Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

jener andere große Magus ins Dasein gerufen, der endlich seinen Zauberstab
für immer niedergelegt hat. ,

Harte's Gedichte sind in seinem späteren Werke in Kalifornien dichter
gesät, als anderswo. Einige der bekanntesten wurden zwischen 1865 und 1870
geschrieben. "Plain Language from Truthful James", gewöhnlich unter dem
Titel "The Heathen Chinee" angeführt, eine Dichtung, die nicht nur in
Amerika, sondern auch in England die allgemeinste Theilnahme wachrief, da
dieselbe eine damalige brennende Tagesfrage, die Einwanderung der Chinesen
in Californien und das Verhältniß der dortigen Bevölkerung zu diesen heid¬
nischen Asiaten berührte, erschien im "Overland" im September 1870. Ein
anspruchsvolleres Werk "The Lose Galleon" war eine frühere Schöpfung und
gab einem Bändchen flüchtiger Verse den Titel, welches 1868 in San Fran¬
cisco die Presse verließ.

Das erste Buch Harte's waren die "Condensed Novels", eine Sammlung
von Verkürzungen oder Verdichtungen gewisser Romane von Dickens, Belzac
u. A., die, wie mit dem Storchschnabel gemacht, die Quintessenz derselben
und damit auch deren Schwächen deutlicher hervortreten ließen, als die Ori¬
ginale, und die, zuerst in der Wochenschrift "The Californian" veröffentlicht,
später in New-Uork in einem Bändchen gesammelt erschienen, um bald meh¬
rere Auflagen zu erleben. Seitdem sind vier neue Bände, von denen aber
nur zwei Neues enthalten, von unserem Autor herausgekommen.

' Im Frühling des Jahres 1871 gab Harte die Stellung als Redacteur
des "Overland" und ebenso die Professur der neueren Literatur an der Uni¬
versität von Californien, die ihm zwei Jahre vorher verliehen worden, auf,
um einem dauernden Engagement bei der Zeitschrift "The Atlantic Monthly"
zu folgen, die in Boston erscheint. Er kehrte in seinen Heimathsstaat mit
gereiften Fähigkeiten und dem großen Namen zurück, den er sich während
einer siebzehnjährigen Abwesenheit erworben, und lebt jetzt vorzüglich in Neu-
york, wo er sich des Umgangs mit der besten Gesellschaft und geistig Gleich¬
strebenden, wie Aldrich, erfreut.

Hoffen wir, daß es ihm hier gelingt, aus dem neuen Boden ebenfalls
Nahrung für seinen Dichtergeist zu ziehen und namentlich sich zu einem
größeren Werke zusammenzufassen.

In ersterer Beziehung sind wir nicht ohne Bedenken. Die eigentliche Do¬
mäne Harte's war bisher Californien und zwar das Californien der fünfziger
Jahre und sein Versuch, das Leben in gewissen vornehmen Kreisen in Osten zu
schildern, den wir in der Novelle "Die Ehemänner der Frau Skeggs" begeg¬
nen, ist unserm Gefühl nach nicht besonders gelungen. Auch unser prächtiger,
alter Reuter hat, seit er sein heimathliches Mecklenburg verlassen, nichts von
Bedeutung mehr geschrieben. In der anderen Beziehung stehen wir zwar


jener andere große Magus ins Dasein gerufen, der endlich seinen Zauberstab
für immer niedergelegt hat. ,

Harte's Gedichte sind in seinem späteren Werke in Kalifornien dichter
gesät, als anderswo. Einige der bekanntesten wurden zwischen 1865 und 1870
geschrieben. „Plain Language from Truthful James", gewöhnlich unter dem
Titel „The Heathen Chinee" angeführt, eine Dichtung, die nicht nur in
Amerika, sondern auch in England die allgemeinste Theilnahme wachrief, da
dieselbe eine damalige brennende Tagesfrage, die Einwanderung der Chinesen
in Californien und das Verhältniß der dortigen Bevölkerung zu diesen heid¬
nischen Asiaten berührte, erschien im „Overland" im September 1870. Ein
anspruchsvolleres Werk „The Lose Galleon" war eine frühere Schöpfung und
gab einem Bändchen flüchtiger Verse den Titel, welches 1868 in San Fran¬
cisco die Presse verließ.

Das erste Buch Harte's waren die „Condensed Novels", eine Sammlung
von Verkürzungen oder Verdichtungen gewisser Romane von Dickens, Belzac
u. A., die, wie mit dem Storchschnabel gemacht, die Quintessenz derselben
und damit auch deren Schwächen deutlicher hervortreten ließen, als die Ori¬
ginale, und die, zuerst in der Wochenschrift „The Californian" veröffentlicht,
später in New-Uork in einem Bändchen gesammelt erschienen, um bald meh¬
rere Auflagen zu erleben. Seitdem sind vier neue Bände, von denen aber
nur zwei Neues enthalten, von unserem Autor herausgekommen.

' Im Frühling des Jahres 1871 gab Harte die Stellung als Redacteur
des „Overland" und ebenso die Professur der neueren Literatur an der Uni¬
versität von Californien, die ihm zwei Jahre vorher verliehen worden, auf,
um einem dauernden Engagement bei der Zeitschrift „The Atlantic Monthly"
zu folgen, die in Boston erscheint. Er kehrte in seinen Heimathsstaat mit
gereiften Fähigkeiten und dem großen Namen zurück, den er sich während
einer siebzehnjährigen Abwesenheit erworben, und lebt jetzt vorzüglich in Neu-
york, wo er sich des Umgangs mit der besten Gesellschaft und geistig Gleich¬
strebenden, wie Aldrich, erfreut.

Hoffen wir, daß es ihm hier gelingt, aus dem neuen Boden ebenfalls
Nahrung für seinen Dichtergeist zu ziehen und namentlich sich zu einem
größeren Werke zusammenzufassen.

In ersterer Beziehung sind wir nicht ohne Bedenken. Die eigentliche Do¬
mäne Harte's war bisher Californien und zwar das Californien der fünfziger
Jahre und sein Versuch, das Leben in gewissen vornehmen Kreisen in Osten zu
schildern, den wir in der Novelle „Die Ehemänner der Frau Skeggs" begeg¬
nen, ist unserm Gefühl nach nicht besonders gelungen. Auch unser prächtiger,
alter Reuter hat, seit er sein heimathliches Mecklenburg verlassen, nichts von
Bedeutung mehr geschrieben. In der anderen Beziehung stehen wir zwar


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133596"/>
          <p xml:id="ID_963" prev="#ID_962"> jener andere große Magus ins Dasein gerufen, der endlich seinen Zauberstab<lb/>
für immer niedergelegt hat. ,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_964"> Harte's Gedichte sind in seinem späteren Werke in Kalifornien dichter<lb/>
gesät, als anderswo. Einige der bekanntesten wurden zwischen 1865 und 1870<lb/>
geschrieben. &#x201E;Plain Language from Truthful James", gewöhnlich unter dem<lb/>
Titel &#x201E;The Heathen Chinee" angeführt, eine Dichtung, die nicht nur in<lb/>
Amerika, sondern auch in England die allgemeinste Theilnahme wachrief, da<lb/>
dieselbe eine damalige brennende Tagesfrage, die Einwanderung der Chinesen<lb/>
in Californien und das Verhältniß der dortigen Bevölkerung zu diesen heid¬<lb/>
nischen Asiaten berührte, erschien im &#x201E;Overland" im September 1870. Ein<lb/>
anspruchsvolleres Werk &#x201E;The Lose Galleon" war eine frühere Schöpfung und<lb/>
gab einem Bändchen flüchtiger Verse den Titel, welches 1868 in San Fran¬<lb/>
cisco die Presse verließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_965"> Das erste Buch Harte's waren die &#x201E;Condensed Novels", eine Sammlung<lb/>
von Verkürzungen oder Verdichtungen gewisser Romane von Dickens, Belzac<lb/>
u. A., die, wie mit dem Storchschnabel gemacht, die Quintessenz derselben<lb/>
und damit auch deren Schwächen deutlicher hervortreten ließen, als die Ori¬<lb/>
ginale, und die, zuerst in der Wochenschrift &#x201E;The Californian" veröffentlicht,<lb/>
später in New-Uork in einem Bändchen gesammelt erschienen, um bald meh¬<lb/>
rere Auflagen zu erleben. Seitdem sind vier neue Bände, von denen aber<lb/>
nur zwei Neues enthalten, von unserem Autor herausgekommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_966"> ' Im Frühling des Jahres 1871 gab Harte die Stellung als Redacteur<lb/>
des &#x201E;Overland" und ebenso die Professur der neueren Literatur an der Uni¬<lb/>
versität von Californien, die ihm zwei Jahre vorher verliehen worden, auf,<lb/>
um einem dauernden Engagement bei der Zeitschrift &#x201E;The Atlantic Monthly"<lb/>
zu folgen, die in Boston erscheint. Er kehrte in seinen Heimathsstaat mit<lb/>
gereiften Fähigkeiten und dem großen Namen zurück, den er sich während<lb/>
einer siebzehnjährigen Abwesenheit erworben, und lebt jetzt vorzüglich in Neu-<lb/>
york, wo er sich des Umgangs mit der besten Gesellschaft und geistig Gleich¬<lb/>
strebenden, wie Aldrich, erfreut.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_967"> Hoffen wir, daß es ihm hier gelingt, aus dem neuen Boden ebenfalls<lb/>
Nahrung für seinen Dichtergeist zu ziehen und namentlich sich zu einem<lb/>
größeren Werke zusammenzufassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_968" next="#ID_969"> In ersterer Beziehung sind wir nicht ohne Bedenken. Die eigentliche Do¬<lb/>
mäne Harte's war bisher Californien und zwar das Californien der fünfziger<lb/>
Jahre und sein Versuch, das Leben in gewissen vornehmen Kreisen in Osten zu<lb/>
schildern, den wir in der Novelle &#x201E;Die Ehemänner der Frau Skeggs" begeg¬<lb/>
nen, ist unserm Gefühl nach nicht besonders gelungen. Auch unser prächtiger,<lb/>
alter Reuter hat, seit er sein heimathliches Mecklenburg verlassen, nichts von<lb/>
Bedeutung mehr geschrieben.  In der anderen Beziehung stehen wir zwar</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] jener andere große Magus ins Dasein gerufen, der endlich seinen Zauberstab für immer niedergelegt hat. , Harte's Gedichte sind in seinem späteren Werke in Kalifornien dichter gesät, als anderswo. Einige der bekanntesten wurden zwischen 1865 und 1870 geschrieben. „Plain Language from Truthful James", gewöhnlich unter dem Titel „The Heathen Chinee" angeführt, eine Dichtung, die nicht nur in Amerika, sondern auch in England die allgemeinste Theilnahme wachrief, da dieselbe eine damalige brennende Tagesfrage, die Einwanderung der Chinesen in Californien und das Verhältniß der dortigen Bevölkerung zu diesen heid¬ nischen Asiaten berührte, erschien im „Overland" im September 1870. Ein anspruchsvolleres Werk „The Lose Galleon" war eine frühere Schöpfung und gab einem Bändchen flüchtiger Verse den Titel, welches 1868 in San Fran¬ cisco die Presse verließ. Das erste Buch Harte's waren die „Condensed Novels", eine Sammlung von Verkürzungen oder Verdichtungen gewisser Romane von Dickens, Belzac u. A., die, wie mit dem Storchschnabel gemacht, die Quintessenz derselben und damit auch deren Schwächen deutlicher hervortreten ließen, als die Ori¬ ginale, und die, zuerst in der Wochenschrift „The Californian" veröffentlicht, später in New-Uork in einem Bändchen gesammelt erschienen, um bald meh¬ rere Auflagen zu erleben. Seitdem sind vier neue Bände, von denen aber nur zwei Neues enthalten, von unserem Autor herausgekommen. ' Im Frühling des Jahres 1871 gab Harte die Stellung als Redacteur des „Overland" und ebenso die Professur der neueren Literatur an der Uni¬ versität von Californien, die ihm zwei Jahre vorher verliehen worden, auf, um einem dauernden Engagement bei der Zeitschrift „The Atlantic Monthly" zu folgen, die in Boston erscheint. Er kehrte in seinen Heimathsstaat mit gereiften Fähigkeiten und dem großen Namen zurück, den er sich während einer siebzehnjährigen Abwesenheit erworben, und lebt jetzt vorzüglich in Neu- york, wo er sich des Umgangs mit der besten Gesellschaft und geistig Gleich¬ strebenden, wie Aldrich, erfreut. Hoffen wir, daß es ihm hier gelingt, aus dem neuen Boden ebenfalls Nahrung für seinen Dichtergeist zu ziehen und namentlich sich zu einem größeren Werke zusammenzufassen. In ersterer Beziehung sind wir nicht ohne Bedenken. Die eigentliche Do¬ mäne Harte's war bisher Californien und zwar das Californien der fünfziger Jahre und sein Versuch, das Leben in gewissen vornehmen Kreisen in Osten zu schildern, den wir in der Novelle „Die Ehemänner der Frau Skeggs" begeg¬ nen, ist unserm Gefühl nach nicht besonders gelungen. Auch unser prächtiger, alter Reuter hat, seit er sein heimathliches Mecklenburg verlassen, nichts von Bedeutung mehr geschrieben. In der anderen Beziehung stehen wir zwar

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/308>, abgerufen am 06.02.2025.