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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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kahles endete; doch auch die Republik wußte nichts Anderes zu thun, als den
Franzosen die Thore der schönen Arnostadt zu öffnen. Die vorausgeschickten
Quartiermacher bezeichneten, ganz wie heutzutage, die zur Aufnahme der
Kriegsleute bestimmten Häuser mit Kreide. Am 17. November 1494 zog der
König in Florenz ein; ihm folgte das ganze Heer in geschlossener Macht,
da er für diesen festlichen Einzug bei Signa auch d'Aubigny's Corps heran¬
gezogen hatte. Am Thor San Friano erwartete ihn der florentinische
Adel mit einem goldenen Baldachin; hymnensingend umgab ihn der Clerus,
und das Volk empfing ihn mit Jubelgeschrei. Charles ritt in voller Rüstung
daher, die Lanze auf dem Schenkel; Florenz sollte als eine eroberte Stadt
angesehn werden. Das gute Einvernehmen dauerte denn auch nicht lange.
Bald kam es zu tumultuarischen Scenen wegen des Auftretens und der For¬
derungen der Franzosen. Wortführer bei den Verhandlungen war auf floren-
tinischer Seite ein ausgezeichneter Kaufmann Piero Capponi. Als er und
die ihn begleitenden Kommissäre die übermäßig harten Bedingungen des
Königs zurückwiesen, herrschte Charles sie an: "Dann werden wir unsere
Trompeten blasen!" Capponi ließ sich jedoch nicht einschüchtern und erwi¬
derte: "Und wir werden unsere Glocken läuten!" -- eine Drohung, die in
der großen, volkreichen, sehr gereizten Stadt voll enger Straßen und wohlbe¬
waffneter Bürger von nicht zu unterschätzender Bedeutung war. Charles
mäßigte sich und schloß ein Bündniß mit Florenz, demzufolge dies unter be¬
ständigem Schutze der französischen Krone stehn solle. Zu seiner Sicherheit
behielt der König die ihm von Pietro de' Medici übergebenen Festen, bis der
Krieg beendigt sei, und als ihm die Florentiner noch ein Geschenk von 120,000
Ducaten gemacht, zog er endlich auf Savonarola's Zureden ab, nicht ohne
vorher die Kunstschätze der Medizäer zusammenzubringen und mitzunehmen
ein Verfahren, das also nicht erst die französische Revolution in Italien ein¬
geführt hat.

Die Franzosen marschierten nun nach Sie na und zwar in voller Schlacht¬
ordnung, die Artillerie an der Spitze. Am 2. Dezember zog Charles in
Siena mit gleichem Pompe ein wie in Florenz.

Die neapolitanische Armee unter Ferdinands, dem Sohne des Königs
Alphonso, hielt den Kirchenstaat besetzt. Die Nachrichten lauteten dahin, daß
es bei Viterbo zu einer Schlacht kommen werde und die Lage der französischen
Armee fing an, bedenklich zu werden. Bisher hatte man die Lebensmittel
täglich mit baarem Gelde eingekauft; in Feindes Land hörte dies auf. An
eine reguläre Verpflegung oder Requisition dachte kein Mensch; aus den
Feldern war in dieser Jahreszeit nichts mehr zu finden; was sollte unter
solchen Umständen aus der Armee werden? -- Die Umgebung des Königs
wurde besorgt und man rieth ihm zum Frieden, während er selbst nur dazu


kahles endete; doch auch die Republik wußte nichts Anderes zu thun, als den
Franzosen die Thore der schönen Arnostadt zu öffnen. Die vorausgeschickten
Quartiermacher bezeichneten, ganz wie heutzutage, die zur Aufnahme der
Kriegsleute bestimmten Häuser mit Kreide. Am 17. November 1494 zog der
König in Florenz ein; ihm folgte das ganze Heer in geschlossener Macht,
da er für diesen festlichen Einzug bei Signa auch d'Aubigny's Corps heran¬
gezogen hatte. Am Thor San Friano erwartete ihn der florentinische
Adel mit einem goldenen Baldachin; hymnensingend umgab ihn der Clerus,
und das Volk empfing ihn mit Jubelgeschrei. Charles ritt in voller Rüstung
daher, die Lanze auf dem Schenkel; Florenz sollte als eine eroberte Stadt
angesehn werden. Das gute Einvernehmen dauerte denn auch nicht lange.
Bald kam es zu tumultuarischen Scenen wegen des Auftretens und der For¬
derungen der Franzosen. Wortführer bei den Verhandlungen war auf floren-
tinischer Seite ein ausgezeichneter Kaufmann Piero Capponi. Als er und
die ihn begleitenden Kommissäre die übermäßig harten Bedingungen des
Königs zurückwiesen, herrschte Charles sie an: „Dann werden wir unsere
Trompeten blasen!" Capponi ließ sich jedoch nicht einschüchtern und erwi¬
derte: „Und wir werden unsere Glocken läuten!" — eine Drohung, die in
der großen, volkreichen, sehr gereizten Stadt voll enger Straßen und wohlbe¬
waffneter Bürger von nicht zu unterschätzender Bedeutung war. Charles
mäßigte sich und schloß ein Bündniß mit Florenz, demzufolge dies unter be¬
ständigem Schutze der französischen Krone stehn solle. Zu seiner Sicherheit
behielt der König die ihm von Pietro de' Medici übergebenen Festen, bis der
Krieg beendigt sei, und als ihm die Florentiner noch ein Geschenk von 120,000
Ducaten gemacht, zog er endlich auf Savonarola's Zureden ab, nicht ohne
vorher die Kunstschätze der Medizäer zusammenzubringen und mitzunehmen
ein Verfahren, das also nicht erst die französische Revolution in Italien ein¬
geführt hat.

Die Franzosen marschierten nun nach Sie na und zwar in voller Schlacht¬
ordnung, die Artillerie an der Spitze. Am 2. Dezember zog Charles in
Siena mit gleichem Pompe ein wie in Florenz.

Die neapolitanische Armee unter Ferdinands, dem Sohne des Königs
Alphonso, hielt den Kirchenstaat besetzt. Die Nachrichten lauteten dahin, daß
es bei Viterbo zu einer Schlacht kommen werde und die Lage der französischen
Armee fing an, bedenklich zu werden. Bisher hatte man die Lebensmittel
täglich mit baarem Gelde eingekauft; in Feindes Land hörte dies auf. An
eine reguläre Verpflegung oder Requisition dachte kein Mensch; aus den
Feldern war in dieser Jahreszeit nichts mehr zu finden; was sollte unter
solchen Umständen aus der Armee werden? — Die Umgebung des Königs
wurde besorgt und man rieth ihm zum Frieden, während er selbst nur dazu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/340>, abgerufen am 06.02.2025.