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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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am 22. September ein Waffenstillstand zu Stande. Die französische Besatzung
von Novara durfte abziehen, war aber durch Hunger und Entbehrungen aller .
^re bis auf 8500 Mann geschmolzen, und von diesen starb noch eine Menge
auf dem kurzen Marsche nach Vercelli, wo das französiche Lager stand. Es
Kar der Typhus, welcher sie aufrieb.',

Unterdessen überließ sich der König seinem Hange zu galanten Abenteuern,
°hre sich um seine Armee zu bekümmern. Daher verminderte sich diese fast
täglich. Trotzdem waren in seinem Lager zu Vercelli die Kriegslustigen in
unausgesetzter Thätigkeit. Der Herzog von Orleans, der für die Rüstungen
dieser Expedition persönlich viel Opfer gebracht hatte, wollte sein Geld
"!ehe umsonst ausgegeben haben und seinen Ansprüchen auf Mailand nicht ent¬
sagen. Charles erwartete eine Unterstützung von 5000 Schweizern; auf Orleans'
Veranlassung erschienen 10,000, und 10,000 andere waren auf dem Marsche,
^ber der Herzog verfehlte dennoch seinen Zweck und konnte die Muthlosigkeit
"lebt überwinden, den Ueberdruß nicht verscheuchen. Die Anzahl der Schweizer,
anstatt Zutrauen einzuflößen, bewirkte gerade das Gegentheil. Der König
^ sich auf solche Weise in den Händen übermüthiger Alliirter, welche die
^acht hatten, ihm in seinem eigenen Lager Gesetze vorzuschreiben. Jeder neu
ankommende Haufen vermehrte seine Furcht und beschleunigte den Abschluß
^ Friedens, welcher am 9. October zu Vercelli unterzeichnet und am fol-
^nden Tage publicirt wurde. Dieser Friede rettete Charles VIII. aus seiner
Unangenehmen Lage und erfüllte seinen heißesten Wunsch: nur mit Ehren
wieder nach Frankreich zu kommen.

Wir haben nun noch einen Blick auf die Ereignisse in Unter-Italien
in werfen.

Während der venetianisch-mailändische Theil des großen Bundes gegen
^nig Charles am Fuß des Apennin Front machte gegen den Heimkehrenden,
^hoh sich ^ seinem Rücken der spanisch-neapolitanische Theil desselben, um
"n Fernando von Aragonien, oder wie er gewöhnlich genannt wird,
"errantin, zurückzuführen auf den Thron der Väter. Schon längst nämlich
^te der katholische König Hernando, dessen Scharfblick es vorausgesehn,
eiche Vortheile ihm aus der Verwirrung in Italien erwachsen könnten, ein
zusammengebracht, das um eben die Zeit als Charles siegreich in Neapel
^"gezogen, auf Sicilien gelandet war. Zu Messina besprach sich der spanische
eueren mit dem vertriebenen Könige und verabredete den Operationsplan.
°n Fernando wollte gradwegs mit der Flotte nach Neapel segeln, wohin
Ichor damals die mit der französischen Herrschaft Unzufriedenen ihn riefen;
^ spanische Heerführer rieth dagegen, über Calabrien vorzugehn, wo sich
eggio für den jungen König erklärt und fast alle Städte vertheidigungslos
^n. weil die Franzosen entweder keine Besatzung hingesandt oder Vorräthe


am 22. September ein Waffenstillstand zu Stande. Die französische Besatzung
von Novara durfte abziehen, war aber durch Hunger und Entbehrungen aller .
^re bis auf 8500 Mann geschmolzen, und von diesen starb noch eine Menge
auf dem kurzen Marsche nach Vercelli, wo das französiche Lager stand. Es
Kar der Typhus, welcher sie aufrieb.',

Unterdessen überließ sich der König seinem Hange zu galanten Abenteuern,
°hre sich um seine Armee zu bekümmern. Daher verminderte sich diese fast
täglich. Trotzdem waren in seinem Lager zu Vercelli die Kriegslustigen in
unausgesetzter Thätigkeit. Der Herzog von Orleans, der für die Rüstungen
dieser Expedition persönlich viel Opfer gebracht hatte, wollte sein Geld
"!ehe umsonst ausgegeben haben und seinen Ansprüchen auf Mailand nicht ent¬
sagen. Charles erwartete eine Unterstützung von 5000 Schweizern; auf Orleans'
Veranlassung erschienen 10,000, und 10,000 andere waren auf dem Marsche,
^ber der Herzog verfehlte dennoch seinen Zweck und konnte die Muthlosigkeit
"lebt überwinden, den Ueberdruß nicht verscheuchen. Die Anzahl der Schweizer,
anstatt Zutrauen einzuflößen, bewirkte gerade das Gegentheil. Der König
^ sich auf solche Weise in den Händen übermüthiger Alliirter, welche die
^acht hatten, ihm in seinem eigenen Lager Gesetze vorzuschreiben. Jeder neu
ankommende Haufen vermehrte seine Furcht und beschleunigte den Abschluß
^ Friedens, welcher am 9. October zu Vercelli unterzeichnet und am fol-
^nden Tage publicirt wurde. Dieser Friede rettete Charles VIII. aus seiner
Unangenehmen Lage und erfüllte seinen heißesten Wunsch: nur mit Ehren
wieder nach Frankreich zu kommen.

Wir haben nun noch einen Blick auf die Ereignisse in Unter-Italien
in werfen.

Während der venetianisch-mailändische Theil des großen Bundes gegen
^nig Charles am Fuß des Apennin Front machte gegen den Heimkehrenden,
^hoh sich ^ seinem Rücken der spanisch-neapolitanische Theil desselben, um
"n Fernando von Aragonien, oder wie er gewöhnlich genannt wird,
»errantin, zurückzuführen auf den Thron der Väter. Schon längst nämlich
^te der katholische König Hernando, dessen Scharfblick es vorausgesehn,
eiche Vortheile ihm aus der Verwirrung in Italien erwachsen könnten, ein
zusammengebracht, das um eben die Zeit als Charles siegreich in Neapel
^"gezogen, auf Sicilien gelandet war. Zu Messina besprach sich der spanische
eueren mit dem vertriebenen Könige und verabredete den Operationsplan.
°n Fernando wollte gradwegs mit der Flotte nach Neapel segeln, wohin
Ichor damals die mit der französischen Herrschaft Unzufriedenen ihn riefen;
^ spanische Heerführer rieth dagegen, über Calabrien vorzugehn, wo sich
eggio für den jungen König erklärt und fast alle Städte vertheidigungslos
^n. weil die Franzosen entweder keine Besatzung hingesandt oder Vorräthe


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[0379] am 22. September ein Waffenstillstand zu Stande. Die französische Besatzung von Novara durfte abziehen, war aber durch Hunger und Entbehrungen aller . ^re bis auf 8500 Mann geschmolzen, und von diesen starb noch eine Menge auf dem kurzen Marsche nach Vercelli, wo das französiche Lager stand. Es Kar der Typhus, welcher sie aufrieb.', Unterdessen überließ sich der König seinem Hange zu galanten Abenteuern, °hre sich um seine Armee zu bekümmern. Daher verminderte sich diese fast täglich. Trotzdem waren in seinem Lager zu Vercelli die Kriegslustigen in unausgesetzter Thätigkeit. Der Herzog von Orleans, der für die Rüstungen dieser Expedition persönlich viel Opfer gebracht hatte, wollte sein Geld "!ehe umsonst ausgegeben haben und seinen Ansprüchen auf Mailand nicht ent¬ sagen. Charles erwartete eine Unterstützung von 5000 Schweizern; auf Orleans' Veranlassung erschienen 10,000, und 10,000 andere waren auf dem Marsche, ^ber der Herzog verfehlte dennoch seinen Zweck und konnte die Muthlosigkeit "lebt überwinden, den Ueberdruß nicht verscheuchen. Die Anzahl der Schweizer, anstatt Zutrauen einzuflößen, bewirkte gerade das Gegentheil. Der König ^ sich auf solche Weise in den Händen übermüthiger Alliirter, welche die ^acht hatten, ihm in seinem eigenen Lager Gesetze vorzuschreiben. Jeder neu ankommende Haufen vermehrte seine Furcht und beschleunigte den Abschluß ^ Friedens, welcher am 9. October zu Vercelli unterzeichnet und am fol- ^nden Tage publicirt wurde. Dieser Friede rettete Charles VIII. aus seiner Unangenehmen Lage und erfüllte seinen heißesten Wunsch: nur mit Ehren wieder nach Frankreich zu kommen. Wir haben nun noch einen Blick auf die Ereignisse in Unter-Italien in werfen. Während der venetianisch-mailändische Theil des großen Bundes gegen ^nig Charles am Fuß des Apennin Front machte gegen den Heimkehrenden, ^hoh sich ^ seinem Rücken der spanisch-neapolitanische Theil desselben, um "n Fernando von Aragonien, oder wie er gewöhnlich genannt wird, »errantin, zurückzuführen auf den Thron der Väter. Schon längst nämlich ^te der katholische König Hernando, dessen Scharfblick es vorausgesehn, eiche Vortheile ihm aus der Verwirrung in Italien erwachsen könnten, ein zusammengebracht, das um eben die Zeit als Charles siegreich in Neapel ^"gezogen, auf Sicilien gelandet war. Zu Messina besprach sich der spanische eueren mit dem vertriebenen Könige und verabredete den Operationsplan. °n Fernando wollte gradwegs mit der Flotte nach Neapel segeln, wohin Ichor damals die mit der französischen Herrschaft Unzufriedenen ihn riefen; ^ spanische Heerführer rieth dagegen, über Calabrien vorzugehn, wo sich eggio für den jungen König erklärt und fast alle Städte vertheidigungslos ^n. weil die Franzosen entweder keine Besatzung hingesandt oder Vorräthe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/379>, abgerufen am 06.02.2025.