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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Mit dieser Beschäftigung kann ein kleines Mädchen ungefähr 20 Centimes
täglich erwerben, und die geschicktesten sogar eine halbe Lira. Diese Einnahme
an sich ist freilich gering, aber sie hilft aus, und da das Strohflechten von
den Weibern zu jeder Zeit betrieben werden kann, Morgens und Abends,
sprechend, gehend oder beim Bestellen der häuslichen Arbeiten, so ist sie reiner
Gewinn. Zu diesen Einkünften, die je nach den verschiedenen Orten abwech¬
seln, gesellen sich andere kleinere, welche von den Hühnern, die die Wirthin
hält, herrühren, von dem Schweine, welches dem Herrn nur die Abgabe eines
Schinkens zollt, von den Bienen und anderen Kleinigkeiten. Jeder Landbauer
hat überdies ein kleines Stück Land, welches an das Haus stößt, wo er Ge¬
müse zur Ernährung der Familie anbaut und dessen Vollertrag ihm
allein zufällt.

Wein und Oel werden in den Gefäßen und mit den Werkzeugen des
Herrn bereitet und diese Arbeit überwacht der Verwalter. Für den Gebrauch
jener Geräthschaften giebt der Ackersmann von seiner Hälfte des Erzeugnisses
eine gewisse Quantität, ungefähr S yet. ab, mit dem Unterschiede, daß beim
Wein die Trestern ihm verbleiben, während die ausgepreßten Olivenschalen
dem Herrn zukommen. Den Trestern gewinnt der Landmann, durch Bei¬
mischung von Wasser, den Lauer ab, welcher der Familie zum Getränke
dient, denn natürlich zieht er vor, den guten Wein auf dem Markte zu
verkaufen.

Kaum ist die Ernte eingebracht, so beginnt auch die Theilung derselben
zwischen dem Grundherrn und dem Bauern. Jeder von ihnen sorgt dann
selbst für den Verkauf auf den Märkten. Der Ackersmann behält zu seiner
Nahrung einen Theil des Getreides oder auch sämmtliches zurück , und ver¬
kauft den Wein, um die persönlichen Staats- wie Gemeindesteuern zu zahlen
und andere Kosten zu bestreiten. Alljährlich geschieht am 31. Mai, oder am
30. Juni die Abrechnung mit dem Bauern. Das heißt: zwischen dem Herrn
und dem Bauern werden, nach gemeinschaftlicher Übereinkunft, 'die lau¬
fenden Rechnungen des Jahres geschlossen und neue eröffnet, nachdem man
genau die Schuld und das Guthaben eines Jeden von ihnen festgestellt hat.

Die ungemeine Mannigfaltigkeit des toscanischen Landbaues hat zur
Folge, daß der Bauer während des ganzen Jahres eine fortdauernde Be¬
schäftigung auf seinem Grundstücke findet; dieser Umstand ist wichtig und
verdient besonders im Auge behalten zu werden, als einer der Hauptgründe
sür die Verschiedenheit des Erfolges, den das System der Antheilswirthschast
in dieser und in anderen Gegenden hat.

Die Weiber helfen bei den leichteren Feldarbeiten. Im Verein mit den
Kindern überwachen sie Tags über vor der Weinlese die reifen Trauben,
sammeln die herabgefallenen Oliven, u. f. w. Sie spinnen und weben, helfen


Mit dieser Beschäftigung kann ein kleines Mädchen ungefähr 20 Centimes
täglich erwerben, und die geschicktesten sogar eine halbe Lira. Diese Einnahme
an sich ist freilich gering, aber sie hilft aus, und da das Strohflechten von
den Weibern zu jeder Zeit betrieben werden kann, Morgens und Abends,
sprechend, gehend oder beim Bestellen der häuslichen Arbeiten, so ist sie reiner
Gewinn. Zu diesen Einkünften, die je nach den verschiedenen Orten abwech¬
seln, gesellen sich andere kleinere, welche von den Hühnern, die die Wirthin
hält, herrühren, von dem Schweine, welches dem Herrn nur die Abgabe eines
Schinkens zollt, von den Bienen und anderen Kleinigkeiten. Jeder Landbauer
hat überdies ein kleines Stück Land, welches an das Haus stößt, wo er Ge¬
müse zur Ernährung der Familie anbaut und dessen Vollertrag ihm
allein zufällt.

Wein und Oel werden in den Gefäßen und mit den Werkzeugen des
Herrn bereitet und diese Arbeit überwacht der Verwalter. Für den Gebrauch
jener Geräthschaften giebt der Ackersmann von seiner Hälfte des Erzeugnisses
eine gewisse Quantität, ungefähr S yet. ab, mit dem Unterschiede, daß beim
Wein die Trestern ihm verbleiben, während die ausgepreßten Olivenschalen
dem Herrn zukommen. Den Trestern gewinnt der Landmann, durch Bei¬
mischung von Wasser, den Lauer ab, welcher der Familie zum Getränke
dient, denn natürlich zieht er vor, den guten Wein auf dem Markte zu
verkaufen.

Kaum ist die Ernte eingebracht, so beginnt auch die Theilung derselben
zwischen dem Grundherrn und dem Bauern. Jeder von ihnen sorgt dann
selbst für den Verkauf auf den Märkten. Der Ackersmann behält zu seiner
Nahrung einen Theil des Getreides oder auch sämmtliches zurück , und ver¬
kauft den Wein, um die persönlichen Staats- wie Gemeindesteuern zu zahlen
und andere Kosten zu bestreiten. Alljährlich geschieht am 31. Mai, oder am
30. Juni die Abrechnung mit dem Bauern. Das heißt: zwischen dem Herrn
und dem Bauern werden, nach gemeinschaftlicher Übereinkunft, 'die lau¬
fenden Rechnungen des Jahres geschlossen und neue eröffnet, nachdem man
genau die Schuld und das Guthaben eines Jeden von ihnen festgestellt hat.

Die ungemeine Mannigfaltigkeit des toscanischen Landbaues hat zur
Folge, daß der Bauer während des ganzen Jahres eine fortdauernde Be¬
schäftigung auf seinem Grundstücke findet; dieser Umstand ist wichtig und
verdient besonders im Auge behalten zu werden, als einer der Hauptgründe
sür die Verschiedenheit des Erfolges, den das System der Antheilswirthschast
in dieser und in anderen Gegenden hat.

Die Weiber helfen bei den leichteren Feldarbeiten. Im Verein mit den
Kindern überwachen sie Tags über vor der Weinlese die reifen Trauben,
sammeln die herabgefallenen Oliven, u. f. w. Sie spinnen und weben, helfen


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[0360] Mit dieser Beschäftigung kann ein kleines Mädchen ungefähr 20 Centimes täglich erwerben, und die geschicktesten sogar eine halbe Lira. Diese Einnahme an sich ist freilich gering, aber sie hilft aus, und da das Strohflechten von den Weibern zu jeder Zeit betrieben werden kann, Morgens und Abends, sprechend, gehend oder beim Bestellen der häuslichen Arbeiten, so ist sie reiner Gewinn. Zu diesen Einkünften, die je nach den verschiedenen Orten abwech¬ seln, gesellen sich andere kleinere, welche von den Hühnern, die die Wirthin hält, herrühren, von dem Schweine, welches dem Herrn nur die Abgabe eines Schinkens zollt, von den Bienen und anderen Kleinigkeiten. Jeder Landbauer hat überdies ein kleines Stück Land, welches an das Haus stößt, wo er Ge¬ müse zur Ernährung der Familie anbaut und dessen Vollertrag ihm allein zufällt. Wein und Oel werden in den Gefäßen und mit den Werkzeugen des Herrn bereitet und diese Arbeit überwacht der Verwalter. Für den Gebrauch jener Geräthschaften giebt der Ackersmann von seiner Hälfte des Erzeugnisses eine gewisse Quantität, ungefähr S yet. ab, mit dem Unterschiede, daß beim Wein die Trestern ihm verbleiben, während die ausgepreßten Olivenschalen dem Herrn zukommen. Den Trestern gewinnt der Landmann, durch Bei¬ mischung von Wasser, den Lauer ab, welcher der Familie zum Getränke dient, denn natürlich zieht er vor, den guten Wein auf dem Markte zu verkaufen. Kaum ist die Ernte eingebracht, so beginnt auch die Theilung derselben zwischen dem Grundherrn und dem Bauern. Jeder von ihnen sorgt dann selbst für den Verkauf auf den Märkten. Der Ackersmann behält zu seiner Nahrung einen Theil des Getreides oder auch sämmtliches zurück , und ver¬ kauft den Wein, um die persönlichen Staats- wie Gemeindesteuern zu zahlen und andere Kosten zu bestreiten. Alljährlich geschieht am 31. Mai, oder am 30. Juni die Abrechnung mit dem Bauern. Das heißt: zwischen dem Herrn und dem Bauern werden, nach gemeinschaftlicher Übereinkunft, 'die lau¬ fenden Rechnungen des Jahres geschlossen und neue eröffnet, nachdem man genau die Schuld und das Guthaben eines Jeden von ihnen festgestellt hat. Die ungemeine Mannigfaltigkeit des toscanischen Landbaues hat zur Folge, daß der Bauer während des ganzen Jahres eine fortdauernde Be¬ schäftigung auf seinem Grundstücke findet; dieser Umstand ist wichtig und verdient besonders im Auge behalten zu werden, als einer der Hauptgründe sür die Verschiedenheit des Erfolges, den das System der Antheilswirthschast in dieser und in anderen Gegenden hat. Die Weiber helfen bei den leichteren Feldarbeiten. Im Verein mit den Kindern überwachen sie Tags über vor der Weinlese die reifen Trauben, sammeln die herabgefallenen Oliven, u. f. w. Sie spinnen und weben, helfen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/360>, abgerufen am 06.02.2025.