Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.ganz fehlen, oder hinter die Scene verlegt sind. Antonius hält eine Rede Du hattest Recht. Und als Cassius die entscheidende Frage wagt: ob er mit den Verschworenen Dasselbe gilt vom zweiten Act, obwohl dieser bei Kruse weit kürzer und [Beginn Spaltensatz] Ich sage Dir, du darfst nicht Rücksicht nehmen ganz fehlen, oder hinter die Scene verlegt sind. Antonius hält eine Rede Du hattest Recht. Und als Cassius die entscheidende Frage wagt: ob er mit den Verschworenen Dasselbe gilt vom zweiten Act, obwohl dieser bei Kruse weit kürzer und [Beginn Spaltensatz] Ich sage Dir, du darfst nicht Rücksicht nehmen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133543"/> <p xml:id="ID_830" prev="#ID_829"> ganz fehlen, oder hinter die Scene verlegt sind. Antonius hält eine Rede<lb/> ein den Senat, in der er dem Caesar das Diadem anbietet, Caesar stößt es<lb/> unwillig zurück, als das Volk bei den ersten schüchternen Abwehrbewegungen<lb/> des Imperators in ungeheuren Beifall ausbricht. Für Brutus ist dieser An¬<lb/> blick und diese Rede entscheidend. In einer kurzen Schlußscene mit Cassius<lb/> stellt er sich ganz auf des Letzteren Standpunkt, und ruft aus:</p><lb/> <quote> Du hattest Recht.<lb/> Ja, Caesar will die Republik vernichten.</quote><lb/> <p xml:id="ID_831"> Und als Cassius die entscheidende Frage wagt: ob er mit den Verschworenen<lb/> zu Brutus kommen dürfe, da reicht Brutus ihm langsam und zögernd die<lb/> Rechte und spricht: „kommt!" Damit schließt der erste Act. Wenn man die<lb/> Verschiedenheit der Auffassung des deutschen Dichters vom englischen rück¬<lb/> blickend in einem Worte ausdrücken will, so wird man sagen dürfen: Kruse<lb/> führt alle die Vorgänge, die Shakespeare hinter die Scene oder in die Seelen¬<lb/> thätigkeit seiner Helden legt, uns wirklich vor Augen, und zwar im strengsten<lb/> Anschluß an die historische Wahrheit. Hierdurch gewinnt der Act psychologisch<lb/> wie dramatisch erheblich an Leben und Interesse.</p><lb/> <p xml:id="ID_832"> Dasselbe gilt vom zweiten Act, obwohl dieser bei Kruse weit kürzer und<lb/> einfacher angelegt ist, als bei Shakespeare. Er besteht nämlich nur aus einer<lb/> Scene zwischen Brutus und Porcia und der Zusammenkunft des Brutus mit<lb/> den Verschworenen. Die gesammten Vorgänge der Iden des März, von den<lb/> Scenen in Caesar's Haus, von dem Gang auf das Capitol, bis zu dem<lb/> Aufruhr, den des Antonius Leichenrede erzeugt, vereinigt Kruse mit Recht in<lb/> den dritten Act. Dafür aber bietet uns sein zweiter Act abermals eine offene<lb/> Scene von höchstem Interesse, welche Shakespeare hinter die Scene verlegt.<lb/> Brutus weiht' seine Gattin vor unsern Ohren und Augen in sein Geheimniß<lb/> ein. Und diese Mittheilung zeigt uns die edle Römerin in ihrer wahren<lb/> Größe — weit erhabener als bei Shakespeare, wo wir sie unter der Last der<lb/> Mitwisserschaft fast erliegen sehen (während Kruse diese Nachwehen seiner¬<lb/> seits hinter die Scene des dritten Actes verlegt). Brutus wird weich bei dem<lb/> Gedanken, was Caesar dem Vaterlande, was er des Brutus eigener Seele ist,<lb/> und daß er nun nicht mehr sein soll. Da spricht Porcia:</p><lb/> <cb type="start"/> <p> Ich sage Dir, du darfst nicht Rücksicht nehmen<lb/> Auf Alles, was Dir Caesar war als Freund,<lb/> Wenn Du Dein Vaterland befreien willst! . .<lb/> Das Vaterland schließt aller Götter Tempel.<lb/> Das Varlandliet alle iten ein! . .<cb/><lb/><quote> Ist etwas groß, das keine Opfer kostet ?<lb/> Man muß dem Vaterlande Alles opfern.<lb/> Das Leben nicht allein und auß're Güter<lb/> Auch seine innersten Empfindungen,</quote><cb type="end"/><lb/><quote> te schßPflch</quote><lb/> Und Brutus erwidert:<lb/><quote> Da Du zu der That<lb/> Mich selbst noch antreibst, schwinden alle Zweifel . . .<lb/> Du bist die eine Hälfte meiner Seele,<lb/> Und stehe da, sie ist der andern gleich.<lb/> So bin ich eins geworden mit mir selbst-</quote><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0255]
ganz fehlen, oder hinter die Scene verlegt sind. Antonius hält eine Rede
ein den Senat, in der er dem Caesar das Diadem anbietet, Caesar stößt es
unwillig zurück, als das Volk bei den ersten schüchternen Abwehrbewegungen
des Imperators in ungeheuren Beifall ausbricht. Für Brutus ist dieser An¬
blick und diese Rede entscheidend. In einer kurzen Schlußscene mit Cassius
stellt er sich ganz auf des Letzteren Standpunkt, und ruft aus:
Du hattest Recht.
Ja, Caesar will die Republik vernichten.
Und als Cassius die entscheidende Frage wagt: ob er mit den Verschworenen
zu Brutus kommen dürfe, da reicht Brutus ihm langsam und zögernd die
Rechte und spricht: „kommt!" Damit schließt der erste Act. Wenn man die
Verschiedenheit der Auffassung des deutschen Dichters vom englischen rück¬
blickend in einem Worte ausdrücken will, so wird man sagen dürfen: Kruse
führt alle die Vorgänge, die Shakespeare hinter die Scene oder in die Seelen¬
thätigkeit seiner Helden legt, uns wirklich vor Augen, und zwar im strengsten
Anschluß an die historische Wahrheit. Hierdurch gewinnt der Act psychologisch
wie dramatisch erheblich an Leben und Interesse.
Dasselbe gilt vom zweiten Act, obwohl dieser bei Kruse weit kürzer und
einfacher angelegt ist, als bei Shakespeare. Er besteht nämlich nur aus einer
Scene zwischen Brutus und Porcia und der Zusammenkunft des Brutus mit
den Verschworenen. Die gesammten Vorgänge der Iden des März, von den
Scenen in Caesar's Haus, von dem Gang auf das Capitol, bis zu dem
Aufruhr, den des Antonius Leichenrede erzeugt, vereinigt Kruse mit Recht in
den dritten Act. Dafür aber bietet uns sein zweiter Act abermals eine offene
Scene von höchstem Interesse, welche Shakespeare hinter die Scene verlegt.
Brutus weiht' seine Gattin vor unsern Ohren und Augen in sein Geheimniß
ein. Und diese Mittheilung zeigt uns die edle Römerin in ihrer wahren
Größe — weit erhabener als bei Shakespeare, wo wir sie unter der Last der
Mitwisserschaft fast erliegen sehen (während Kruse diese Nachwehen seiner¬
seits hinter die Scene des dritten Actes verlegt). Brutus wird weich bei dem
Gedanken, was Caesar dem Vaterlande, was er des Brutus eigener Seele ist,
und daß er nun nicht mehr sein soll. Da spricht Porcia:
Ich sage Dir, du darfst nicht Rücksicht nehmen
Auf Alles, was Dir Caesar war als Freund,
Wenn Du Dein Vaterland befreien willst! . .
Das Vaterland schließt aller Götter Tempel.
Das Varlandliet alle iten ein! . .
Ist etwas groß, das keine Opfer kostet ?
Man muß dem Vaterlande Alles opfern.
Das Leben nicht allein und auß're Güter
Auch seine innersten Empfindungen,
te schßPflch
Und Brutus erwidert:
Da Du zu der That
Mich selbst noch antreibst, schwinden alle Zweifel . . .
Du bist die eine Hälfte meiner Seele,
Und stehe da, sie ist der andern gleich.
So bin ich eins geworden mit mir selbst-
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