führen Gelegenheit hatte oder haben wollte," so sind das entschieden<lb/> zwungene, geschraubte Wendungen, die man gern durch bequemere stilistische<lb/> Mittel ersetzt sähe. Das wunderlichste, was uns in dieser Art aufgestoßen,<lb/> ist folgender Passus S. 172: „Später besuchte Goethe die Fürstin (Galizw)<lb/> in Westphalen, konnte sich aber innerlich nicht mit ihr befreunden, so wenig<lb/> wie mit Elise v. d. Recke, die im October 1784 in Weimar gewesen roa>'<lb/> falls er sie gesehen hätte. Er war damals in Ilmenau." Also Goethe konnte<lb/> sich mit Elise v. d. Recke nicht befreunden, falls er sie gesehen hätte! Und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0388]
rührend, da der Prinz, um Andere aus den Fluthen zu retten, selbst darin
untergegangen war." Und was ist schließlich damit gesagt? — Mit Winckel-
mann ist Goethe nie in Berührung gekommen, und doch wird ihm S. 32
ganz beiläufig, in einem Relativsatze (!) folgende Biographie gewidmet:
„Wie sehr mußte Goethe auf Winkelmann gespannt sein, der eine Reise nach
Deutschland angekündigt hatte, sie wirklich bis Wien ausdehnte, dann aber
von unwiderstehlicher Sehnsucht zurückgezogen umkehrte und am 8. Juni l768
in Trieft dem Meuchelmörder erlag/'
Bei diesem Streben nach Prägnanz ist Goedeke natürlich auch ein abge¬
sagter Feind aller blos lückenbüßenden Uebergangsphrasen. Auch dies an sich
mit Recht. Nichts häßlicheres, als jene wohlfeilen, zusammenleimenden Redens¬
arten, wie: „An zweiter Stelle wäre zu erwähnen," oder „Wenden wir uns
nun" oder „Werfen wir, nachdem wir dies und das betrachtet haben, einen
Blick" ze. Goedeke ist sichtlich bemüht, derartiges um jeden Preis zu ver¬
meiden und selbst bloße Uebergangssätze stets auch mit thatsächlichem Inhalt
zu erfüllen. Man kann aber doch auch darin etwas zu weit gehen, und dies
ist ziemlich häufig bei ihm der Fall gewesen. Wenn sich Goedeke in der
Schilderung von Goethe's Leipziger Freundeskreis den Uebergang von einem
zum andern durch eine Wendung schafft, wie: „Ansprüche dieser Art machte
der um zwanzig Jahre ältere Krebel durchaus nicht" oder von den primitiven
Theatervorstellungen im Schönkopf'schen Hause zur Familie Breitkopf durch einen
Satz, wie: „Vielmehr Aufwand ließ man es sich schwerlich auch im Kreise des
Buchhändlers Breitkopf kosten," so mag das noch angehen, wiewohl man
auch hier schon die Absicht merkt. Wenn er aber von Friederike Oeser zu
Goethe's Erkrankung in Leipzig durch folgenden Satz sich hinüberwindet: „Ib>
Plappermäulchen stand nicht leicht still und schlug auch dann keinen schwer-
müthigen Ton an. als Goethe einer ernsthaften Gefahr kaum entronnen war,"
oder von Sophie La Roche zu Leuchsenring durch folgendes Bindeglied: „Sovh^
nannte die Leute in's Gesicht liebenswürdig und, wenn sie den Rücken gedreht,
Tapetenstücke. Wenigstens äußerte sie sich so in Bezug auf einen damals vielge-
nannten Mann des Darmstädter Kreises" oder von Jacobi zu Lili durch die
Worte: „Fraglich ist es, ob Goethe ihn auch mit Elisabeth Schönemann zusammen-
zu führen Gelegenheit hatte oder haben wollte," so sind das entschieden
zwungene, geschraubte Wendungen, die man gern durch bequemere stilistische
Mittel ersetzt sähe. Das wunderlichste, was uns in dieser Art aufgestoßen,
ist folgender Passus S. 172: „Später besuchte Goethe die Fürstin (Galizw)
in Westphalen, konnte sich aber innerlich nicht mit ihr befreunden, so wenig
wie mit Elise v. d. Recke, die im October 1784 in Weimar gewesen roa>'
falls er sie gesehen hätte. Er war damals in Ilmenau." Also Goethe konnte
sich mit Elise v. d. Recke nicht befreunden, falls er sie gesehen hätte! Und
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