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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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bei Samt Paul und auf fleißige Mitarbeiterschaft an der von Kroll heraus¬
gegebnen kirchlichen Zeitschrift mit ihm trinken mußte, was wir beiläufig
hinter, einer spanischen Wand vollbrachten, die der rücksichtsvolle und vorsorg¬
liche Wirth zwischen uns Kleriker und die profanen Gäste geschoben hatte.
Ehrwürden tröstete mich: das wäre ja nicht so gefährlich -- was ich heut
Morgen gehört, wäre Ausnahme -- ich würde in den hiesigen Geistlichen
ganz angenehme Leute finden, u. dergl. Genug, ich ließ mich trösten, zumal
mir der Präsident meines Kirchenrathes, dem ich zwischen dem Besuch im
Pastorat der Johanniskirche und dem im Pfau meine Aufwartung gemacht,
nicht übel gefallen hatte.

Der Name dieses Kirchenrathspräsidenten war Niemeyer, sein Geschäft,
abgesehen von den Angelegenheiten, die ihm jene Würde in die Hand legte,
das eines Tischlers in Clawson's Bedstead Factory. Ich traf ihn gerade bei
der Arbeit über dem Kopfende einer Bettstelle und einem Haufen von Hobel-
spcihnen, der ihm bis über die Knie ging. Der Sprache nach ist er ein Platt¬
deutscher. Er war gegen den Candidaten cordialer, als Präsidenten deutscher
Kirchenräthe gewöhnlich sein sollen, rieth mir, ein schriftliches Gesuch an sein
Collegium einzureichen, und versprach es am Abend selbst abzuholen, was
unsere Kirchenrathspräsidenten wohl. auch nicht immer für ihre Schuldigkeit
halten werden.

Ich entwarf, froh über so guten Anfang, die Eingabe, und um fünf
Uhr stellte sich der Präsident ein, um sie mitzunehmen und mich zugleich auf
die Walnutstreet zu führen, wo die Pauluskirche liegt. Er ließ sie aufschlie¬
ßen und zeigte mir das Innere. Sie ist äußerlich ein einfaches, ziemlich un¬
scheinbares und schmuckloses Gebäude, das im Erdgeschoß die Schule der Ge¬
meinde und eine Apotheke hat, im Innern aber recht nett eingerichtet. Die
Sitzbänke sind von polirtem schwarzem Walnußholz, die Gänge zwischen ihnen
mit Teppichen belegt. Schiff und Emporkirchen mögen achthundert Personen
fassen. Die Kanzel, an der Wand dem Haupteingang gegenüber angebracht,
ist eine Estrade mit Pult, aber ohne Schalldeckel, zu der rechts und links'
Stufen hinaufführen. Der Altar befindet sich unmittelbar unter dem Pult
der Kanzel. Das Ganze macht, gleich den meisten protestantischen Kirchen
des Westens, einen nüchternen, aber freundlichen und behaglichen, ich möchte
sagen, warmen Eindruck.

Während der Präsident mich herumführte, theilte er mir die neueste Ge¬
schichte der Gemeinde und die Gründe mit, die zur Entlassung des seitherigen
Pfarrers bewogen hatten. Derselbe heißt Göbel und ist von Hamilton hier¬
her berufen worden. Er hat die Stelle vier Jahre innegehabt und anfangs
recht wohl gefallen. Aber schon bei Entwerfung der Constitution ist seine
Herrschsucht übel vermerkt worden, und bei späteren Gelegenheiten hat er eine


bei Samt Paul und auf fleißige Mitarbeiterschaft an der von Kroll heraus¬
gegebnen kirchlichen Zeitschrift mit ihm trinken mußte, was wir beiläufig
hinter, einer spanischen Wand vollbrachten, die der rücksichtsvolle und vorsorg¬
liche Wirth zwischen uns Kleriker und die profanen Gäste geschoben hatte.
Ehrwürden tröstete mich: das wäre ja nicht so gefährlich — was ich heut
Morgen gehört, wäre Ausnahme — ich würde in den hiesigen Geistlichen
ganz angenehme Leute finden, u. dergl. Genug, ich ließ mich trösten, zumal
mir der Präsident meines Kirchenrathes, dem ich zwischen dem Besuch im
Pastorat der Johanniskirche und dem im Pfau meine Aufwartung gemacht,
nicht übel gefallen hatte.

Der Name dieses Kirchenrathspräsidenten war Niemeyer, sein Geschäft,
abgesehen von den Angelegenheiten, die ihm jene Würde in die Hand legte,
das eines Tischlers in Clawson's Bedstead Factory. Ich traf ihn gerade bei
der Arbeit über dem Kopfende einer Bettstelle und einem Haufen von Hobel-
spcihnen, der ihm bis über die Knie ging. Der Sprache nach ist er ein Platt¬
deutscher. Er war gegen den Candidaten cordialer, als Präsidenten deutscher
Kirchenräthe gewöhnlich sein sollen, rieth mir, ein schriftliches Gesuch an sein
Collegium einzureichen, und versprach es am Abend selbst abzuholen, was
unsere Kirchenrathspräsidenten wohl. auch nicht immer für ihre Schuldigkeit
halten werden.

Ich entwarf, froh über so guten Anfang, die Eingabe, und um fünf
Uhr stellte sich der Präsident ein, um sie mitzunehmen und mich zugleich auf
die Walnutstreet zu führen, wo die Pauluskirche liegt. Er ließ sie aufschlie¬
ßen und zeigte mir das Innere. Sie ist äußerlich ein einfaches, ziemlich un¬
scheinbares und schmuckloses Gebäude, das im Erdgeschoß die Schule der Ge¬
meinde und eine Apotheke hat, im Innern aber recht nett eingerichtet. Die
Sitzbänke sind von polirtem schwarzem Walnußholz, die Gänge zwischen ihnen
mit Teppichen belegt. Schiff und Emporkirchen mögen achthundert Personen
fassen. Die Kanzel, an der Wand dem Haupteingang gegenüber angebracht,
ist eine Estrade mit Pult, aber ohne Schalldeckel, zu der rechts und links'
Stufen hinaufführen. Der Altar befindet sich unmittelbar unter dem Pult
der Kanzel. Das Ganze macht, gleich den meisten protestantischen Kirchen
des Westens, einen nüchternen, aber freundlichen und behaglichen, ich möchte
sagen, warmen Eindruck.

Während der Präsident mich herumführte, theilte er mir die neueste Ge¬
schichte der Gemeinde und die Gründe mit, die zur Entlassung des seitherigen
Pfarrers bewogen hatten. Derselbe heißt Göbel und ist von Hamilton hier¬
her berufen worden. Er hat die Stelle vier Jahre innegehabt und anfangs
recht wohl gefallen. Aber schon bei Entwerfung der Constitution ist seine
Herrschsucht übel vermerkt worden, und bei späteren Gelegenheiten hat er eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/25>, abgerufen am 06.02.2025.